1.FC Bocholt - Wuppertaler SV 2:2

Deutschland, Regionalliga West (4.Liga)
Samstag, 13. August 2022, 14 Uhr
Bocholt, Stadion am Hünting

Und weiter geht der Bahn-Ärger. Geplante Ankunft in Bocholt: 12.42 Uhr. Tatsächliche Ankunft: 14.15 Uhr. Das kann doch einfach nicht mehr wahr sein! Zunächst heißt es, aufgrund einer Streckensperrung fährt der Zug die Alternativ-Route durch den Ruhrpott über Herne, Altenessen und Oberhausen, was auch im DB-Navigator und auf den Monitoren im Zug so dargestellt wird. Kurz vor der eigentlichen Ankunft in Herne kommt ne Durchsage vom Lokführer: "Vergessen Sie, was auf den Bildschirmen steht, wir fahren die reguläre Strecke." Und das war's dann auch schon mit Informationen. Wo genau jetzt gehalten wird - keiner weiß es. Jedenfalls nicht in Oberhausen, wo wir in den Zug nach Bocholt steigen sollen. Kommunikativ mal wieder ein völliges Desaster bei der Bahn! Immerhin hält der Zug in Duisburg, wo der Zug nach Bocholt ebenfalls hält, aber dort kommen wir mit einer derartigen Verspätung an, dass wir den Anschluss um satte 20 Minuten verpassen. Gut, dann nehmen wir halt den Zug eine Stunde später nach Bocholt und fahren dort vom Bahnhof zum Stadion mit dem Taxi, was ganz knapp immer noch hinhauen würde. Doch dieser Zug bleibt in Wesel stehen, ehe die Durchsage ertönt: "Wir warten hier auf den neuen Lokführer, der mit einem verspäteten Zug ankommt. Dies kann bis zu 20 Minuten dauern." Ey, soll ich fahren? Am Ende dauert es 30 Minuten. Und natürlich schlappt der Lokführer in aller Seelenruhe über den Bahnsteig zur Lok. In Bocholt gehen die Sorgen weiter, denn es stehen zwar einige Polizisten am Bahnhof, da auch ein paar Wuppertaler mit im Zug sind, aber keine Taxis. Also Handy raus und alle Taxiunternehmen der Stadt anrufen. Ergebnis: Frühestens in 30 Minuten könnte ein Wagen da sein. Zwei Unternehmen winken sogar komplett ab. Ja, wenn man halt nichts verdienen will... Ein Glück kommt in ein paar Minuten ein Linienbus, der auch zum Stadion fährt. Unterwegs kommen wir am Busbahnhof vorbei, an dem zwei Taxis herumstehen und gelangweilt auf Fahrgäste warten. Ist n Scherz, oder? Immerhin ist die Busfahrerin auf Zack (die Linie führt rüber in die Niederlande; Bocholt liegt ja gleich an der Grenze), so dass wir etwa zur 35. Minute vor den schon unbesetzten Kassenhäuschen stehen. Immerhin den Eintritt gespart. In dem Moment kommt uns Peter Neururer entgegen, der ja im Vorstand des WSV aktiv ist und jetzt – wie wir später erfahren – auf dem Weg nach Darmstadt ist, um dort in fünf Stunden TV-Experte zu sein. Tja, Peter, Bocholt kannste so aber nicht zählen! Wir natürlich schon, denn das hier ist ganz klar höhere Gewalt und da greift die 45-Minuten-Regel. In dem Fall ist es nicht sonderlich bedauerlich, dass wir so spät angekommen sind, denn der Gästeblock ist nahezu leer. Wir haben in den 35 Minuten also rein gar nichts verpasst, denn die Wuppertaler Szene streikt heute. Und wie wir ebenfalls erst später erfahren: aus sehr nachvollziehbaren Gründen. Da sind zum einen Verbote und Schikanen beim Material, vor allem aber das Ticketing. Anders als im Heimbereich öffnet keine Gästekasse, sondern Karten für den Gästeblock können nur online gekauft werden – also eine Personalisierung durch die Hintertür. Dabei sieht man ja an unserem Beispiel, dass man hier auch völlig ohne Ticket noch in der ersten Halbzeit reinspazieren kann. Die Ultras Wuppertal antworten auf den Firlefanz mit einer völlig übertriebenen Ankündigung, laut der man Bocholt mehr oder weniger in Schutt und Asche legen wolle, und rufen als Treffpunkt vor dem Spiel einen zentralen Platz in der Bocholter Innenstadt aus, der natürlich nicht ernsthaft in Erwägung gezogen wird. Ohne aktive Gästefans ist der Spaßfaktor hier natürlich deutlich geringer. Immerhin ist das Stadion ganz nett. 18.000 Zuschauer passten eins rein, heute sind es noch 5.000. Die Form der inzwischen begrünten Stehränge kann man noch gut erkennen. Leider kann man sich hier nicht allzu gelassen umsehen, denn die Bocholter Szene ist heute wohl richtig heiß, supportet nicht, sondern sucht die Zuschauerreihen ab. So beobachten wir in der Halbzeitpause, wie Leute aus dem Stadion geworfen werden. Als der Aufsteiger aus Bocholt kurz Schluss aus heiterem Himmel den Anschlusstreffer zum 1:2 schießt, wird die Bocholter Szene plötzlich doch aktiv, schnappt sich eilig ihre Fahnen und fängt an, für die letzten zehn Minuten zu supporten. Und sie können noch einmal jubeln, denn es gelingt in der Nachspielzeit tatsächlich das 2:2. Derweil geht zwischen Bocholter Normalos, die neben dem Gästeblock stehen, und den wenigen mitgereisten Wuppertalern, die sich auf der Suche nach Schatten in genau diese Ecke des Gästeblocks verzogen haben, ein ziemlich peinliches Gepose los, das sich dann noch bis raus vors Stadion zieht. Meine Güte, wie in den schlimmsten 90ern. Etwa 15 Wuppertaler sind mit dem Zug da und stehen – eingekreist von der Polizei – an der Bushaltestelle vorm Stadion, während von der anderen Straßenseite her die Bocholter pöbeln, worauf die Wuppertaler auch nicht gerade geistreich reagieren ("Beim Rückspiel sind unsere Ultras wieder da, dann traut ihr euch nicht!"). Und wir natürlich mittendrin. Ich weiß nicht, wer hier bescheuerter ist. Wahrscheinlich die Polizei, die nach Rücksprache mit ihrer Einsatzleitung behauptet, samstags würde hier keine Busse fahren, und die Wuppertaler zu Fuß zum Bahnhof treiben will. Da hilft es auch nicht, den DB-Navigator mit den Abfahrtszeiten zu zeigen – die Polizei hat ja immer Recht. Dass fünf Minuten später tatsächlich wie angezeigt ein Bus um die Ecke biegt, natürlich wieder mit der coolen Fahrerin aus den Niederlanden, kann man sich bei der Polizei nicht erklären. Ein Problem gibt's dann aber noch: der Bahnhofskiosk. Schon vor dem Spiel haben die Wuppertaler Zugfahrer dort das letzte Bier gekauft und da in dieser Stadt ja niemand Interesse am Geld verdienen hat, wurden die vergangenen zwei Stunden nicht genutzt, um Nachschub zu organisieren. Unfassbar. Bitte nie wieder Bocholt!