Deutschland, Kreisliga D Essen – Staffel 1 (11.Liga)
Montag, 16. Mai 2022, 19.30 Uhr
Essen, Sportplatz am Kaiser-Wilhelm-Park
Hach, den Ruhrpott muss man einfach lieben. Selbst an einem Montag hat man dort in der Regel aus mehreren Spielen auswählen. Nicht alles davon lohnt sich so sehr, sich auch am anderswo eigentlich fußballfreien „Sonntag der Groundhopper“ in den Zug zu setzen, aber heute sieht das mit dem vom Abriss bedrohten Sportplatz am Kaiser-Wilhelm-Park in Altenessen anders aus. Wenn in einem halben Monat das 9-Euro-Ticket auf den Markt kommt, wird wohl ohnehin Vollgas angesagt sein, aber auch aktuell gibt es mit dem Fahr-Weiter-Ticket (6 Euro; sechs Stunden lang in ganz Westfalen gültig) und dem Einfach-Weiter-Ticket (6,80 Euro, sechs Stunden lang in ganz NRW gültig) günstige Alternativen – sofern man ein Abo für irgendeines NRW-Verkehrsverbunds besitzt, was bei mir dank des übertragbaren Abos meiner Freundin der Fall ist. Absolut Gold wert! Man muss nur immer darauf achten, wo genau die Grenzen von Westfalen enden, um zu wissen, welches Ticket man braucht, zumal das Einfach-Weiter-Ticket immer nur für eine Richtung gültig ist, während man mit dem Fahr-Weiter-Ticket in Westfalen kreuz und quer fahren kann. Gerade im Ruhrgebiet sind die Grenzverläufe für den Ortsfremden nicht sofort ersichtlich. Merken kann man sich aber: Auf der Hauptstrecke zwischen Dortmund und Duisburg verläuft die Grenze zwischen Wattenscheid und Essen. Für Fahrten nach Essen braucht man also ab Bielefeld für die Hin- und Rückfahrt zwei Einfach-Weiter-Tickets, was die Fahrt dadurch mehr als doppelt so teuer macht als beispielsweise nach Dortmund, wohin man nur ein Fahr-Weiter-Ticket benötigt. In diesem Fall ist das aber gut investiertes Geld, denn der Sportplatz am Kaiser-Wilhelm-Park lohnt sich. In Altenessen mit seiner Bergbau-Tradition bin ich sowieso immer gerne, weil Essens bevölkerungsreichster Stadtteil so typisch Ruhrgebiet ist. Mit Anna, Fritz-Heinrich, Carl und Vereinigte Helene & Amalie stehen gleich mehrere Zechen in Altenessen. Um ihren Arbeitern Erholung zu bieten, wurde 1897 der zehn Hektar große Kaiser-Wilhelm-Park angelegt. Kaiser Wilhelm I. hätte in dem Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert (wenn er nicht 1888 gestorben wäre). Zu dem Park gehörte einst ein großer Tanzsaal und ein Tiergehege mit Vögeln und Affen. Zeitweise musste für das Betreten des Parks sogar Eintritt gezahlt werden. Viel übrig geblieben ist davon nicht mehr. Lediglich die Reste des im Zweiten Weltkriegs zerstörten Kaiser-Wilhelm-Brunnens, der ein Bergmann und einen Hüttenarbeiter zeigt, wurden wieder aufgebaut. Direkt neben dem Park steht der nach ihm benannte Sportplatz des BV Altenessen, auf dem auch Spiele in der Kreisliga D stattfinden. Bei der handelt es sich um die frühere Essener Freizeitliga, die in den regulären Spielbetrieb eingegliedert wurde. Ein Aufstieg in die Kreisliga C ist zwar nicht möglich, aber die Meister der beiden Staffeln sowie der Sieger des eigenen Pokalwettbewerbs der Kreisliga D (Stefan-Hoppe-Pokal) qualifizieren sich für den Essener Kreispokal. Somit könnte es ein Team aus der Kreisliga D also theoretisch bis in den Europapokal schaffen. Passend zum Stadtteil und dem Kaiser-Wilhelm-Park, die beide ihre besseren Zeiten deutlich sichtbar hinter sich haben, präsentiert sich auch der Sportplatz, von dem es immer wieder heißt, dass er bald abgerissen werde. Die Tribüne ist schon seit Jahren mit einem Bauzaun abgesperrt und darf eigentlich nicht mehr betreten werden, aber daran hält sich niemand – erst recht nicht bei Spielen der Kreisliga D. Schön anzusehen ist sie, doch bei ihrem baufälligen Zustand weiß man nicht, ob zuerst das Dach einstürzt oder die vom Schimmel durchfressenen Stufen wegbröckeln. Sollte die Tribüne eines Tages verschwinden, sind zumindest auf der gegenüberliegenden Geraden immerhin zwei weitere Stehstufen vorhanden. Viel los ist bei den Spielen der Kreisliga D natürlich nicht und so fühlt sich eine Entenfamilie aus dem Kaiser-Wilhelm-Park so ungestört, dass sie sich immer wieder bis an die Eckfahne herantraut. Wie schon gestern in Bielefeld geht es nach Abpfiff in einer alten Duewag-Straßenbahn zurück zum Essener Hauptbahnhof, wo ich meinen Augen nicht traue, denn der ganze Bahnsteig ist voll mit Schalker Kutten. An einem Montag? Der schnelle Blick ins Internet verrät, dass die Knappen heute ihre Aufstiegsparty gefeiert haben. Das macht die Rückfahrt umso schöner, denn viele Schalker kommen aus Ostwestfalen und so eine Zugfahrt mit besoffenen Fußball-Assis ist immer lustig.