UEFA Champions League (1.Qualifikationsrunde)
Dienstag, 19. Juli 2022, 19.45 Uhr
Herning, „MCH Arena“
Am dritten Tag am Wohnwagen der Schwiegereltern an der Flensburger Förde mache ich mir mal die Nähe zu Dänemark zunutze und fahre in Richtung Norden. Im etwa zwei Autostunden entfernten Herning in Mitteljütland (Midtylland) wartet die Champions League. Jütland ist der Festland-Teil von Dänemark. Tatsächlich ist das meine allererste Autofahrt in Dänemark. Völlig anderes Fahren als in Deutschland: Tempolimit 130, die meisten Dänen fahren noch weniger, kaum jemand mehr und wenn dann nur 140 km/h. Man kommt also gut voran, auch weil das Rechtsfahrgebot vorbildlich eingehalten wird. Gefällt mir. Nur an der deutschen Grenze findet eine ausgiebige Kontrolle statt, weil die Dänen leider auch ein bisschen auf Populismus stehen. Bringt überhaupt nichts, verursacht nur sinnlosen Stau. Das blonde dänische Bullen-Mäusken hebt dann auch wie erwartet den Daumen lächelnd nach oben und lässt mich anstandslos passieren. Schwarzwälder Autokennzeichen regelt. Zum Fußball: Den FC Midtylland gibt es seit 1999. Ein typisches Dänemark-Konstrukt: Zwei oder mehrere ambitionierte Vereine schließen sich auf Profiebene zusammen, bleiben ansonsten aber eigene Vereine. Bekanntestes Beispiel dieses Prinzips ist der FC Kopenhagen. Auch beim FC Midtylland ist dieser Zusammenschluss von Erfolg gekrönt, er wurde in den vergangenen Jahren mehrfach Meister und Pokalsieger. Klarer Underdog ist heute der AEK Larnaka (Wettquote: 1:12), der übrigens auch ein Zusammenschluss ist, für den es heute aber das erste Champions-League-Spiel in der Vereinsgeschichte ist. 150 Leute im Gästeblock, die Mehrheit davon zypriotische Griechen aus Dänemark, aber auch zwei Zaunfahnen direkt aus Zypern hängen. Schon eine Stunde vor Anpfiff wird gut Alarm gemacht, dann aber das typisch griechische Phänomen: Mit Anpfiff wird‘s leise. Auch die Heim-Ultras singen sich schon weit vor Anpfiff ein, sind auch gar nicht mal so leise, ich hatte aber mehr erwartet. „Oh, die haben was“, hatte ich im Vorfeld von mehreren Leuten über den FC Midtylland gehört. Letztendlich füllen die Ultras aber nur einen Mittelblock hinterm Tor und schaffen es maximal, ein Drittel des Hintertorblocks mitzunehmen. Lautstärke und Optik in Ordnung, aber ich hatte mir echt mehr versprochen. Nicht zum Einsatz kommt heute Ex-Kickers-Spieler Luca Pfeiffer, der sich direkt vor mir warm macht. Wäre aber auch eine Überraschung gewesen, ihn hier in Aktion zu sehen. Für die sportliche Überraschung sorgen dafür die Gäste, die in der 80. Minute völlig überraschend in Führung gehen. Endlich Ekstase im Gästeblock – und bei den griechischen Kommentatoren auf der Pressetribüne. Kurz darauf macht der FC Midtylland aber das 1:1. Verdient hätten die Dänen den Sieg auf jeden Fall gehabt. Auch deshalb, weil die Leute hier auffallend gastfreundlich sein. Ein Ordner schenkt mir sogar Essensgutscheine, so dass ich in den Genuss der furchteinflößend großen „Frankfurter“ Würste mitsamt krasser Saucenwahl komme. Top auch der TV-Experte des dänischen Fernsehens: Stig Tøfting, den ich furchtbar gerne beobachte. Ein Mann mit Charisma. Eine ganz andere Hausnummer als zum Beispiel Loddar Matthäus im deutschen Fernsehen. Der Ex-Duisburger ist dagegen richtig sympathisch, schreibt nebenbei Autogramme, macht Selfies mit Kindern, flachst mit Zuschauern. Toller Typ! Kurios nach Abpfiff: Keine Blocksperre im Gästeblock, sondern die Gäste werden direkt nach Abpfiff begleitet von nur zwei (!) Polizisten quer durch den Heimanhang zum Parkplatz geleitet. Man muss aber dazu sagen: AEK Larnaka ist auf Zypern nun wirklich nicht der heißeste Scheiß.