Deutschland, Landesliga Südbaden – Staffel 1 (7. Liga)
Sonntag, 11. Oktober 2020, 16 Uhr
Ottersweier, Lindenstadion
Publikumswirksam hat man das Derby in Ottersweier auf 16 Uhr gelegt, um noch den ein oder anderen Zuschauer aus dem Umland anzulocken. Auch wir sind von der Anstoßzeit schwer begeistert, geraten wir dadurch doch alles andere als in Zeitnot. Da die Fahrt von Gamshurst nach Ottersweier nur eine Viertelstunde dauert, haben wir sogar Zeit, uns noch ein bisschen in dem 6.000-Einwohner-Ort umzuschauen. Zu sehen bekommen wir ein paar alte Fachwerkhäuser, eine auffallend große Kirche mit zwei Türmen und den Nachbau eines alten Schlagbaums, der die frühere Grenze zwischen Baden und (Vorder-) Österreich markiert, die bis 1805 durch Ottersweier verlief. Ja, das Reich der Habsburger reichte einst bis zum Schwarzwald und umfasste den Süden des heutigen Baden-Württembergs, weshalb die österreichische Flagge auch Teil des Landeswappens von Baden-Württemberg ist. In Württemberg ist die ehemalige Grenze kulturell heute noch sichtbar, denn grob gesagt ist alles nördlich von ihr protestantisch, während die südlich von ihr gelegenen früheren österreichischen Gebiete weiter katholisch sind. In Baden dagegen ist sowohl das nördliche Kernland als auch das frühere Vorderösterreich mit seiner Hauptstadt Freiburg schon immer katholisch gewesen. Nördlichster Punkt Vorderösterreichs war Ottersweier, während die Nachbarstadt Bühl zu Baden gehört hat. Bühl bildete bis 1973 einen eigenen Landkreis, zu dem wiederum auch Ottersweier gehört hat, der dann aber im Landkreis Rastatt aufging. Das ehemalige Autokennzeichen BH ist inzwischen aber reaktiviert worden und erfreut sich großer Beliebtheit. Etwas Nostalgie kommt auch heute im ausbaulosen, aber wunderschön in die Weinberg-Gegend eingebetteten Lindenstadion auf, denn das Derby zwischen den beiden Nachbarorten gab es lange nicht. Der FV Ottersweier startete in den vergangenen Jahren fulminant durch, spielte 2016 noch in der Kreisliga B, stieg dann 3x auf und ist sportlich nun auf Augenhöhe mit dem VfB Bühl aus der ehemaligen Kreisstadt, der wiederum 2016 noch in der Verbandsliga gespielt hat. Da ist wenig überraschend etwas los aufm Sportplatz, über 200 Zuschauer sind dabei. Kein Problem, da in Baden-Württemberg weiterhin 500 Zuschauer bei Sportveranstaltungen erlaubt sind. Dennoch dürfte das Ordnungsamt hier nicht vorbeischauen. Die Kontaktdaten werden zwar am Eingang erfasst, die Abstände am Spielfeldrand jedoch in keinster Weise eingehalten. Maske trägt natürlich auch niemand. Nicht einmal die Ordner, die während dem Spiel eine Runde machen und sich von jedem einzelnen Zuschauer noch einmal die Eintrittskarte zeigen lassen, um sicherzustellen, dass auch jeder am Eingang gezahlt hat. Zumindest in Corona-Zeiten sollte man sich mal Gedanken machen, ob dieser Kontrollgang ohne Maske und Abstand wirklich notwendig ist. Auch hätte man bei dieser Gelegenheit die geballt auf der Gerade stehenden Zuschauer mal daran erinnern können, sich etwas besser zu verteilen, sonst kann man sich dieses ganze Drama mit Absperrungen und Hygienekonzept auch sparen. Stattdessen wird sogar der Service angeboten, den Zuschauern die Getränke per Bollerwagen direkt an den Platz zu bringen – natürlich auch das ohne Maske und Abstand. Ich will da jetzt gar nicht der Spielverderber sein und habe eigentlich eine ganz andere, unaufgeregte Meinung zu dem Thema, aber nach nunmehr rund 150 Spielen, die ich seit dem Lockdown gesehen habe, komme ich mir beim Fußball vor wie in einer Parallelwelt. Während anderswo Leute abkassiert werden, weil sie die Maske unter der Nase tragen, und die CDU in Baden-Württemberg nun eine abgelegene Klinik im Schwarzwald zur Haftanstalt für Corona-Infizierte umfunktionieren möchte, die gegen Quarantäneregeln verstoßen, kann man auf den Sportplätzen machen, was man will. Selbst anwesende Dorfpolizisten kümmern sich nicht darum und stellen sich ohne Abstand mitten in den Pulk. Auch die Kontaktrückverfolgung ist eine völlige Farce. Ich kenne keinen einzigen Hopper, der in diesem Jahr auch nur einen Anruf vom Gesundheitsamt erhalten hat, weil ein Corona-Infizierter beim gleichen Spiel war. Dann kann man sich dieses ganze Drama wie gesagt sparen – was mir am liebsten wäre. So, genug abgehasst, denn der FV Ottersweier ist da ja kein Einzel-, sondern der Normalfall. Ansonsten trotz fehlendem Ausbau (wenn man den großen Grashügel nicht dazu zählt) alles auffallend gut in Schuss hier. Man merkt der Anlage an, dass der Verein mit Hochgeschwindigkeit aus der Kreisliga B katapultiert wurde. Das geht logischerweise nicht ohne das nötige Kleingeld, das aber ganz offensichtlich nicht nur in den Kader, sondern auch in die Infrastruktur gesteckt wurde. Nach dem Spiel nehmen wir nicht den direkten Nachhauseweg über die Autobahn, sondern fahren quer durch den Schwarzwald, der kurz hinter Ottersweier beginnt. Immer wieder herrlich, auch wenn beim Zwischenstopp an der Schwarzenbach-Talsperre auf knapp 700 Meter Höhe schon die Winterjacke ausgepackt werden muss. Passt immerhin gut zur Optik, die einen in Skandinavien wähnen lässt.