Saudi-Arabien, King’s Cup (Viertelfinale)
Dienstag, 14. März 2023, 17.30 Uhr
Riyadh, King Saud University Stadium
Mythos Saudi-Arabien! Prinzipiell ist das mit Abstand größte Land der arabischen Halbinsel für Groundhopper nicht sonderlich attraktiv. Es besteht weitgehend aus Wüste und hat kulturell eigentlich nichts zu bieten, was andere Länder nicht auch zu bieten haben, die größte Attraktion (Mekka) darf man als Nicht-Muslim nicht betreten und beim Fußball gibt es keine ausgeprägte Fankultur. Hinzu kommen ein striktes Alkoholverbot und der Ruf, religiöse Gesetze streng durchzuziehen – von Auspeitschungen bis hin zur Todesstrafe. Und dennoch ist Saudi-Arabien ein Mythos, weil es bis 2019 keine Touristenvisa ausgestellt hat. Abgesehen von Muslimen, die mit einem Pilgervisum nach Mekka fahren durften, wurde man als Ausländer im Normalfall nicht reingelassen. Das macht ein Land natürlich spannend. Das Öffnen des Landes für Touristen geht mit weiteren Liberalisierungsmaßnahmen einher, seitdem der in der westlichen Welt nicht unumstrittene Mohammed bin Salman an der Macht ist. Er ist seit 2017 Kronprinz und seit 2022 Premierminister Saudi-Arabiens. Wenn man betrachtet, welche Veränderungen er bereits angestoßen hat, kann man schon mal fragen, warum er im Westen stellenweise so derart verteufelt wird. Mohammed bin Salman schaffte unter anderem die Religionspolizei und den Verhüllungszwang ab, erlaubte Frauen das Autofahren, führte für sie eine Rentenversicherung ein und zudem dürfen Frauen sich nun in der Öffentlichkeit bewegen, ohne von ihrem Ehemann oder einem männlichen Familienmitglied begleitet zu werden. Ja, in Kombination mit der Tourismus-Offensive holt er zahlreiche Sportereignisse im großen Stil nach Saudi-Arabien, aber wer die Kommerzialisierung im Fußball oder auch in der Formel 1 anprangert, muss seine Kritik meiner Meinung nach viel früher ansetzen – denn als ob ohne Saudi-Arabien oder Katar alles gut wäre. Doch auch in Saudi-Arabien selbst ist Mohammed bin Salman nicht unumstritten, da manch einem seine Reformen viel zu radikal sind und sie zu schnell umgesetzt werden. Bei diesem Tempo kommt nicht jeder mit. Besonders konservativen und streng muslimischen Kräften ist der Kronprinz ein Dorn im Auge. Der wiederum geht mit seinen Kritikern nicht zimperlich um. Und was die Unterstützung des Krieges im Jemen oder den Auftragsmord an den im Exil lebenden saudischen Journalisten Jamal Khashoggi in der Istanbuler Botschaft angeht: Da brauchen wir gar nicht um den heißen Brei herumreden, das ist eine Schweinerei. Und damit genug der einleitenden Worte. Teil der Tourismus- und Sport-Offensive Saudi-Arabiens ist es auch, Fußballstars für die heimische Liga zu gewinnen. Prominentestes Beispiel ist der vor zweieinhalb Monaten vollzogene Wechsel von Cristiano Ronaldo zum bis dato völlig unbekannten Verein Al-Nasr. Unsere Saudi-Arabien-Tour war zu diesem Zeitpunkt bereits in der Planung und der Ronaldo-Hype spielt für Mäddes und mich keine Rolle, aber wenn wir schon mal da sind, dann wollen wir natürlich Al-Nasr sehen. Wie gut, dass im saudischen Pokalviertelfinale die beiden großen Clubs der Hauptstadt Riad (Al-Nasr und Al-Hilal) zeitversetzt am gleichen Tag ein Heimspiel haben und man somit einen optimalen Doppler machen kann. Um das E-Visum für Saudi-Arabien hatten wir uns bereits vorab in Deutschland gekümmert. Mit rund 120 Euro nicht billig und auch die Beantragung ist vergleichsweise kompliziert, aber das Ding wird dafür umgehend genehmigt. Ebenfalls richtig teuer ist mit rund 200 Euro der Flug von Katar nach Riad mit Qatar Airways, in dem Fall kurioserweise sogar der günstigste Anbieter. Es ist damit der teuerste Flug der ganzen Tour – teurer als von Frankfurt nach Bahrain und auch teurer als dann von Riad nach Frankfurt. Die Einreise am Flughafen von Riad funktioniert reibungslos, man fühlt sich als Tourist willkommen. Leider