Saudi-Arabien, U17 Premier League
Samstag, 18. März 2023, 16.20 Uhr
Jeddah, Prince Mohammed bin Abdullah Al Faisal Stadium
Der letzte volle Tag unserer zweiwöchigen Tour bricht an. Neben Fußball am Nachmittag hält er für uns abends auch noch die Formel 1 bereit, denn an diesem Wochenende findet der Große Preis von Saudi-Arabien hier in Jeddah statt und da wollen wir uns das Quali-Rennen gönnen. Jeddah hat 3,7 Millionen Einwohner, ist damit die zweitgrößte Stadt Saudi-Arabiens und gilt wie erwähnt seit jeher als das Tor nach Mekka. Die letzte Durchgangsstation für die Pilger zu sein brachte der Stadt schon vor dem Öl-Reichtum eine gewisse Reputation und daher wundert es nicht, dass in Jeddah eine sehenswerte Altstadt steht, die seit 2014 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Und in die stürzen wir uns gleich mal zu Beginn. Zwei Dinge fallen auf: Zum einen sind trotz Formel-1-Wochenende praktisch überhaupt keine Touristen unterwegs, zum anderen ist der bauliche Zustand mitunter erschreckend schlecht – und das im reichen Saudi-Arabien. Viel Müll, überall herausguckende Kabel und stellenweise sind Wege und Plätze nicht einmal asphaltiert. Sozusagen das Gegenteil vom Souq Waqif in der katarischen Hauptstadt Doha. Wir fahren weiter zur Corniche und kommen dabei vorbei am 171 hohen Fahnenmast von Jeddah, der direkt an der Stadtautobahn steht und bis 2021 der höchste Fahnenmast der Welt war (inzwischen abgelöst vom 202 Meter hohen Exemplar in Kairo). Die Corniche ist die 30 Kilometer Küstenpromenade am Roten Meer, die zumindest an den markanten Stellen besser in Schuss ist als die Altstadt. Ein Teil der Corniche wird derzeit ja provisorisch als Formel-1-Strecke genutzt (Jeddah Corniche Circuit), zumindest so lange, bis die hypermoderne Strecke in Qiddiya nahe Riad fertig ist. Das soll 2027 der Fall sein. Auffallend ist aber auch an der Corniche, dass überhaupt keine Touristen unterwegs sind. Dafür machen wir die vielleicht schönste Begegnung dieser Tour, als wir unter einem Zeltdach ein kleines Päuschen einlegen und uns vor der knallenden Sonne schützen wollen. Neben uns macht eine Mutter mit ihren Töchtern einen Familienausflug – und spricht uns an. Man muss sich klar machen: Noch bis vor wenigen Jahren wäre das nicht möglich gewesen, da eine omnipräsente Religionspolizei streng darauf achtete, dass Männer und Frauen, sofern sie nicht miteinander verheiratet oder verwandt sind, in der Öffentlichkeit keinen Kontakt haben. Auch trägt die Frau zwar ein Kopftuch, verhüllt aber nicht ihr Gesicht. Auch das wäre nicht möglich gewesen. Und so entwickelt sich eine echt spannende Begegnung am Ufer des Roten Meeres, die in eine gemeinsame Partie Backgammon mündet. Generell stelle ich in Saudi-Arabien und speziell in Jeddah an großes Interesse an nicht-muslimischen Ausländern fest, die es hier ja noch nicht so lange gibt, da wie gesagt erst seit 2019 Touristenvisa erteilt werden. Immer wieder werden wir angesprochen und teilweise einfach nur nach unserem Vornamen gefragt. Ein Lächeln, ein Schulterklopfer und mehr will man von einem gar nicht. Welcome so Saudi Arabia. Nach diesen schönen Begegnungen an der Corniche wartet auf uns das letzte Fußballspiel dieser Tour. Zwar nur im B-Jugend-Bereich (die in Saudi-Arabien über 2x45 Minuten spielt), aber dafür sehen wir das Stadtderby zwischen den beiden größten Vereinen von Jeddah. Bei den Herren gehören beide Vereine zu den erfolgreichsten des Landes, denn Al-Ahli wurde schon 3x saudischer Meister und Al-Ittihad sogar 8x. Gespielt wird heute im vereinseigenen Prince Mohammed bin Abdullah Al Faisal Stadium, in dem Al-Ahli auch seine kleinere Heimspiele in der Saudi Pro League austrägt, während die wichtigeren Spiele im deutlich größeren Prince Abdullah Al Faisal Stadium stattfinden. Viel los ist trotz Derby nicht, vielleicht 40 Zuschauer sind anwesend, aber ehrlich gesagt haben wir auch nichts anderes erwartet. Wir hatten jetzt in den zwei Wochen auf der arabischen Halbinsel ja fast immer leere Ränge. Dennoch ist das Prince Mohammed bin Abdullah Al Faisal Stadium durch seine Lage mitten in der Stadt schön anzusehen und gerade weil so wenig los ist, hat man auch gut die Gelegenheit, sich ungestört ein bisschen umzusehen. Mit dem Quali-Rennen des