Tschechien, Národní liga (2.Liga)
Mittwoch, 31. August 2022, 17.30 Uhr
Varnsdorf, Městský stadion v Kotlině
Der letzte Tag des 9-Euro-Tickets. Der Spaß ist vorbei. Kurz vor Ultimo will ich mit dem gelobten Fahrschein aber auf einer der wenigen Auslandsstrecken fahren, auf denen er gültig ist – nämlich ins tschechische Varnsdorf. Dass der dortige Zweitligist am letzten Geltungstag des 9-Euro-Tickets ein Heimspiel hat, passt da wie die Faust aufs Auge. Zuvor bleibt mir aber noch ein Vormittag in Dresden und den nutze ich für den Besuch der DDR-Welt nahe des Bahnhofs Neustadt. Das in einem Einkaufszentrum gelegene Museum stellt Relikte aus sämtlichen Lebensbereichen der DDR aus – von Fahrzeugen über einen komplett eingerichteten Konsum bis hin zu alten Klamotten, die man anprobieren darf. Richtig interessant, wenn auch komplett kritiklos. Und das stört mich dann schon ziemlich, weil die DDR hier ziemlich verklärt wird, was man auch an den Reaktionen der anderen Besucher sieht, bei denen stellenweise richtig die Augen leuchten. Ein Glück ist diese Zeit vorbei und so kann ich danach völlig unkompliziert ins Ausland reisen – ohne Grenzkontrollen. Am Ortsnamen von Varnsdorf (15.000 Einwohner) erkennt man schon die deutschsprachigen Wurzeln, wobei abgesehen von den paar Jahren in der Nazi-Zeit ja schon immer eine Grenze zwischen Sachsen und dem zu Österreich gehörenden Sudetenland (mit Varnsdorf) verlief. Da meine Familie mütterlicherseits aus dieser Ecke stammt und 1945 vertrieben wurde, sind Reisen hierher für mich immer etwas ganz Besonderes. Im Nachbarort Rumburk ist mein Opa zur Schule gegangen und ein paar Kilometer steht noch immer sein Elternhaus. Das ist inzwischen völlig verwahrlost und das ist leider typisch für viele Häuser hier in der Ecke, die vor 1945 gebaut wurden. Das gilt auch für Varnsdorf, wo so manches Haus einfach in sich zusammengefallen ist. Vor allem im Stadtzentrum sind aber viele Jugendstilgebäude, von denen es in Varnsdorf gar nicht so wenige gibt, aber gut in Schuss. Auffallend ist ebenso die hohe Konzentration an Nagelstudios mit deutschsprachiger Werbung, was aber völlig normal ist, wenn man in drei Himmelsrichtungen unmittelbar von Sachsen umgeben ist. Beauty-Tourismus. In einem Restaurant nahe des Stadions drücke ich mir vor dem Spiel noch einen Teller Schnitzel mit Pommes rein, dann gibt’s tschechischen Zweitligafußball. Der unterscheidet sich zumindest hier in Varnsdorf auch nicht großartig von tschechischem Dritt-, Viert- oder Fünftligafußball. Alles entspannt und unspektakulär. Man trinkt Pivo, man isst Klobasa, man lässt seinen Vokuhila im Wind wehen. Mit vier in den Hang geschlagenen Gittern gibt es hier zwar einen eigenen Gästeblock, der bleibt heute aber leer. Für den Abend habe ich mir ein Hotel in Varnsdorf genehmigt, strategisch günstig mit Kneipe direkt auf der anderen Straßenseite, wobei man im Hotel schon ein bisschen überrascht ist, einen deutschen Gast zu haben. Deutsche Touristen sind in Varnsdorf zwar an der Tagesordnung, aber die verschwinden nach ihrem Einkauf halt wieder.