Italien, Serie D – girone H (4.Liga)
Sonntag, 9. Oktober 2022, 16 Uhr
Barletta, Stadio Cosimo Puttilli
Ein bisschen traurig sind wir, am nächsten Morgen Monopoli schon wieder verlassen zu müssen, aber es wartet ja noch die letzte Station der Reise: Barletta. Auch da gab natürlich der Fußball den Ausschlag, denn der AS Barletta darf seit dieser Saison wieder im eigenen Stadio Cosimo Puttilli spielen – und da ist die Euphorie riesig. So ist das heutige Heimspiel gegen den AS Martina bereits seit Tagen ausverkauft. Und das in der Serie D! Allerdings darf noch nicht die gesamte Kapazität des Stadion genutzt werden. Insbesondere die Südkurve muss (mit Ausnahme des Gästeblocks) leer bleiben. Zunächst einmal geht es aber in die Altstadt von Barletta (gut 90.000 Einwohner), in der wir auch unsere Unterkunft haben. Barletta ist nicht hässlich, aber wenn man gerade aus Monopoli kommt, dann kann es halt nur schlechter werden und dementsprechend sind wir nicht völlig begeistert. Das wäre aber sehr wahrscheinlich anders, wenn wir davor in einer anderen Stadt gewesen sind. Auch Barletta liegt am Meer, ist aber ganz anders aufgebaut als Monopoli. Hier in Barletta ist der Strand zugepflastert mit Beach Clubs, die ihre eigenen Strandabschnitte haben. Das ist ja leider oft so in Italien bei breiten Stränden. Zwischen den Beachs Clubs gibt es zwar immer wieder freie Zugänge zum Strand, aber der lohnt sich in Barletta zumindest im Oktober nur bedingt. Zwar alles sauber, aber nichts offen und überall Zelte, in denen Flüchtlinge unter wirklich haarsträubenden Bedingungen leben. Keine Atmosphäre, bei der man sich gerne an den Strand setzt, ein Bier öffnet und ein bisschen Eros Ramazzotti laufen lässt. Ähnliches gilt für den danebenliegenden Hafen, der eher schmuddelig wirkt. Wirklich kein Vergleich zu Monopoli. Definitiv gewinnen wird Barletta den Vergleich mit Monopoli aber beim Fußball. Man merkt auf dem Weg zum Stadion sofort das Knistern, das in der Luft liegt – und das so früh in der Saison. Absoluter Höhepunkt ist, dass die ganze Zeit vor mir ein Kind im Grundschulalter mit Diffidati-T-Shirt läuft. Mehr geht einfach nicht! Da ist jetzt vor dem Spiel schon klar, dass ich für dieses ganze Spektakel absolute Höchstnoten vergeben werde. Ebenfalls beeindruckend: Ich hatte den Verein im Vorfeld kontaktiert und bekomme eine Freikarte. Die überreicht mir ein Vereinsmitarbeiter durch ein Loch in der Mauer und brüllt von der anderen Seite zu mir: „Forza Barletta!“ Stark! Gut ins Bild passt da der Bierstand, der einfach nur ein Tisch ist, der auf der anderen Seite eines Zauns aufgebaut wurde, durch den hindurch man seine Bestellungen bei Typen mit Ultras-T-Shirts abgeben muss. Im Sortiment befinden sich Wasser, Birra Peroni und Borghetti. Aus Sicherheitsgründen wird das Bier aus den Dosen anfangs noch in Plastikbecher umgefüllt, aber irgendwann ist das den Jungs zu nervig und sie geben direkt die Bierdosen durch den Zaun. Super! Was aber auf den Rängen abgeht, ist kaum in Worte zu fassen. Ich bin ja inzwischen schon seit vielen Jahren unterwegs und ehrlich gesagt gibt es inzwischen nicht mehr so viele Dinge, die mich absolut vom Hocker hauen. Das war in den Anfangsjahren noch anders und das ist ja auch ganz normal. Man hat fast alles irgendwie schon mal gesehen und erlebt. Hier im Stadio Cosimo Puttilli erlebe ich aber endlich mal wieder so ein total fasziniertes Gefühl wie in den Anfangsjahren. Schon weit vor Anpfiff singt sich die knallvolle Curva Nord um die Gruppo Erotico (was für ein Name!) ein und es ist richtig geil, dass der Verein währenddessen komplett auf Musik oder irgendwelche Durchsagen verzichtet. Man überlässt das Feld einzig und allein der Kurve. Einzige Ausnahme ist das berühmte Lied „Gente di Mare“ von Umberto Tozzi (hier nachzuhören), das sozusagen als Vereinshymne fungiert. Ich hatte mich im Vorfeld extrem darauf gefreut, es hier live im Stadion zu hören, wenn in der Curva Nord alle Schals nach oben gehen. Doch jedes Mal, wenn der Verein das Lied einspielen will, hat die Kurve gerade ein neues Lied angestimmt. Und da die Ultras Vorrang haben, werden die Lautsprecher nach wenigen Sekunden wieder abgedreht. Ganze dreimal versucht der Verein, das „Gente di Mare“ einzuspielen, doch immer kommt es zu dieser zufälligen Überschneidung, womit das Lied am Ende gar nicht läuft. Schade, aber natürlich auch ein starkes Statement. Auch während des Spiels flaut die Stimmung in der Curva Nord nicht ab – und das trotz einer 0:2-Niederlage. Wahnsinn, was hier abgeht! Etwas unter den Tisch fallen da die rund 70 Gästefans aus Martina Franca, die ebenfalls einen starken Auftritt hinlegen. Normalerweise würde mein Blick viel häufiger in den Gästeblock gehen, aber bei dem, was Barletta hier abzieht, sind sie halt leider nur Nebendarsteller. Hier herrscht wirklich ein absolutes Überangebot an guter Unterhaltung! Dazu Birra und Borghetti, schönes Wetter und durchweg unkomplizierte Leute. Ein Traum. Bleibt mir nur noch die fantastische Zaunfahne der Gruppo Erotico anzusprechen. Der Gruppenname ist ja ohnehin schon brutal, aber als Gruppenlogo einen angebissenen Apfel (Symbol für die Sünde) zu verwenden und das i im Namen als Penis darzustellen, ist ein wirklich großartiger Humor. Und er passt so gut hier unten in den eigentlich konservativen Süden. Nach dem Spiel geht’s zurück zu den Mädels in die Unterkunft, die wir für zwei Nächte gebucht haben. Zeit genug also, um ausgiebig Barletta zu erkunden und das dolce vita zu genießen. Am Dienstagmorgen geht es mit dem Zug immer am Meer entlang nach Pescara, von wo aus uns drei 19-Euro-Flüge nach Memmingen bringen. Kleiner Schock: Die Tochter meiner Freundin ist wie gesagt 15 Jahre alt und muss damit bei Ryanair den vollen Preis zahlen. Ich hatte dementsprechend für drei Erwachsene gebucht, weil das preislich ja keinen Unterschied macht. Doch als ich beim Online-Check-in ihr Geburtsdatum eingebe, lässt sie sich nicht einchecken, da sie keine Erwachsene ist. Ich hätte den eigenen Tarif für Jugendliche im Alter zwischen 12 und 15 Jahren buchen müssen. Wie gesagt: Preislich kein Unterschied, aber beim automatischen Abgleich des Alters über die Eingabe des Geburtsdatums erlaubt Ryanair dann keinen Check-in. Was also tun? Der reguläre Weg wäre, den Tarif umzubuchen, was bei Ryanair natürlich eine richtige Stange Geld kostet. Also die Risiko-Variante gewählt und bei der Eingabe des Geburtsjahres „versehentlich“ um ein Jahr verrutscht. Entsprechend nervös sind wir alle beim Boarding am Flughafen in Pescara, denn dort wird ja normalerweise auf den Ausweis geschaut. Normalerweise. Aber in Pescara ist das zumindest bei unserem Flug nicht so. Die Passagiere müssen alles selber machen, ihren QR-Code auf den Scanner halten und dann einfach einsteigen, während die Mitarbeiter ein Schwätzchen halten. Glück gehabt! Das habe ich so aber auch noch nie erlebt. Und damit kann das Fazit spätestens jetzt nur noch lauten: Note 1 für diese Reise! Für die Mädels war es vielleicht ein bisschen viel Programm, aber das Wichtigste ist am Ende, dass auch sie einen guten Eindruck von Italien haben.