TV Unterboihingen – TSV Köngen II 5:1

Deutschland, Kreisliga A Neckar/Fils – Staffel 1 (9. Liga)
Donnerstag, 1. Oktober 2020, 19.30 Uhr
Wendlingen am Neckar, Sportplatz Unterboihingen 

Eigentlich sollte es heute wieder in den Norden des Stuttgarter Ballungsraums gehen, doch ein spektakulärer Lkw-Unfall nahe Ludwigsburg legt die A81 samt Ausweichrouten über Stunden hinweg völlig lahm. 70 Minuten würde man laut Google Maps im Stau stehen – länger als die gesamte Anreise ohne Stau eigentlich dauern würde. Da muss ein Plan B her, der erst während der Fahrt ausgearbeitet wird. Beim erstbesten Spiel, das über den Smartphone-Bildschirm flimmert, wird zugegriffen. Es geht also völlig unvorbereitet und ohne irgendein Vorwissen nach Unterboihingen, was in diesem Fall richtig fatal ist, denn der Verein hat eine interessante Geschichte zu bieten. Doch zum Glück läuft die Crew vor Ort gleich in die Arme des Groundhoppers Soke (Betreiber des Foto-Blogs www.soke2.de), der aus Unterboihingen stammt. Ein bisschen wie beim Großvater und seinen Enkeln vor dem Kamin lauschen wir das ganze Spiel über den Geschichten, die uns Soke vom TV Unterboihingen erzählt. Die mit Abstand interessanteste ereignete sich 1976. Der TVU hatte sich in den 70ern einen Ruf als Pokalschreck gemacht und ein Jahr zuvor bereits den damals zweitklassigen SSV Reutlingen aus dem Württembergpokal geworfen. Selbigen gewannen die Unterboihinger im Jahr 1976 und qualifizierten sich damit als klassischer Dorfverein erstmals für den DFB-Pokal. Damals wurde noch frei ausgelost, Amateure konnten auf Amateure treffen und das unterklassige Team hatte nicht automatisch Heimrecht. In der ersten DFB-Pokal-Runde traf der TVU auf die SG Dielheim, die klar mit 8:2 besiegt wurde. Auch die zweite Runde wurde überstanden, in der der VfR Achern auswärts mit 2:1 geschlagen wurde. In der dritten Rune dann der Hammer, denn das Los lautete: FC Bayern München, der gerade zum dritten Mal in Folge Europapokalsieger geworden war. Da die unterklassige Mannschaft wie gesagt nicht automatisch Heimrecht hatte, fand das Spiel im Münchner Olympiastadion statt. Nur 8.500 Zuschauer kamen zu dem aus Münchner Sicht uninteressanten Spiel, darunter jedoch 4.000 Gästefans, die unter anderem mit zwei Sonderzügen vom kleinen Bahnhof Unterboihingen aus angereist waren. Da waren also mehr Gästefans im Olympiastadion als Unterboihingen Einwohner hatte. Laut Soke muss es eine riesige Party in München gewesen sein, die ihren Höhepunkt erreichte, als der TVU in der 5. Spielminute einen Elfmeter zugesprochen bekam und damit die Möglichkeit hatte, in Führung zu gehen. Sepp Maier hielt jedoch, die Überraschung blieb aus und der FC Bayern gewann standesgemäß mit 10:1. Auch im darauffolgenden Jahr qualifizierte sich der TVU für den DFB-Pokal, schied jedoch in der ersten Runde beim VfV Hildesheim nach Verlängerung aus. Für Furore konnten die Unterboihinger seitdem jedoch nicht mehr sorgen und spielen nur noch in der Kreisliga A. Dennoch ist der TVU nicht so der ganz typische Dorfverein, wie wir heute schon allein anhand der relativ hohen Zuschauerzahl feststellen müssen: Knapp 200 sind es, was in der Kreisliga A gegen eine zweite Mannschaft ein Brett ist. Dass im Bierstand ein kleiner Fanshop integriert ist, passt da nur zu gut ins Bild. Leider sind die Tage des Sportplatzes gezählt, er muss der Erweiterung des angrenzenden Industriegebiets weichen. Dem TVU wird zum Ersatz von der Stadt Wendlingen ein neuer Sportplatz gebaut, der jedoch gar nicht in Unterboihingen liegen wird. Es ist zu befürchten, dass dieser besondere Verein dadurch seinen Charme verlieren wird. Uns bleiben dafür an diesem Abend die Geschichten von Soke, mit dem wir nach Abpfiff noch eine halbe Stunde zusammenstehen und gespannt zuhören. Schade, dass es solche Momente nicht häufiger gibt.