SG Eintracht Gelsenkirchen – SV Preußen Bochum-Vöde 2:2

Deutschland, Testspiel
Sonntag, 2. August 2020, 15 Uhr
Gelsenkirchen, Südstadion 

Nächstes Spiel, nächster Kracherground. Groundenkirchen verwöhnt uns weiter. Warum hier unmittelbar an der Grenze zu Wattenscheid so ein geiles Teil steht, verstehen wir nicht so richtig, denn wie gesagt: Sportlich kam und kommt hinter dem FC Schalke 04 in Gelsenkirchen so schnell nichts. Warum hier also so ein Stadion steht, erschließt sich nicht unbedingt. Die SG Eintracht Gelsenkirchen spielte nach dem Zweiten Weltkrieg zwar immerhin in der damals zweitklassigen Regionalliga West, allerdings kann man Zweitklassigkeit vor der Bundesliga-Gründung natürlich nicht mit heutiger Zweitklassigkeit vergleichen. Dennoch entschied man sich in den 1960ern dafür, hier anstelle einer Bezirkssportanlage mit 10.000 Plätzen das Südstadion mit 21.000 Plätzen für die Eintracht zu bauen. Eingeweiht wurde es im Jahr 1967. Man muss dazu sagen: 1965 wäre der FC Schalke 04 um ein Haar in die Regionalliga abgestiegen, wo es dann zum Gelsenkirchener Derby gegen die Eintracht gekommen wäre. Durch den Zwangsabstieg von Hertha BSC und Aufstockung der Bundesliga von 16 auf 18 Vereine konnten sich die Königsblauen jedoch retten. Die Gelsenkirchener Fußballgeschichte und vor allem die Vereinsgeschichte der Eintracht hätten wohl einen völlig anderen Verlauf genommen, wenn sich beide Vereine zumindest sportlich für ein Jahr auf Augenhöhe begegnet wären. So, wie es gekommen ist, war das Südstadion für die Eintracht eher überdimensioniert, doch neun Jahre nach dem Fast-Derby ergab sich mit der Gründung der 2. Bundesliga eine neue Chance. Um dort Fuß fassen zu können, fusionierte die Eintracht mit der STV Horst-Emscher (deutscher Amateurmeister von 1967; hat nichts zu tun mit dem SV Horst-Emscher, den wir heute Mittag gesehen haben) zur STV Eintracht Gelsenkirchen-Horst. Die Parole damals lautete: „Hund und Katze sollen sich vertragen, um zu einer zweiten Kraft in der Schalke-Stadt zu werden.“ Das Südstadion wurde dafür nicht gebraucht, denn es folgte der Umzug ins Fürstenbergstadion des STV Horst-Emscher, doch der Aufstieg in die 2. Bundesliga wurde deutlich verfehlt – stattdessen stieg man in die viertklassige Verbandsliga ab. Bitter: 1978 wurde die Eintracht ersatzlos aus dem Vereinsnamen gestrichen, der Verein nannte sich wieder nur noch STV Horst-Emscher. Der spielte zuletzt nur noch in der Kreisliga A und löste sich 2017 mit einem unfassbaren Schuldenstand von 250.000 Euro auf. Ebenso absurd ist übrigens, dass die Eintracht im Jahr 1968 den ehemaligen S04-Profi Willi Kraus verpflichtet hatte, der kurz zuvor seine Profikarriere beenden musste, weil er mehrere krumme Geschäfte auf Rechnung des FC Schalke 04 getätigt hatte, ins Trainingslager eine Pistole mitbrachte und einen Bankraub verübte, weshalb er zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden war. Ja, richtig gelesen. Die Eintracht wollte ihm eine neue Chance geben, doch auch dort wurde er nach einigen Wochen von der Polizei verhaftet, weil er wieder Einbrüche begangen hatte. Geschichten, die wohl nur der Ruhrpott schreibt. Aus heutiger Sicht absurd: Der Verband bestrafte die Eintracht für die Einbrüche von Willi Kraus und zog ihr sechs Punkte ab, wodurch sie in die Verbandsliga absteigen musste (aber sofort wieder aufstieg). Konkret ging es darum, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf Willi Kraus aufgrund der Einbrüche die Spiellizenz entzogen hatte. Trotz dieser eindrucksvollen Personalie verschwand der Name der Eintracht nach 1978 in der Versenkung – bis 1997. Da wollte sich Fortuna Gelsenkirchen mit drei weiteren Vereinen zusammenschließen und dafür den alten Namen Eintracht Gelsenkirchen wieder aus der Versenkung holen. Die Großfusion scheiterte im letzten Moment, doch Fortuna nannte sich trotzdem einfach in Eintracht um – obwohl man in keinerlei Verbindung zur eigentlichen Eintracht steht. Ein Diebstahl, ganz im Stile von Willi Kraus. So läuft das bis heute weiter, und mit dem Südstadion hat man sogar die alte Spielstätte der Eintracht übernommen. Von Stadion kann man fast nicht mehr sprechen, die Transformation zum botanischen Garten ist voll im Gange. Zugänglich ist nur noch die überdachte Haupttribüne, während die zugewucherten Stehtraversen gesperrt sind. Die werden als solche wohl nicht mehr lange zu erkennen sein. Man bräuchte ohnehin Kompass und Machete, um sich den Weg durch sie hindurch zu bahnen. Keine Frage: Das ist ganz nach unserem Geschmack. Trotz Testspiel und sehr überschaubarer Zuschauerkulisse wird am Verpflegungsstand volles Programm gefahren, es gibt sogar Mantaplatte. Respekt, aber das ist halt Ruhrpott. Flotte Sprüche gehören genauso dazu, so quatscht ein einheimischer Opa eine Gruppe von holländischen Hoppern mit den Worten an: „Na, habt Ihr den Ground noch nicht, oder was?“


























Nebenplatz: