Deutschland, Oberliga Hamburg (5.Liga)
Freitag, 28. Oktober 2022, 20.15 Uhr
Hamburg, Sportzentrum Hoheluft
Ich liebe den Föderalismus in Deutschland! Und aus Hopper-Sicht bringt er einen weiteren ganz großen Vorteil mit sich: unterschiedliche Feiertage in den Bundesländern. Alljährlicher Höhepunkt dieses bundesrepublikanischen Feiertags-Flickenteppich sind der Reformationstag (31. Oktober) bzw. Allerheiligen (1. November) – vor allem wenn sie auf Werktage fallen und sie somit von den jeweiligen Landesverbänden zu Spieltagen erklärt werden. So auch in diesem Jahr, wodurch von Freitag bis Dienstag durchgehend Spiele im Amateurfußball angesetzt werden. Grob gesagt ist der Reformationstag in der nördlichen Hälfte Deutschlands ein Feiertag, Allerheiligen dagegen in der südlichen Hälfte. Damit ist klar: Es geht zunächst in den Norden – und da ist Hamburg eine gute Adresse für ein extra-verlängertes Wochenende. Es geht bereits am frühen Morgen mit dem ICE nach Hamburg, um auch touristisch noch etwas unternehmen zu können. Höhepunkt ist dabei das Gewürzmuseum in der Speicherstadt. Tiefpunkt ist eine eigentlich sehr gemütliche Hafenkneipe an den Landungsbrücken, in der wir uns schon beim Betreten wundern, dass ansonsten keine Gäste da sind. Dass man uns keine Getränkekarte reicht, wundert uns dagegen nicht, denn in welcher deutschen Kneipe verlangt man bitte eine Karte, wenn man einfach nur ein paar Bier trinken will? Beim Verlangen der Rechnung fällt uns aber ganz schön die Kinnlade runter, denn für fünf Bierchen werden sage und schreibe 35 Euro verlangt. 7 Euro für ein Bier? Das mag ja in einem Strip-Schuppen normal sein, aber das hier ist ja einfach nur eine ganz normale Spelunke ohne irgendein Entertainment. Eigentlich müsste man da sofort die Polizei rufen, zumal uns beim genaueren Hinsehen auffällt, dass hier wirklich nirgendwo Preise angeschrieben sind, was ja definitiv nicht erlaubt ist. Aber die Oberliga Hamburg ruft und für solche Sperenzchen haben wir somit erst recht keine Zeit. Zahlen und glücklich sein. Das Kontrastprogramm gibt es anschließend in Eimsbüttel, das eindeutig zu den besseren Ecken Hamburgs gehört. Vielleicht ist es dann sogar ein bisschen typisch, dass der dortige Eimsbütteler TV vor elf Jahren bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Er hatte sich nämlich durch den Gewinn des Hamburger Landespokals für den DFB-Pokal qualifiziert, wodurch mit einer ganzen Stange Geld gerechnet werden konnte. Der Vorstand wollte die erwarteten 110.000 Euro eigentlich in die Infrastruktur stecken – die eine Hälfte in den Bau eines Kunstrasenplatzes, die andere in die Abteilung selber. Das sahen die Spieler aber ganz anders, die ihr eigenes Stück vom Kuchen haben wollten. 25.000 Euro verlangten sie als „persönlichen Bonus“ plus weitere 15.000 Euro für neue Trikots und weiteren Firlefanz. Und damit nicht genug, denn obendrauf verlangten sie, dass 30.000 Euro von dem DFB-Pokal-Geld zusätzlich in den Saisonetat gesteckt werden. Der Vorstand machte da verständlicherweise nicht mit und somit trat die Mannschaft geschlossen aus dem Verein aus. Der Eimsbütteler TV zog die Spvgg Fürth, trat mit seiner A-Jugend an und unterlag mit 0:10. Ansonsten ist der ETV ein typischer Groß-Verein mit über 20.000 Mitgliedern, der sämtliche Sportarten anbietet. Das merkt man beim Betreten seines erst vor ein paar Monaten eröffneten Sportzentrums Hoheluft sofort, auf dem es eher anonym zugeht. Es soll sich hier um Deutschlands größtes Neubauprojekt im Vereinssport handeln. Abgesehen von ein paar wenigen Bänken, die in den relativ steilen Graswall gebaut wurden, ist aber kein Ausbau vorhanden. Heutiger Gegner ist der USC Paloma, der ja ein wenig zu den Kultvereinen im Hamburger Amateurfußball gehört und der dementsprechend einige Gästefans mitbringt, die aber eigentlich nicht wirklich auffallen. In puncto Unterkunft haben wir an diesem verlängerten Wochenende ein bisschen Pech, denn wir finden keine adäquate Bleibe für den gesamten Zeitraum. Wir müssen also in den ersten zwei Nächten mit einer völlig unspektakulären (aber günstigen) Ecke Hamburgs Vorlieb nehmen, ehe wir für die zweiten zwei Nächte in die favorisierte Unterkunft umziehen können – ein ehemaliges Bordell auf der Reeperbahn, das zum Hotel umgebaut wurde. Erlebnishotellerie. Eigentlich hätten wir dann also noch genug Zeit für Sankt Pauli, trotzdem zieht es uns auch schon an diesem ersten Abend auf die Reeperbahn. Besucht werden die beiden ominösen Kneipen Goldener Handschuh (Stammkneipe des Frauenmörders Fritz Honka, was dem Laden den Beinamen Honka-Stube einbrachte) und Elbschlosskeller, wobei unsere einstimmige Meinung ist, dass das alles viel zu touristisch geworden ist. Vor allem im Goldenen Handschuh sitzen eigentlich gar keine Hamburger Originale mehr, sondern nur noch Elke und Jutta aus irgendeinem Provinznest in Deutschland, die den Film „Goldener Handschuh“ über Fritz Honka (zum Trailer) gesehen haben und sich jetzt auch mal eine halbe Stunde lang so fühlen wollen. Und das gilt irgendwie für die ganze Reeperbahn.