ist in der riesigen saudischen Hauptstadt (7,8 Millionen Einwohner) vieles noch im Aufbau, ähnlich wie in Bahrain. Das wird bestimmt mal richtig imposant und vergleichbar mit Doha und Dubai, aber noch dominieren die Baustellen. Leider ist auch die Metro in Riad noch nicht fertig, sie soll erst kommendes Jahr eingeweiht werden. Linienbusse scheint es hier noch weniger zu geben als in Bahrain, so dass Uber wieder unser Hauptverkehrsmittel sein wird. Natürlich haben wir uns am Flugenhafen wieder eine einheimische SIM-Karte ins Zweithandy von Mäddes eingebaut. Unser Hotel haben wir im Zentrum von Riad, auch dort alles easy und alle nett. Man merkt jedoch, dass man anders als zuvor in Bahrain, Kuwait und Katar wieder mehr mit Einheimischen zu tun hat, zumal Saudi-Arabien (36 Millionen Einwohner) mit 9,4 Prozent einen wesentlich niedrigeren Ausländeranteil hat. Unser erster Weg führt uns zum von unserem Hotel aus gut zu Fuß erreichbaren Kingdom Center. Der 302 Meter hohe Wolkenkratzer mit seiner markanten geschwungenen Spitze ist das Wahrzeichen von Riad und zugleich (noch) das höchste Gebäude der Stadt. In dem Gebäude ist natürlich eine Mall untergebracht, die uns aber nicht weiter interessiert, viel spannender ist aber die Skybridge, wie die geschwungene Spitze genannt wird, die als (sehr schwankende) Aussichtsplattform dient. Von oben hat man einen wirklich atemberaubenden Blick, wobei man ähnlich wie in Bahrain gut die vielen Baulücken sieht, aus denen in nächster Zeit neue Wolkenkratzer schießen werden. Rechtzeitig bestellen wir uns dann ein Uber, um zum Stadion von Al-Nasr zu fahren, um das herum wir den Ronaldo-Kult schon voll zu spüren bekommen. Schon im Anfahrtsstau wollen Händler sämtlichen CR7-Kram durchs Autofenster hindurch verkaufen. Und natürlich ist klar, welche Rückennummer im Stadion omnipräsent ist. Dazu muss man sagen, dass Al-Nasr nur die klare Nr.2 von Riad ist. Zwar wurde man schon 9x saudischer Meister, hängt aber deutlich hinter Stadtrivale und Rekordmeister Al-Hilal mit 18 Titeln. Es ist also eigentlich gar nicht so logisch, dass sich Ronaldo ausgerechnet Al-Nasr und nicht Al-Hilal angeschlossen hat. Natürlich, des Geldes wegen – aber das hat Al-Hilal ja auch. Seine Heimspiele trägt Al-Nasr im erst vor acht Jahren eingeweihten King Saud University Stadium (inzwischen mit Sponsorenname versehen) aus, das eigentlich ganz sympathisch ist, weil es ein reines Fußballstadion ohne Laufbahn ist. Das war ja bei unserer Tour bislang die Ausnahme. Eine positive Überraschung ist zudem, dass es eine aktive Fanszene gibt, die hinter dem Tor mit Schwenkfahnen und einem am ehesten an Marokko erinnernden Supportstil gar nicht so schlechte Stimmung macht. Wir merken schnell, dass Saudi-Arabien im Fußball durchaus eine andere Hausnummer ist als die drei bisher gesehenen Golfstaaten – auch in puncto Fans. Allerdings fällt es mir bei diesem ganzen CR7-Hype ein bisschen schwer, Al-Nasr sympathisch zu finden. Tja, und dann ist da natürlich noch der Maestro selbst. Er steht in der Startaufstellung und spielt damit tatsächlich, was bei Ronaldo derzeit nicht unbedingt sicher ist, erst recht nicht im Pokal. Doch seine Darbietung unten auf dem Feld ist eigentlich pure Comedy. Begleitet von immer wieder aufflammenden „Ronaaaaldo“-Rufen steht er eigentlich immer nur herum, arbeitet nie nach hinten und setzt sich nur dann in Bewegung, wenn eine realistische Chance auf einen Torerfolg besteht. Gefühlte Laufleistung während des Spiels: 130 Meter. Trotz 3:1-Sieg von Al-Nasr macht der Superstar kein Tor und dass er in der 87. Minute ausgewechselt wird, sagt eigentlich schon alles aus. Das gilt für das Verhalten des Publikums, denn nach Ronaldos Auswechslung steht die Mehrheit auf und verlässt vorzeitig das Stadion. Wir geben uns die vollen 90 Minuten, obwohl wir es eigentlich sehr eilig haben, denn in eineinhalb Stunden geht es weiter bei Al-Hilal.