Saudi-Arabien, Saudi Pro League (1.Liga)
Freitag, 17. März 2023, 20.30 Uhr
Makkah, King Abdul Aziz Stadium
Nach Abpfiff in Taif wartet auf uns die Stadt, die uns wochenlang Kopfzerbrechen bereitet hat: Mekka. Im Zentrum der 2,4-Millionen-Einwohner-Metropole steht die Al-Haram-Moschee, die die Kaaba umschließt, die für Muslime als das Haus Gottes gilt. Hier in Mekka wurde zwischen 570 und 573 der Prophet Mohammed geboren, der den Islam begründet hat und dessen wichtigstes Heiligtum die Stadt daher ist. Mindestens einmal in seinem Leben muss jeder Muslim nach Mekka pilgern und die Kaaba umrunden. Betreten werden darf die Stadt nur von Muslimen – zumindest jene Teile, die innerhalb des Haram-Bezirks liegen. Und nun ist die Kernfrage: Wo genau endet der Haram-Bezirk? Und viel wichtiger: Befindet sich das weit außerhalb im Osten der Stadt gelegene King Abdul Aziz Stadium innerhalb des Haram-Bezirks? So wirklich eindeutig war das im Vorfeld nicht herauszufinden. Ich hatte mich wirklich intensiv damit auseinandergesetzt und sogar im Koran nach möglichen Ansatzpunkten gesucht, bin aber auf nichts gestoßen, was wirklich weiterhilft. Letztendlich habe ich umgekehrt gedacht: Cristiano Ronaldo ist kein Muslim, aber auch er muss mit Al-Nasr ins King Abdul Aziz Stadium. Und es gibt weitere Spieler in der Saudi Pro League, die keine Muslime sind, aber auswärts in Mekka spielen müssen. Also liegt das King Abdul Aziz Stadium entweder nicht im Haram-Bezirk oder aber es gibt eine Ausnahmeregelung für Fußballspiele, die ja dann hoffentlich auch für uns gilt. Dennoch fahren wir mit einer gewissen Anspannung zum Stadion, immer im Hintergrund, dass hier auch Ausländer zur Strafe ausgepeitscht werden können und man in puncto Mekka sicherlich keinen Spaß versteht. Ich hatte im Vorfeld gelesen, dass es auf den Straßen rund um Mekka Kontrollpunkte gibt, die Mauthäuschen ähneln und die sicherstellen sollen, dass nur Muslime in die Stadt kommen. Als wir kurz vor dem Stadion an solch einem Kontrollpunkt ankommen, schlottern uns natürlich die Knie, aber Fahrer Mäddes bringt uns zügig daran vorbei. Es wird längst nicht jedes Auto kontrolliert und ob hier tatsächlich die Religionszugehörigkeit überprüft wird, wissen wir gar nicht, aber das reicht schon, damit wir uns richtig einscheißen. Am Stadionparkplatz angekommen schleichen wir regelrecht zum Eingang, aber das ist unnötig, denn sofort kommt freudig ein Mann auf uns zu und drückt uns Gratistickets in die Hand. Die Ticketfrage war auch hier nicht eindeutig und es gab vorab keinerlei Informationen, wie man ins Stadion kommt, aber das hielt ich in Mekka nicht für das dringlichste Problem. Nun wissen wir: Der Eintritt ist frei, aber trotzdem braucht jeder Zuschauer ein Ticket, das von Volunteers vor dem Stadion gratis verteilt wird. Also überhaupt kein Stress. Viele Leute machen davon aber keinen Gebrauch, das richtig geile Stadion bleibt wieder fast vollständig leer. Allerdings: Die Gastgeber vom Al-Wehda FC besitzen eine aktive Fanszene, die mit etwa 100 Mann supportet (erneut sehr marokkanisch angehaucht) und sogar mehrmals Pyrotechnik einsetzt. Gar nicht so schlecht. Von uns will dagegen niemand etwas, wir werden kein einziges Mal schief angeschaut und ich bin mir daher sicher, dass wir mit unserem Besuch gegen kein religiöses Gesetz verstoßen haben. Das ändert sich allerdings nach Abpfiff. Wir müssen zurück nach Westen nach Jeddah und der Weg dorthin führt vom im Osten der Stadt gelegenen Stadion eigentlich genau durch das Stadtzentrum von Mekka. Als Nicht-Muslime dürfen wir das aber nicht und müssen stattdessen einen weiten Bogen um Mekka fahren. Zum einen weiß Google Maps aber nicht, dass wir keine Muslime sind, zum anderen sind wir zu dieser fortgeschrittenen Uhrzeit nicht mehr so ganz aufmerksam und plötzlich stehen wir vor einer Kontrollstelle, die nun wohl definitiv den Beginn des Haram-Bezirks markiert. Umdrehen können wir in dem dichten Verkehr nicht mehr, kontrolliert werden wir auch nicht, also so tief wie möglich in den Sitz versinken und die Angelegenheit möglichst schnell hinter uns bringen. Um eines deutlich zu machen: Ich respektiere Religionen und wir haben uns auch nicht bewusst dafür entschieden, eine Regel zu brechen. Wir reden hier von einem Versehen. Wir reden vom äußeren Autobahnring, also nicht von unmittelbarer Nähe zur heiligen Moschee. Wir sind auch nicht die ersten Nicht-Muslime, denen das passiert ist. Und sicherlich wird Ronaldo im Mannschaftsbus von Al-Nasr auf dem Weg zum Flughafen in Jeddah nicht den weiten Bogen um Mekka herumfahren, wenn er bei Al-Wehda gespielt hat. Aber eines kann ich ganz klar sagen: Meine Fresse, was geht uns hier die Düse! Wobei nach ein paar Minuten schon auch ein Gefühl der Faszination hinzukommt, erst recht nachdem wir zum ersten Mal in der Ferne die Spitze des grünen Uhrturms sehen, der direkt neben der Al-Haram-Moschee steht, aber deutlich höher als sie ist. Die Moschee selber sehen wir nicht – aber sie strahlt dennoch ihre Faszination auf uns auf. Wobei ich mir bei Mäddes da nicht ganz so sicher bin, denn der ist am Lenkrad damit beschäftigt, eine Hasstirade nach der anderen auf mich als Navigator abzulassen. Ich stehe sogar im Verdacht, das alles absichtlich gemacht zu haben und uns nun direkt zur Al-Haram-Moschee zu leiten. Ab morgen werden wir herzlich darüber lachen können. Momente im Leben, die man nie vergessen wird. Wir sind dennoch froh, wieder an einem Stück in unserem Hotel in Jeddah angekommen zu sein, wo wir dem garstigen Kerl an der Rezeption besser nicht erzählen, was wir heute gemacht haben.