Deutschland, Kreisliga B Gelsenkirchen – Staffel 1 (10.Liga)
Freitag, 3. Juni 2022, 19 Uhr
Gelsenkirchen, Bezirkssportanlage Baulandstraße – Platz 3
9-Euro-Ticket, Tag 3 – und dann tritt doch das befürchtete Chaos ein. Die ersten beiden Tage hatte die Bahn eigentlich gute Arbeit geleistet und sogar den gestrigen Ausnahmetag relativ gut im Griff, als in Minden ein Güterzug entgleist war und ganz Ostwestfalen dadurch einen Tag lang vom Fernverkehr abgeschnitten war. Heute aber der absolute Wahnsinn. Alles überfüllt, alles verspätet. An wirklich jedem (!) Umsteigepunkt verpasse ich meinen Anschluss. Selbst die Linienbusse spinnen. Irgendwann strande ich mal vor dem Parteisitz der MLPD in GE-Horst, der in seiner Skurrilität nicht besser zu dieser Situation passen könnte. Ein Disneyland für Kommunisten. Vor dem Gebäude steht übrigens eine Lenin-Statue, die wohl inzwischen die einzige in Deutschland ist. Statt 30 Minuten vor Anpfiff stehe ich dagegen erst erst zur 30. Minute vor dem Stadiontor – leicht fertig mit den Nerven. Bis ich beim Spiel bin, vergeht dann auch noch etwas Zeit, denn die Anlage von Hansa Scholven besteht aus drei Plätzen (2x Asche, 1x Rasen) und gespielt wird auf dem ganz hinten gelegenen Rasenplatz. Um zu dem zu kommen, muss man erst einmal diagonal über beide Ascheplätze laufen. Die erste Halbzeit verpasse ich damit zu weiten Teilen, was ganz besonders schade ist, denn es ist eine Menge los. Zum einen, weil es sich hier um ein Stadtteil-Derby handelt: Oberscholven, Niederscholven und Bülse, woher der heutige Gegner kommt, bilden zusammen den Stadtteil Scholven. Vor allem aber untereinander scheint man sich bei Hansa Scholven nicht ganz grün zu sein. Verpasst habe ich somit in der ersten Halbzeit u.a. einen Polizeieinsatz. Um das zu erklären: Genau wie vor zwei Tagen beim SV Hamborn erlebt steht Hansa Scholven unmittelbar davor, ein reiner Migrantenverein zu werden. Für die Mannschaft trifft das schon zu 100% zu, für das Publikum zu 90%. Lediglich die administrativen Funktionen (z.B. Platzwart und das Betreiben des kleinen Platzkiosks) werden noch von einigen Almans älteren Semsters ausgeübt, die hier aber klar in der Unterzahl sind. Vor allem am Kiosk, wo es weiterhin Alkohol und Bratwurst gibt, führt das zu Konflikten. Mehrmals erlebe ich es, wie dort provokativ zum Beispiel nach zuckerfreiem Bier gefragt und immer wieder der Alkoholverkauf angeprangert wird. Einige Zuschauer machen es dem Kassier so schwer wie möglich, als der in der ersten Halbzeit herumgeht und den Eintritt kassieren will. Offenbar werden mehrmals 100- oder sogar 200-Euro-Scheine hingehalten. Das Thema hatte ich in Essen gestern ja auch, aber hier ist es offenbar pure Absicht. Laut Aussage am Kiosk kommt das jedes Heimspiel vor, dass Dutzende Zuschauer angeblich nur Hunderter oder Zweihunderter haben. Der Kassier spricht daraufhin Platzverweise aus, denen man natürlich nicht nachkommt, weshalb schließlich auch heute mal wieder die Polizei anrückt. Wirklich eine ganz seltsame Atmosphäre in diesem Verein. Das ist wirklich reines Mobbing und Rausekeln. Man kann hier die Transformation hin zu einem reinen Migrantenclub auf fast schon gruselige Art und Weise hautnah mitbekommen. Umgekehrt sind aber auch sehr fragwürdige Sprüche dabei, die man so am Kiosk aufschnappt, wenn über die „Schwatzhaarigen“ hergezogen wird. Leider werden dann alle Alman-Klischees in der Schlussphase bestätigt, als sich ein Spieler der Gäste verletzt und ein Krankenwagen gerufen wird. Für den müsste ein Zufahrtstor aufgeschlossen werden, aber da der Platzwart auch schon seine 15 Veltins drin hat, findet er den Schlüssel nicht mehr. Konsequenz: Der verletzte Spieler muss von seinen Mitspielern zum Eingang getragen werden – und der Weg ist wie beschrieben lang.