Frankreich, District 8 Alsace – Groupe D (16. Liga)
Sonntag, 11. Oktober 2020, 10 Uhr
Gries, Stade Municipal
Es gibt ein Land, in dem ich sonst immer sehr regelmäßig und vor allem sehr gerne bin, in dem ich in diesem Jahr aber bislang noch kein einziges Spiel gesehen habe: Frankreich. Ehrlich gesagt hatte ich mich bis zuletzt gar nicht genau mit der Situation im elsässischen Amateurfußball beschäftigt und war ganz oberflächlich davon ausgegangen, dass da gerade eh nicht viel los ist. In Frankreich wurden deutlich härtere Anti-Corona-Maßnahmen ergriffen als in Deutschland, wozu insbesondere eine strikte Ausgangssperre gehörte. Teilweise war es nur erlaubt, sich maximal eine Stunde lang außerhalb der eigenen vier Wände aufzuhalten. Mir erschloss es sich einfach nicht, wie da ein 90-minütiges Amateurfußballspiel bestritten werden soll. Hinzu kommt, dass die französische Ligue 1 die einzige Top-Liga in Europa war, die im April 2020 vorzeitig abgebrochen wurde. Heißt also: Man denkt nicht unbedingt zuerst an Frankreich, wenn man sich so überlegt, wo man denn am nächsten Wochenende Fußball schauen könnte. Man muss aber dazu sagen, dass die Corona-Lage in Frankreich durchaus dramatischer ist. Als man in Deutschland in Panik geraten ist, weil die Zahl der Neuinfizierten erstmals auf über 10.000 pro Tag gestiegen ist, hatte Frankreich schon die 50.000-Marke durchbrochen – wohlgemerkt bei geringerer Einwohnerzahl als Deutschland. Einer der französischen Hotspots ist das Elsass, wo die Krankenhäuser schon im Frühjahr an ihre Kapazitätsgrenze kamen und Corona-Patienten nach Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz verlegt werden mussten. Vor ein paar Tagen wagte dann aber doch mal ein Duo aus unserem Hopper-Kreisel den Vorstoß und schaute bei einem Heimspiel des SC Schiltigheim vorbei. Überraschend wurde dabei festgestellt: Im Elsass rollt der Ball ganz normal. Zwar haben die Zuschauer teilweise Masken getragen, saßen aber dicht an dicht auf der Tribüne nebeneinander. Eine Zuschauerbegrenzung gibt es offenbar nicht und so etwas wie Präsenzlisten für die Kontaktrückverfolgung sowieso nicht. Man fragt sich, wie das sein kann, aber da bestätigt sich wieder einmal: Frankreich ist kein Fußballland und man scheint deshalb überhaupt nicht auf dem Schirm zu haben, was unterhalb der oberen drei, vier Ligen so abgeht. Klar, für die Ligue 1 gilt das nicht, da ist Interesse vorhanden, weil da ist viel Kohle im Spiel und da tanzt man zumindest mit PSG ja auch vorne mit, aber der Amateurfußball, der oft weit entfernt ist von dreistelligen Zuschauerzahlen, genießt in Frankreich keinen hohen Stellenwert (außer bei Menschen aus den ehemaligen Kolonien). Wir gehen heute ans genau andere Ende der Ligapyramide, in die District 8 des Elsasses. Level 16 im französischen Spielsystem, tiefer geht es nicht mehr. In den unteren District-Ligen spielen fast ausschließlich zweite, dritte und – falls vorhanden – vierte Mannschaften, die meisten davon traditionell am Sonntag um 10 Uhr. Schöne Gelegenheit, um am Morgen einen schönen Ground zu machen. Ein solcher steht mit dem Stade Municipal in Gries (knapp 3.000 Einwohner). Der Vortort von Haguenau punktet zwar mit ein paar netten Fachwerkhäuschen, ansonsten geht es hier aber eher trist zu. Keine Kneipe, kein Supermarkt – kein Dorf, in dem ich leben möchte. Dafür gibt es aber eine Sportanlage mit einer Tribüne. Große Spannung, was uns dort in Corona-Zeiten erwartet, aber bis auf ein schief aufgehängtes Plakat am Eingang, das auf eine Maskenpflicht hinweist, ist alles wie immer. Nur eine einzige Person trägt Maske (unter der Nase), und das ist die einzige Person, die eigentlich gar keine tragen müsste, denn es ist der behelfsmäßige Linienrichter. Man muss fairerweise dazu sagen, dass aber auch nur 12 Zuschauer gekommen sind, womit die Veranstaltung hier kein Superspreader werden kann. Neben der Haupttribüne besitzt das Stade Municipal quasi eine zweite Tribüne, denn der Verpflegungsstand hinter dem Tor wurde großzügig überdacht. Bei Heimspielen der ersten Mannschaft des 1940 gegründeten FC Gries scheint das ein beliebter Standort für Zuschauer zu sein, jetzt bei der zweiten Mannschaft hat er jedoch geschlossen. Nicht weiter schlimm, denn die wenigen Zuschauer, die da sind, haben sich sowieso ihre Getränke selbst mitgebracht – darunter auch einige Flaschen deutsches Bier. Statt zu lokalem Bier aus Baden greift man allerdings zum Fernsehbier Warsteiner, dafür gibt es Abzug auf der Sympathie-Skala. Wett machen kann das jedoch die Mannschaft, die wirklich Schorle-Fußball vom Allerfeinsten abliefert. Genau so, wie wir uns das in der 16. Liga wünschen. Geradezu grotesk ist es da, dass der Torwart ganz schillernd im Arsenal-Trikot spielt, das nur knapp über die Wampe passt. Chapeau!