Harreslev-Kobbermølle UF - TSV Böklund 3:0

Deutschland, Kreispokal Schleswig-Flensburg (1.Runde)
Freitag, 22. Juli 2022, 19.30 Uhr
Harrislee, Sportzentrum Holmberg – B-Platz

Tagsüber Homeoffice mit Blick aufs Meer, dann zum Fußball – das gefällt mir! Dazu jede Menge maritimes Feeling hier in Langballigau, dem einzigen Fischereihafen des Landkreises Schleswig-Flensburg, an dem meine Schwiegereltern Dauercamper sind. An den Wochenenden wird morgens sogar noch stilecht fangfrischer Fisch verkauft. Der Hafen ist wirklich sehr übersichtlich und schnuckelig. Zwei Restaurants, eine Kneipe, eine Eisdiele, ein Waffelladen  das war es eigentlich schon. Und mittendrin ein Zollamt, weil es eine Fährverbindung hinüber nach Dänemark gibt. Da das zollfreie Einkaufen auf dem Wasser aber keine Rolle mehr spielt, ist es schon lange unbesetzt. Und auch der Spielplan meint es sehr gut mit mir, denn während unter der Woche Kreispokal in Kiel geboten wurde, geht es jetzt am Wochenende mit dem Kreispokal Schleswig-Flensburg weiter. Mein nun erstes Spiel im Landesteil Schleswig (besser gesagt: Südschleswig) in diesem Sommer bringt mich zum ersten Mal in meinem Leben so richtig in Kontakt mit der regionalen Besonderheit des nördlichsten Zipfel Deutschlands, nämlich der dänischen Minderheit. Kurzer Ausflug in die Geschichte: Schleswig gehörte immer zu Dänemark (wenn auch mit Sonderstatus) und war auch kulturell eigentlich immer dänisch geprägt. Noch im Mittelalter war ganz Schleswig durchweg dänischsprachig (etwa bis zur Höhe Eckernförde), ehe sich das Deutsche von Süden kommend immer mehr breitmachte. Als im 19. Jahrhundert überall in Europa der Nationalismus aufkam und sich die heutigen Nationalstaaten bildeten, kam es auch in Schleswig zu Konflikten unter den zuvor friedlich Tür an Tür lebenden Dänen und Deutschen. Reichskanzler Bismarck machte sich das zunutze und zettelte 1864 den Deutsch-Dänischen Krieg an – der erste der drei deutschen Einigungskriege, die 1871 in die Gründung des Deutschen Reichs in Versailles mündeten. Die Bezeichnung Deutsch-Dänischer Krieg ist aber eigentlich falsch, denn diesen Krieg führten nur Preußen und Österreich, während der Deutsche Bund und insbesondere die süddeutschen Staaten gegen den Krieg waren. So untersagten Bayern und Sachsen den österreichischen Truppen die Durchreise. Dennoch gewannen Preußen und Österreich den Krieg, wodurch ganz Schleswig an Preußen fiel. Zuvor war noch eine Teilung Schleswigs diskutiert worden. Die kam dann nach dem Ersten Weltkrieg: 1920 fand in Schleswig eine Volksabstimmung statt, bei der die Bürger entscheiden durften, ob sie zu Dänemark oder Deutschland gehören wollen. Dafür wurde Schleswig in zwei Abstimmungszonen unterteilt. Der Norden, der mehrheitlich dänisch bewohnt war, stimmte in Summe für Dänemark, wobei einzelne Städte nahe der heutigen Grenze wie Tønder und Sønderburg für Deutschland votierten. In dieser Nord-Zone wurde aber en bloc abgestimmt – also entweder alle zu Deutschland oder keiner. Das Ergebnis in den wenigen pro-deutschen Städten hatte damit keine Auswirkung. Anders sah es in der mehrheitlich deutschen Südzone aus, wo die Alliierten hofften, dass einzelne Orte für Dänemark stimmten, die man dann Dänemark zuschlagen konnte. Vor allem im sehr dänisch geprägten Flensburg wurde mobilisiert. Einige Straßemzüge in der Altstadt am Hafen sollen vor der Abstimmung von den Bewohnern durchweg mit dem Dänenkreuz beflaggt worden sein, um ihre dänische Identität zu demonstrieren. Abgesehen von einem Teil der Insel Föhr stimmte Südschleswig aber geschlossen für Deutschland, dessen Teil es blieb. Die sogenannten Süddschleswiger Dänen blieben aber in ihrer Heimat und machen heute einen nicht unbedeutenden Teil in Südschleswig aus – vor allem in Flensburg. 