Großen Preises von Saudi-Arabien wartet auf uns im Anschluss ein Sportereignis mit deutlich mehr Zuschauern. Ich war noch nie bei einem Formel-1-Rennen, habe aber gehört, dass die Tickets normalerweise nahezu unbezahlbar sind. Hier in Jeddah sieht das komplett anders aus, weil es nicht nur die typischen Tribünenplätze gibt, sondern auch Stehplätze entlang der Strecke – und das für nur umgerechnet 28 Euro. Der Jeddah Corniche Circuit umfasst wie gesagt einen Teil der Corniche und gilt als Stadtkurs. Er wird also nur temporär für das Formel-1-Rennen aufgebaut. Entlang der Corniche tauchen also irgendwann schwarze Stellwände auf, die das Rennareal abgrenzen. Man hat damit keine Chance, von außen zuzusehen. Der Eintritt ist etwas kompliziert, denn man bekommt nach dem Online-Kauf nur einen Code und muss die Formel-1-App herunterladen, in die man den Code eintippt. Doch auch das ist noch nicht das Ticket, denn damit muss man zu einem Ticketschalter gehen und bekommt dann ein Armband, das zum Eintritt berechtigt. Auf dem Rennareal ist wie erwartet viel los, auch einige westliche Besucher sind da, wobei ich mich frage, wo die eigentlich den ganzen Tag über waren. Auf mehreren Bühnen werden Shows gezeigt, überall gibt es Darbietungen einzelner Künstler und natürlich ist auch der ein oder andere Autohersteller mit einem Stand vertreten. Verpflegungsstände gibt es ebenfalls – mit relativ hohem Preisniveau. Teilweise wird aber Wasser gratis verteilt. Als Reinfall entpuppen sich unsere Tickets. Ich hatte eigentlich gedacht, dass man sich da schön an den Streckenrand stellen und die vorbeidüsenden Rennboliden sehen kann. Man kommt aber nicht direkt an den Zaun an der Strecke heran, sondern sieht die Strecke nur aus dritter oder vierter Reihe – hinter weiteren Zäunen oder sogar Wänden. Keine Chance, da ernsthaft etwas mitzubekommen. Eine richtige Chance würden die Brücken bieten, die die Strecke überspannen, aber da wurden eigens Sichtschutze eingebaut. Durch die kleinen Schlitze hindurch kann man aber die Strecke von oben sehen, auch wenn das auf Dauer anstrengend ist. Schlimmer aber: Man darf gar nicht auf den Brücken stehenbleiben und durch die Schlitze hindurchschauen. Schon nach ein paar Sekunden kommt einer der unzähligen Ordner und jagt einen weg. Das ist also ein bisschen so, als ob man sich ein Ticket für ein Fußballspiel kauft und man nur vor dem Stadion stehenbleiben darf. Ein bisschen bekommen wir das Qualifying aber schon mit und irgendwann findet man auch ein Plätzchen auf einer der Brücken, wo entspannte Ordner stehen, die einen in Ruhe lassen. Sportlich kann ich nicht viel zum Rennen sagen, weil ich mich seit dem Karriereende von Michael Schumacher kein Stück mehr für die Formel 1 interessiere. Dennoch absolut faszinierend, auf solch einer Brücke zu stehen und mitzubekommen, mit was für einer Geschwindigkeit und was für einer Power die Rennboliden unter einem vorbeifahren. Ich bin schwer beeindruckt! Der Vollständigkeit halber: Die Pole Position für das morgige Rennen sichert sich Sergio Perez, dahinter folgen Charles Leclerc und Fernando Alonso. Nico Hülkenberg wird Elfter im Qualifying, Max Verstappen hat technische Probleme und landet nur auf Platz 15. Das morgige Rennen werden wir allerdings nicht mitbekommen, denn da sind wir bereits auf dem Heimweg. Am Abend zieht es uns noch einmal an die mittlere Corniche, wo jetzt am Abend auch endlich der King Fahd’s Fountain im Roten Meer eingeschaltet ist, der mit 312 Metern den höchsten Wasserstrahl der Welt erzeugt. Noch ein letzter Milchshake und ein letztes saudisches Abendessen, dann ab ins Bett. Am nächsten Morgen fliegen wir mit Flynas zunächst nach Riad. Dort haben wir elf Stunden Aufenthalt, weshalb wir lange überlegt hatten, uns noch einmal einen Mietwagen zu holen und das Erstligaspiel von Al-Kholood im 400 Kilometer entfernten Al-Ras mitzunehmen. Zeitlich hätten wir auf der Rückfahrt aber nur 30 Minuten Puffer, was uns einfach als zu riskant erscheint. Da dürfte absolut nichts schief gehen. Auch nach Riad wollen wir nicht noch einmal, also gammeln wir einfach am Flughafen herum, ehe unser abendlicher Flug nach Istanbul geht. Dort haben wir glücklicherweise nur kurz Aufenthalt und Pegasus bringt uns wieder pünktlich nach Frankfurt.