SV Rot-Weiß Buttlar U19 – ESV Lok Gotha U19 3:1

Deutschland, A-Junioren-Kreispokal Westthüringen (Viertelfinale)
Samstag, 24. Oktober 2020, 11 Uhr
Buttlar, Sportplatz Buttlar 

Es geht wieder zurück nach Ostwestfalen. Sonst ein Tag, auf den ich mich freue, weil man auf dem Weg dorthin viele Möglichkeiten hat, um Fußball zu schauen. Jetzt, wo wir offenbar unmittelbar vor einem zweiten Lockdown stehen, sind diese Möglichkeiten jedoch stark limitiert. Absage folgt auf Absage, und wenn doch gespielt wird, dann kann es sein, dass keine Zuschauer zugelassen sind oder nur so wenige, dass man als Auswärtiger zumindest spontan keine Chance auf ein Ticket hat. Erfrischend unbekümmert geht es dagegen in Ostdeutschland zu, was auch damit zu tun hat, dass die Inzidenzwerte dort vielerorts niedriger sind. In Thüringen stehen an diesem Wochenende reihenweise Pokalspiele im Herren- und Jugendbereich an, und wenn man bei den Vereinen anfragt, ob denn die Spiele auch tatsächlich stattfinden und ob Zuschauer zugelassen sind, dann bekommt man Antworten mit dem Tenor: Ja, warum denn nicht? Problemlos lässt sich im Westen Thüringens ein Doppler finden, der verkehrsgünstig liegt und der obendrauf kulturell einiges zu bieten hat. Das gilt auch für Buttlar. Das Dorf liegt nahe der ehemaligen innerdeutschen Grenze – und zwar an genau dem Punkt, an dem die NATO den Erstschlag des Warschauer Paktes erwartet hatte. Dass der an der deutsch-deutschen Grenze erfolgen wird, galt im Westen als sicher, aber warum ausgerechnet bei Buttlar? Das hat mit der Topografie zu tun, denn die Hügellandschaft der Rhön ist in diesem Bereich so geformt, dass sich die Truppen des Warschauer Paktes im Hinterland schwer einsehbar hätten sammeln können. Auf der einer Anhöhe unmittelbar an der Grenze hat die US-Armee daher einen Stützpunkt mit Beobachtungsturm errichtet, den sogenannten Point Alpha (nicht zu verwechseln mit dem Checkpoint Alpha, also den Grenzübergang Helmstedt/Marienborn), von dem aus man zumindest einen kleinen Teil des Hinterlandes beobachten konnten. US-Armee und Bundesgrenzschutz behielten hier im Schatten der Mauer Tag und Nacht im Blick, was sich auf DDR-Seite tut. Zu Gefechten wäre es hier im Fall der Fälle aber nicht gekommen, denn die US-Truppen hatten Anweisung, sofort die Flucht zu ergreifen, sobald sich auf ostdeutscher Seite der Erstschlag andeutet. Plan war, dem Warschauer Pakt den Point Alpha und die gesamte Umgebung kampflos zu überlassen und den Gegner erst viel weiter hinten zu stellen. Heute ist der Point Alpha eine Gedenkstätte, zu dem auch ein stehengebliebener Teil der Mauer und des Todesstreifens gehört. Eintritt muss man nicht bezahlen, lediglich der Zugang zum früheren US-Stützpunkt kostet etwas. In ihm sind auch alte Militärfahrzeuge ausgestellt. Sehr eindrucksvoll ist der Blick hinein nach Thüringen (auch wenn der heute etwas neblig ist), der einem gut veranschaulicht, warum man hier den Erstschlag erwartet hat. Es stimmt, strategisch machte das schon Sinn. Wir – meine Freundin und ich – machen anschließend etwas, was bis 1989 nicht möglich war, denn wir fahren ganz entspannt weiter nach Buttlar. Aufgrund der Grenznähe hat sich das Dorf mit seinen rund 1.000 Einwohnern zu DDR-Zeiten nicht groß entwickelt. Bauernhöfe prägen das Ortsbild, die Zeit scheint schon lange stehengeblieben zu sein, selten so ein verträumtes Nest in Deutschland gesehen. Dazu passt gut, dass der örtliche Fußballverein seit 2016 keine Herrenmannschaft mehr stellt. Im Jugendbereich und bei den Alten Herren ist der SV Rot-Weiß Buttlar dafür noch im regulären Spielbetrieb vertreten. Das erklärt auch die vergleichsweise hohe Zuschauerzahl beim heutigen Pokalspiel der A-Jugend gegen den Eisenbahnerverein aus Gotha, denn sie ist durch den Wegfall der Herrenmannschaft das Beste, was der Verein zu bieten hat. Man ist ganz offensichtlich froh, dass auf dem Sportplatz überhaupt noch etwas los ist. Nichts mehr los ist dagegen in der Apfelbaumkurve Buttlar, die sich nach dem hinter dem Tor stehenden Apfelbaum benannt hat. Glaubt man den Schildern, die am Spielfeldrand hängen, gab es hier früher sogar zwei Fanblöcke: Die Apfelbaumkurve hinter dem Tor und der Block C auf der Geraden. Einen guten Humor haben sie hier und eine große Verbundenheit mit ihrem Verein. Die Lacher auf sich zieht eine Katze, die während dem Spiel in aller Seelenruhe über das Spielfeld schleicht. Der Schiedsrichter unterbricht sogar kurz die Partie, um sie von den Spielern einfangen zu lassen, was nur mit größter Mühe gelingt. Es kommt aber noch besser: Auch einige Rentner sind mit dem Fahrrad zu dem Spiel gekommen, von denen einer kurz zuvor Fleisch und Wurst eingekauft hat. Die Einkäufe lässt er während des Spiels unbekümmert in einer Plastiktüte am Lenker hängen. Die Katze riecht das Fleisch natürlich, reißt die Plastiktüte mit ein paar gekonnten Sprüngen vom Lenker herunter und macht sich über das Fleisch her. Die warnenden Rufe anderer Zuschauer nimmt der Rentner viel zu spät ernst und eilt er erst dann zu seinem Fahrrad, als ein Teil der nun quer über den gesamten Boden verteilten Wurstwaren schon weggefressen ist. Und was macht der Rentner? Verscheucht die Katze, räumt das ganze am Boden liegende Fleisch zusammen und legt es wieder ganz normal in die Tüte zurück. Mahlzeit, die Ehefrau wird sich freuen. Sehr spannend wiederum für uns ist aufgrund des vorherigen Besuchs am Point Alpha natürlich der Blick auf den Hügel hinter dem Sportplatz. Was sich dahinter zu Zeiten des Kalten Krieges abgespielt hat, kann man von hier aus gar nicht begreifen.