SV Horst-Emscher U19 – TV Jahn Hiesfeld U19 4:2

Deutschland, Testspiel
Sonntag, 2. August 2020, 11 Uhr
Gelsenkirchen, Sportanlage auf dem Schollbruch 

Gelsenkirchen ist eine Stadt, die in meinem bisherigen Leben keinerlei Rolle gespielt hat. Im alten Parkstadion habe ich nie ein Spiel gesehen, die Arena auf Schalke nur ein einziges Mal besucht. Das war 2004, UEFA-Cup gegen Ferencváros. Keine vier Stunde hatte ich damals in Gelsenkirchen verbracht, die Stadt seitdem nie wieder betreten. Nicht, weil ich Gelsenkirchen nicht mögen würde, sondern weil es dort – so dachte ich – außer Schalke nicht viel zu sehen gibt. Am Ende des heutigen Tages werde ich einsehen, dass ich mich da ganz schön getäuscht habe. Ich werde mich sogar ein bisschen in Gelsenkirchen verliebt haben. Denn eines steht fest: Dafür, dass die Stadt nur 250.000 Einwohner hat und sportlich hinter dem FC Schalke 04 lange nichts kommt, steht hier eine in Deutschland fast unschlagbare Anzahl an geilen Grounds. Mag sein, dass es in Essen und Dortmund mehr sind, aber die beiden Städte haben auch jeweils doppelt so viele Einwohner – und Vereine hinter RWE und BVB, die in der Oberliga spielen. Wir jedenfalls werden Gelsenkirchen im Laufe des Tages umbenennen in Groundenkirchen. Zur reichlichen Ground-Auswahl kommt eine reichliche Testspiel-Auswahl, so dass man zig Kombinationsmöglichkeiten hat, um mindestens drei Spiele zu sehen. Den ein oder anderen zieht es heute Vormittag zur Jugend des FC Schalke 04 ins Parkstadion, uns dagegen zum SV Horst-Emscher. Die Einfahrt nach Gelsenkirchen-Horst hält alle Versprechen: mehrgeschossiges Arbeiterhaus an mehrgeschossiges Arbeiterhaus, Kiosk oder Imbiss im Erdgeschoss, Schalke-Fanartikel in den Fenstern. Authentisch – das könnte man gar nicht in irgendeinem Themenpark künstlich nachstellen. Es fehlt eigentlich nur noch der schwarze Ruß in der Luft und ein Bergarbeiter mit Grubenlampe in der Hand, der gerade zur Zeche geht. Gleich zwei von Gelsenkirchens Grounds mit Ausbau stehen beim SV Horst-Emscher: Auf dem Asche-Nebenplatz stehen zwei überdachte Tribünchen, auf dem Hauptplatz sogar drei. Nichts Großes, im Gelsenkirchener Vergleich fast schon mickrig, aber in manch einer Stadt wären das schon Highlights. Einem schönen Testspiel-Morgen bei der A-Jugend des SV Horst-Emscher steht damit eigentlich nichts mehr im Wege – wäre da nicht ein übermotivierter Ordner. Am Eingang liegt eine Liste aus, in die jeder Besucher seine persönlichen Daten eintragen soll. Alle untereinander auf dem gleichen Zettel, noch dazu ohne Aufsichtsperson. Das geht schon über einen nicht vorhandenen Datenschutz hinaus, denn hier könnte jemand wirklich in aller Ruhe die persönlichen Daten aller Zuschauer abschreiben oder abfotografieren. Mit krimineller Energie könnte man das sogar für einen Wohnungseinbruch nutzen, weil man weiß, dass die Personen jetzt mindestens 90 Minuten lang nicht zu Hause sein wird. Wir gehen also einfach an der Liste vorbei, werden aber etliche Meter später von besagtem Ordner angehalten und gefragt, wie denn unsere Namen seien, damit er mal nachkontrollieren könnte, ob wir da unsere richtigen Namen eingetragen hätten. Wahrheitsgemäß antworte ich, dass wir uns da überhaupt nicht eingetragen haben, weil eine Kontaktdatenerfassung in dieser Form gegen wirklich alles verstößt, was geltendes Recht ist. Das kommt offenbar einer Kriegserklärung gleich. Ich drücke dem Ordner sogar meinen Ausweis in die Hand, damit er meine persönlichen Daten erfassen kann, aber halt in einer Form, die dem Datenschutz entspricht. Der Typ rastet jedoch völlig aus und es muss ein Vereinsoffizieller des SV Horst-Emscher eingreifen, der den eigenen Ordner zur Seite nimmt und ihm sagt, er soll mal ein paar Gänge zurückschalten. Absolut verrückt, diese Corona-Zeiten... Die Sache ist damit allerdings noch nicht erledigt, denn nach dem Abpfiff folgt Runde 2. Der Ordner hat sich in den 90 Spielminuten tatsächlich nicht beruhigt. Auf dem Weg zurück zum Parkplatz folgt er uns ohne auch nur einen Meter Abstand, schimpft auf uns ein und spricht uns – ohne dass wir auch nur ein Wort gesagt haben – ein Hausverbot für die Sportanlage aus. Unschön, weil wir ja irgendwann auch mal ein Spiel auf dem Asche-Nebenplatz sehen wollen, aber an der Reaktion des Vereinskollegen vor dem Spiel haben wir ja gesehen, dass der Ordner hier nicht die höchste Instanz ist. Und trotzdem fängt Gelsenkirchen an, mir richtig gut zu gefallen.