Schweiz, 2. Liga Aargauischer Fussballverband (6. Liga)
Samstag, 10. Oktober 2020, 18 Uhr
Sarmenstorf, Sportplatz Bühlmoos
Unser ursprünglicher Plan sah vor, dass wir am Abend zum FC Bad Säckingen II gehen. Da der genau wie die erste Mannschaft aber nur auf dem Nebenplatz des Hochrheinstadions spielt und wir den gerade erst gemacht haben, brauchen wir da logischerweise nicht hin. Wir ziehen damit Plan C aus der Tasche: Sarmenstorf. Klingt nach Norddeutschland, liegt aber in der Schweiz, genauer gesagt im Kanton Aargau. Da die Fahrt von Bad Säckingen dorthin dann doch 45 Minuten dauert, hatten wir uns das Spiel lediglich für den Hinterkopf vorgemerkt. Warum aber merkt man sich überhaupt ein Schweizer Sechstligaspiel vor? Bei den Eisgenossen gibt unterhalb der 2. Liga kaum noch Vereine mit Fanszene, davon aber in der höchsten Liga des Aargauischen Fussballverbands gleich zwei – und die treffen heute Abend direkt aufeinander. Keine Ahnung, ob die in Corona-Zeiten aktiv sind, aber wir waren nicht erpicht, unser Glück zu versuchen. Hin und zurück eineinhalb Stunden Fahrt für (unter Umständen) nur einen einfachen Sportplatz – da wollten wir Bad Säckingen vorziehen und früher zu Hause sein, zumal es morgen ja schon wieder früh aus den Federn gehen soll. Jetzt aber, da sich Bad Säckingen erübrigt hat, wagen wir es doch. Sarmenstorf (3.000 Einwohner) liegt mitten im Nichts und bei der Fahrt durch das völlig belanglose Dorf fragt man sich umso mehr, warum es hier eigentlich eine Fanszene gibt. Hoch gespielt hat der FC Sarmenstorf nie. Anders der FC Wettingen, der mehrere Jahre in der 1. Liga vertreten war. Höhepunkt: In der Saison 1988/89 wurde er Vierter und qualifizierte sich damit für den UEFA-Pokal. In der ersten Runde wurde Dundalk aus Irland souverän besiegt, dann kam Titelverteidiger Napoli – mit Maradona. Das Hinspiel wurde in Zürich ausgetragen und der FC Wettingen konnte dem haushohen Favoriten ein 0:0 abtrotzen. Das Rückspiel gewann Napoli knapp mit 1:2. Dass also einmal beinahe der große Maradona über den FC Wettingen gestolpert wäre und nur ein Tor fehlte, ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass er inzwischen in den Niederungen des Schweizer Fußballs versunken ist. Aber: Beim FC Wettingen ist es doch deutlich verständlicher, warum dort eine Fanszene existiert. Bei der Fahrt zum Sarmenstorfer Sportplatz erkennen wir schon von Weitem voller Freude, dass am Spielfeldrand Fahnen geschwenkt werden – und das an zwei verschiedenen Stellen. Es sind also sowohl die sogenannte Szene Sarmi als auch die drei Wettinger Gruppen Warriors, Vikings und Zecken aktiv. Große Überraschung, auch wenn es natürlich jeweils nicht viele Leute sind. Dafür wird auf beiden Seiten konstant supportet und Pyrotechnik eingesetzt. Verrückte Zeiten, wenn jetzt schon ein Sechstligaspiel in der Schweiz das persönliche Jahreshighlight ist – aber so ist es tatsächlich: Seit Beginn der Pandemie das beste Spiel, das ich in puncto Fans gesehen habe. Zumindest bei der Szene Sarmi in der Muffkurve hat das zwar einen leichten Touch von Dorf-Ultras und man sieht anhand der Klamotten, dass hier der ein oder andere Exil-Ossi aktiv ist, aber der gesamte Auftritt gestaltet sich doch ernsthafter als man es in Anbetracht der Rahmenbedingungen erwarten könnte. Und bei den Wettingern sind sogar richtig schöne Melodien dabei. Trotz Sportplatz herrscht hier auch ansonsten eine nette Atmosphäre, dazu leckere Kalbswurst und die ein oder andere Graswolke, die immer mal herüberweht. Auch in Sachen Corona geht es hier wieder deutlich entspannter zu als in Deutschland, denn Masken sind ebenso Fehlanzeige wie Präsenzlisten.