Karsamstag, 31. März 2018, 16.30 Uhr
San Benedetto del Tronto, Stadio Comunale Riviera delle Palme
Tag 4 der Italien-Tour führt mich zu
einer absoluten Perle, die schon lange ganz oben auf meinem Zettel
steht: Sambenedettese. Um ein Haar hätte die Lega Pro meinen Plan
noch durchkreuzt, denn ursprünglich sollte Samba erst um 20.30 Uhr
spielen. Vorgesehen war, um 14.30 Uhr noch bei Fano vorbeizuschauen,
was dann ein wirklich geiler Doppler gewesen wäre, doch der
Ligaverband legte das Samba-Spiel vor wenigen Tagen vor auf 16.30
Uhr. Ärgerlich, weil zu dem Zeitpunkt sämtliche Zugtickets schon
längst gekauft waren (auch bei der italienischen Bahn ist der
Frühbucherrabatt schwer in Mode), aber immerhin kann anhand der
vorhandenen Fahrkarten der Reiseplan so umgebaut werden, dass nur der
späte Nachmittagszug von Fano nach San Benedetto del Tronto für die Tonne ist. Da hält sich der finanzielle Schaden in Grenzen. Auch gut, dass somit mehr Zeit für die
Stadtbesichtigung bleibt, denn San Benedetto ist ein bekannter
Adria-Urlaubsort in der weniger bekannten Region Marche, die aus den
fünf Provinzen Ancona, Ascoli Piceno, Fermo, Macerata und
Pesaro-Urbino besteht. San Benedetto (knapp 50.000 Einwohner) gehört
zu Ascoli Piceno, womit auch klar ist, wer im Fußball der Erzfeind
von Samba ist. Dass Calcio in San Benedetto gelebt wird, obwohl der
Verein nie über die Serie B hinaus kam und er seit der Jahrtausendwende
aufgrund finanzieller Schwierigkeiten für lange Zeit in der
Versenkung verschwunden war, merkt man recht schnell. Besonders schön
ist das vom Balkon meiner Ferienpension zu sehen, die unweit des
Stadions direkt am Meer liegt (im März ist so etwas ja für einen Appel und ein Ei zu haben). Drei Stunden vor Anpfiff wird ein
Stuhl auf den Balkon gestellt, eine Flasche Peroni geöffnet und den
Leuten auf ihrem Weg zum Stadion zugeschaut. Schon lange vor dem
Spiel wird an der von unzähligen Palmen gesäumten Strandpromenade
(wir befinden uns hier an der sogenannten Riviera delle Palme)
gesungen – teilweise sogar dann, wenn die Leute alleine unterwegs
sind. Höhepunkt ist ein alter Opa, der auf seinem quietschenden Drahtesel im
Schneckentempo die Strandpromenade herunterfährt und wirklich
ununterbrochen Samba-Lieder grölt. Da bekommt man schon zum ersten
Mal Gänsehaut. Immer am Strand entlang geht es dann auch für mich
zum Stadio Riviera delle Palme, dessen Fassade schon eine klare
Ansage ist. An die Rückwand der Curva haben die Ultras nämlich in
riesigen Buchstaben „il tempio del tifo“ gemalt – das ist eine
klare Ansage. Überhaupt hebt sich das Stadion mit seinen vier
Schneckentürmen optisch sehr ab und wirkt wie eine kleine Ausgabe
des San Siro. Bevor es aber in den Tempel geht, gibt es noch etwas zu
lachen, denn da Samba mit der Schickeria befreundet ist, ist heute
auch eine Abordnung aus München vertreten. Dass die 15 Minuten vor
Anpfiff noch ohne Tickets vor dem Stadion steht und hektisch
herumtelefoniert, passt so gar nicht ins Bild. Muss ja eine intensive
Freundschaft sein... Im Stadion passiert dann das, was immer
passiert, wenn die Messlatte gigantisch hoch liegt: Man wird ein
wenig enttäuscht. Das soll nicht heißen, dass die Samba-Show
schlecht ist, aber irgendwie habe ich herausgerissene Bäume
erwartet. War aber vollkommen klar, dass die nicht kommen, zumal
Samba die Playoffs schon sicher hat und es hier sportlich eigentlich
um nichts mehr geht. Das gilt auch für Ravenna, das den üblichen
50-Mann-Mob mitgebracht hat, der die vollen 90 Minuten Alarm macht.
Trotzdem richtet sich der Blick fast das gesamte Spiel über auf die
Samba-Kurve, die die Augen natürlich zum Glänzen bringt. Das ist
das Italien, wie ich es mir immer vorgestellt habe, als ich hier noch
nie im Stadion war und die Kurven nur aus dem Supertifo-Magazin
kannte, das man sich damals in Stuttgart immer ganz exotisch bei den
internationalen Zeitschriften im Hauptbahnhof kaufen musste. Das hier
und heute ist Supertifo, wenn man sich alleine mal die Typen
anschaut, die da so bei Samba in der Curva stehen. Alleine schon dieser unglaublich hohe Altersschnitt, herrlich! Akustisch ist es
wie gesagt nicht der erwartete Hochgennuss, aber ich habe halt Wunder erwartet. Ganz neutral gesprochen muss man sagen: Das ist selbst im italienischen Vergleich immer noch oberes Drittel. Man kann schon
erahnen, was hier in den Playoffs los sein wird – der Teufel! So
richtig schön wird es dann noch mal nach dem Spiel: Ganz in Ruhe vor
dem Stadion ein Bier trinken und eine porchetta essen, die
Ultras beim Abwandern beobachten, wieder durch den Sand zurück zur
Unterkunft (wann hat man das mal?) und bis in die tiefe Nacht hinein
das dolce vita in einem der Strandrestaurants genießen.