Luxemburg, Testspiel
Samstag, 25. Juni 2022, 16 Uhr
Hesper, Stade Alphonse Theis
Eigentlich nicht sonderlich schlau, im 9-Euro-Ticket-Sommer für eine Woche ins Ausland zu fahren – aber so wollen es nun mal die familiären Verpflichtungen. Die Familie meiner Freundin verbringt schließlich jeden Sommer gemeinsam eine Woche irgendwo am Meer. Als Bielefelder bedeutet das natürlich nicht Italien oder Kroatien, sondern in der Regel Dänemark oder wie in diesem Jahr die Niederlande. Ein Land, in dem ich eigentlich niemals Sommerurlaub machen würde, zumal für mich in Baden-Württemberg das Mittelmeer näher liegt als die Nordsee. Andererseits kann ja aber auch ein großer Charme darin liegen, etwas zu machen, das man sonst niemals machen würde. Offen für Neues sein. Ich bin also dabei, zumal ich das angemietete Ferienhaus im Badeort Cadzand direkt an der niederländisch-belgischen Grenze von der Lage her durchaus interessant finde. Während der Rest der Familie selbiges mit mehreren Autos von Bielefeld aus ansteuert, mache ich mich von Baden-Württemberg aus als Einzelkämpfer auf den Weg. Natürlich nicht ohne unterwegs ein Fußballspiel anzuschauen. In Luxemburg wird somit nicht nur günstig getankt, sondern auch noch ein internationales Testspiel in einem Erstliga-Ground mitgenommen. Zu Gast ist der 1.FC Saarbrücken, der erwartungsgemäß einige Fans über die Grenze mitbringt. Das südlich der Hauptstadt Luxembourg gelegene Hesper (16.000 Einwohner) wird von mir nur im Vorbeifahren angeschaut und präsentiert sich dabei als typisches Örtchen des Großherzogtums – modern und mit sehr frankophonem Einschlag. Der örtliche Fußballverein Swift Hesper stieg 1985 zum ersten Mal in die 1.Liga auf und wurde 1990 luxemburgischer Pokalsieger. Ende 2018 soll hier der dubiose Immobilien-Guru Flavio Becca eingestiegen sein, der wenige Monate später auch erstmals mit dem 1.FC Kaiserslautern in Verbindung gebracht wurde. Was er genau macht, ist ja nicht so ganz klar. Klar ist nur, dass er vergangenes Jahr in Luxemburg wegen Veruntreuung und Geldwäsche zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt wurde. An ihm liegt es jedoch nicht, dass im Stade Alphonse Theis eine moderne Tribüne steht, die irgendwie too much ist, denn die steht schon seit längerer Zeit. Besonders das Glasdach wirkt zu dick aufgetragen – und ist bei einer Hitze wie heute vollkommen kontraproduktiv, weil es die Tribüne zur Sauna macht. Glücklicherweise ist es ziemlich bewölkt und die pralle Sonne knallt nicht ständig rein. Gut die Hälfte der Zuschauer kommt aber ohnehin aus dem Saarland und macht es sich auf der gegenüberliegenden Old-School-Tribüne mit Wellenbrechern gemütlich. Mit dabei sind auch ein paar abseits stehende Ultras, die mit Fahnen, Pyro und Gesängen ordentlich Alarm machen. Die sehen mir allerdings nicht nach Virage-Est-Leuten aus. Ich denke auch, dass es deutlich mehr Ultras wären, wenn hier wirklich die Virage Est nach Hesper gefahren wäre. Trotzdem unterhaltsam. Nach Abpfiff geht es auf die restlichen 350 Kilometer bis nach Cadzand – einmal quer durch Belgien. Natürlich mit Zwischenhalt in einer Friterie.