Sonntag, 13. Oktober 2019, 10.30 Uhr
Wien, Slovan-Platz
Wien ist nicht nur Wien, sondern Wien ist auch Beč bzw. Bécs, wie die Stadt auf Tschechisch, Slowakisch, Serbokroatisch und Ungarisch heißt, denn als frühere Hauptstadt war sie der Mittelpunkt für alle Einwohner des Vielvölkerstaates Österreich-Ungarn – nicht nur für die deutschsprachigen. Seit Jahrhunderten leben hier daher Menschen aus allen Teilen des Habsburgerreiches, die es irgendwann aus den unterschiedlichsten Gründen nach Wien verschlagen hat und die die Identität der Stadt entscheidend mitgeprägt haben. Nicht ohne Grund sagt man: In Wien fängt der Balkan an. Auch im Wiener Fußball haben sie ihre Spuren hinterlassen und das gilt nicht nur für die unzähligen Aufkleber der Wiener Ableger der Ultras aus Belgrad oder Prag, die man an jeder Ecke sieht, sondern vor allem am SK Slovan Wien. Er wurde bereits 1902 von tschechischen Wienern gegründet und erreichte 1924 das österreichische Pokalfinale. Auch die Nazi-Zeit überlebte der Verein, auch wenn ihm die Gestapo jeden erdenklichen Stein in den Weg legte und man sich in AC Sparta Wien umbenennen musste. Bis 1966 war Slovan immerhin noch zweitklassig, ehe er in finanzielle Schwierigkeiten geriet. Das war übrigens schon einmal in den 1920er-Jahren passiert, als der Verein sein Stadion mit dem klangvollen Namen České srdce (tschechisches Herz) in Favoriten baute, sich damit aber finanziell übernahm. Das Grundstück musste schließlich verkauft werden, heute steht dort das Franz-Horr-Stadion von Austria Wien. 1976 musste Slovan schließlich mit dem Hütteldorfer AC fusionieren. Der Name von Slovan blieb zwar erhalten, doch seinen tschechischen Charakter ging durch die Fusion verloren. Heute ist der SK Slovan/HAC ein normaler Wiener Verein, der zwar auf einem netten Platz in schöner städtischer Lage spielt (nur einen Steinwurft entfernt vom Auto-Platz von Red Star Penzing), aber sich ja auch damit nicht von vielen anderen Vereinen der Stadt unterscheidet. Bekanntester Sprössling ist ohnehin kein Tscheche, sondern ein Türke: Ümit Korkmaz spielte hier in seiner Jugend und landete über die Station Rapid Wien in der deutschen Bundesliga. Ihm ist ein eigener Bereich im Vereinsheim gewidmet, wo die Trikots seiner bekanntesten Stationen hängen. Groß ist auch die Freude, dass die Partie überhaupt angepfiffen werden kann, denn in der ersten Halbzeit hängt noch tiefster Nebel hier über Wien-Ottakring.