Saudi-Arabien, King’s Cup (Viertelfinale)
Dienstag, 14. März 2023, 21 Uhr
Riyadh, Prince Faisal bin Fahd Stadium
20 Kilometer liegen zwischen den Stadien von Al-Nasr und Al-Hilal. Da merkt man so richtig, wie riesig dieses Riad mit seinen 7,8 Millionen Einwohnern ist. 90 Minuten haben wir dafür Zeit, was auf dem Papier gut funktioniert, denn Google Maps weist eine Fahrtzeit von einer halben Stunde für die Strecke aus. Leider haben wir erhebliche Probleme, einen Uber-Fahrer zu finden, zumal die Straßen rund ums Stadion von Al-Nasr im Stau versinken. Irgendwann haben wir zwar Glück, aber die Verkehrssituation wird im Lauf der Fahrt nicht wirklich besser, weshalb wir erst 20 Minuten vor Anpfiff am Prince Faisal bin Fahd Stadium ankommen. Und da haben wir noch das große Ticket-Problem. Bei Al-Nasr war das alles ganz einfach, denn der Verein hatte frühzeitig einen Online-Verkauf für die 50 Riyal (ca. 11,40 Euro) teuren Tickets angeboten, die wir schon von Deutschland aus gekauft hatten. Anders bei Al-Hilal, denn hier gab es online keinerlei Informationen zum Ticketverkauf und es wurde auch nicht auf unsere Mails reagiert. Wir gehen daher von einem Ticketverkauf am Stadion aus – doch alle Kassen sind geschlossen. Wir drehen eine halbe Runde ums Stadion, die uns auch nicht schlauer macht, ehe ich einen wichtig aussehenden Mann im weißen Gewand anquatsche. Der ist tatsächlich wichtig und dazu richtig freundlich. Er teilt uns die Lösung mit: Tickets werden bei Al-Hilal ausschließlich über die vereinseigene App namens Blu verkauft. Wir machen uns dort schnell einen Account, kommen aber beim Ticketkauf nicht weiter, denn es wird eine saudi-arabische Telefonnummer verlangt, an die ein Code geschickt wird. Kurzerhand tippt der Mann an seinem Handy herum und kauft uns zwei Tickets, für die er nicht einmal Geld haben will. QR-Code abfotografieren und rein ins Stadion. Tolle Gastfreundschaft! Pünktlich zum Anpfiff haben wir es durch diese ganze Ticket-Prozedur leider nicht geschafft, aber uns sind glücklicherweise nur wenige Minuten durch die Lappen gegangen. In dem Stadion mit seiner imposanten Gegengerade fällt sofort auf, dass fanmäßig bei Al-Hilal deutlich mehr los ist als bei Al-Nasr. Am Oberrang hängen zwei große Zaunfahnen („Asian Masters“ und „Asia’s Leader“), im Unterrang stehen rund 500 Leute, die sich am Support beteiligen. Auch hier wieder sehr marokkanisch beeinflusst, aber mit einer viel besseren Lautstärke und Energie als bei Al-Nasr. Spätestens jetzt ist klar, wer die Nr.1 in Riad ist. Kein Wunder, ist Al-Hilal doch nicht nur mit 19 Titeln saudi-arabischer Rekordmeister, sondern mit vier Siegen auch Rekordgewinner der asiatischen Champions League (1991, 2000, 2019, 2021), worauf wohl auch die beiden Zaunfahnen anspielen. Ich hätte ehrlich gesagt gedacht, dass da die Vereine aus Japan, Südkorea, China oder auch dem Iran erfolgreicher sind. Sympathisch ist mir Al-Hilal auch deshalb, weil hier noch nicht die großen Stars aus dem Ausland gespielt haben. Der Wechsel von Cristiano Ronaldo zu Al-Nasr wird in der Hinsicht sicherlich etwas in Bewegung setzen, aber noch tickt Al-Hilal, das vor einem Monat überraschend im Finale der Klub-WM gegen Real Madrid stand, da anders. Übrigens: Auch im Gästeblock ist etwas los, denn aus dem 330 Kilometer entfernten Hofuf sind knapp 100 Leute im einheitlichen blauen T-Shirt mitgekommen, die zwar supporten, sich aber gegen den Al-Hilal-Mob akustisch nicht durchsetzen können. Nach dem Spiel gönnen wir uns in einem nahegelegenen Restaurant noch ein einheimisches Essen, dann geht’s zurück ins Hotel.
Der darauffolgende Mittwoch ist der zweite und damit letzte fußballfreie Tag dieser Tour. Wir wollen uns daher noch ein bisschen intensiver in Riad umsehen. Oder besser gesagt: am Stadtrand. Denn dort befindet sich Diriyah, das sozusagen der Ursprung von Riad ist. Doch Diriyah ist mehr als nur die Vorgängerstadt, denn hier liegen auch die Wurzeln der Familie Al Saud, die seit 1735 als Saudi-Dynastie über Saudi-Arabien herrscht. Von hier aus eroberten die Saudis die arabische Halbinsel und eroberten 1806 mit Mekka das wichtigste Heiligtum des Islam. Fast noch wichtiger ist, dass Diriyah damit auch der Ursprung des Wahhabismus ist. Er ist eine strenge Form des sunnitischen Islam und in Saudi-Arabien Staatsreligion. Kein Wunder also, dass das seit 2010 zum UNESCO-Welterbe gehörende Diriyah gepflegt wird wie ein Augapfel – zumindest seit Mohammed bin Salman an der Macht ist. Er hat aus Riads Vorgängerstadt ein großes Freilichtmuseum gemacht, das absolut in Schuss ist. Richtig spannend und eine schöne Zeitreise! Am Abend fahren wir wieder zurück ins Stadtzentrum und schlendern zunächst ein bisschen über den Dirah Souk mit seinem Gold-Basar, dann weiter zum schön angestrahlten Fort Masmak, das 1865 erbaut wurde und von großer Bedeutung für die Familie Al Saud war, um Riad militärisch halten zu können. Es ist heute eines der Wahrzeichen der saudischen Hauptstadt. Spannende Ecke, die heute das Zentrum von Riad darstellt, aber in Zukunft sicherlich von der Gegend rund um das Kingdom Center abgelöst wird. Interessant ist auch ein Restaurant-Besuch im Dirah Souk. Auffallend ist dort, dass sich rund um jeden Tisch Vorhänge befinden, die zugezogen werden können. Der Grund: Frauen können so beim Essen ihre Komplettverschleierung abnehmen, weil sie so niemand dabei sehen kann. Um das klar zu sagen: Unter Mohammed bin Salman hat eine deutliche Liberalisierung eingesetzt, die Komplettverschleierung ist nicht mehr vorgeschrieben, auch wurde die Religionspolizei abgeschafft. Dennoch würde ich schätzen, dass 90 Prozent der Frauen in Saudi-Arabien weiterhin vollverschleiert herumlaufen.