20 Prozent seiner Einwohner sind Dänen, wobei das nicht nur Südschleswiger, sondern auch sogenannte Reichsdänen (aus Dänemark) sind, für die das Leben in Flensburg billiger ist. Insgesamt leben heute 50.000 Südschleswiger Dänen im gesamten Südschleswig. Die sind gut organisiert, haben auf politischer Ebene mit dem SSW eine eigene Partei (die nicht der Fünf-Prozent-Hürde unterliegt), eigene Schulen, Kirchen – und auch Sportvereine. Vier gibt es in der Stadt Flensburg und dem Landkreis Schleswig-Flensburg, die zusammen den Fußballkreis Schleswig-Flensburg bilden. In Flensburg sind das der Stjernen IF und der DGF, in Schleswig (Stadt) der Slesvig IF und im Flensburger Vorort Harrislee der Harreslev-Kobbermølle UF. Harreslev ist die dänische Bezeichnung für Harrislee, Kobbermølle (dt.: Kupfermühle) heißt der Grenzübergang zu Dänemark. Und genau dorthin geht es heute. Die große Besonderheit vom ansonsten völlig unspektakulären Harrislee sind die sogenannten skandinavischen Märkte. Unweit der Grenze haben mehrere dänische Supermarktketten große Märkte errichtet, die eine Welt für sich sind. Sie befinden sich zwar auf deutschem Boden, die Preise sind aber in Dänischen Kronen ausgezeichnet, alles ist ausschließlich auf Dänisch angeschrieben, es gibt auch nur dänische Produkte und niemand redet auf Deutsch miteinander. Aufgrund einer Sonderregelung unterliegen die Läden nicht dem deutschen Ladenöffnungszeitengesetz und haben rund um die Uhr geöffnet. Auch deutscher Pfand muss nicht bezahlt werden. Eine sonderbare Welt, die ich mir vor dem Spiel gerne noch anschaue. Ich bin tatsächlich das einzige Auto mit deutschem Kennzeichen auf dem Parkplatz. Nur Dänen, sogar einer von den Färöer. Unfassbare Mengen an Alkohol werden rausgetragen, alles nur palettenweise. Drinnen dann beste Wühltisch-Atmosphäre. Gänge voller Schnaps, meterhohe Türme voller Dosenbier-Paletten, völlig absurd. Und lohnt es sich? Für den Deutschen nicht unbedingt. Wer auf ausländische Biermarken wie Tuborg, Budweiser (USA) oder Moretti steht und die in rauen Mengen kaufen will (teilweise müssen drei Paletten gekauft werden, um einen Rabatt zu bekommen), der kann ein Schnäppchen machen. Wer aber keinen Alkohol in rauen Mengen kaufen will, ist bei Edeka und Rewe besser aufgehoben. Nach diesem dänischen Wahnsinn bin ich also gut gerüstet für das Pokalspiel des HKUF. Der spielt auf dem Nebenplatz des Stadion am Holmberg (was hier so alles als Berg durchgeht...), das der deutsche Lokalrivale TSV Nord Harrislee nutzt. Der Nebenplatz ist ein Kunstrasenplatz ohne Ausbau, völlig unspektakulär. Hier ist der Verein das Interessante. Allerdings: Dänisch höre ich kein einziges Mal. Es wird auf und neben dem Platz durchweg Deutsch gesprochen. Auch die Facebookseite des HKUF wird seit geraumer Zeit nicht mehr zweisprachig, sondern nur noch auf Deutsch geführt. Irgendwie schade. Aufschlussreich wäre sicherlich ein Besuch des Vereinsheims gewesen, das aber leider nicht geöffnet hat. So richtig dänisch ist somit nur das Wetter. Während der Süden bei über 35 Grad schwitzt, ist hier oben Winterjacke und Mütze angesagt. Auch die Heizung im Auto muss nach Abpfiff voll aufgedreht werden. Wann wird's hier eigentlich mal Sommer, wenn nicht im Juli?