Urartu FC - FC Ararat-Armenia Yerevan 0:1

Armenien, Bardsragujn chumb (1. Liga) 
Donnerstag, 30. Mai 2019, 18 Uhr 
Yerevan, Stadion Banants 


Neuer Tag, neues Land. Im Idealfall nimmt man mit Georgien, Armenien und Aserbaidschan gleich alle drei sogenannten Kaukasus-Staaten mit. In Aserbaidschan pausiert die Liga momentan jedoch, so dass wir uns nur auf Georgien und Armenien konzentrieren. Auf die Autofahrt von Tiflis nach Yerevan hatten wir uns schon im Vorfeld ganz besonders gefreut, denn da Google Maps für die 275 Kilometer eine reine Fahrtzeit von mehr als fünf Stunden ausspuckt, war schon klar, dass das keine 08/15-Strecke ist. So früh wie möglich holen wir also unseren Mietwagen in Tiflis ab. Statt einem namhaften Global Player haben wir uns mit Cars4Rent für einen lokalen Anbieter entschieden. Der wurde in mehreren Reiseberichten lobend erwähnt, außerdem erledigen die Jungs für einen vorab den ganzen Papierkram für den armenischen Grenzübertritt. Obendrauf ist in den Fahrzeugen – sofern man es hinzubucht – Internet verfügbar, was die Navigation einfacher macht. Zumindest in der Theorie. Das Internet entpuppt sich dann als uraltes Smartphone mit zersplittertem Display, das die ganze Zeit am Zigarettenanzünder angeschlossen sein muss und quasi als Wlan-Router fungiert. Erst eine halbe Stunde nach Abfahrt realisieren wir, dass es das jedoch nicht tut. Wir hatten uns komplett darauf verlassen, unser Schicksal in die Hände von Google Maps legen zu können, doch dazu werden erst einmal zeitaufwendige Telefongespräche mit der Mietwagenfirma notwendig. Man fordert uns schlussendlich zur Rückkehr zu Tiflis auf, um das Problem zu beheben, was zeitlich aber absolut nicht drin ist. Der Ton wird rauer, was schlussendlich dazu führt, dass die Firma noch einmal Datenvolumen auf das Handy lädt. Man hatte das offensichtlich einfach vergessen. Um es gleich vorweg zu nehmen: Cars4rent ist ein ziemlicher Saftladen. Die Karre ist steinalt, regelmäßig überhitzt der Motor, die Bremsen würden beim TÜV Schlaganfälle auslösen. Der Ärger sorgt dafür, dass wir dann einfach nur noch Yerevan als Ziel bei Google Maps eingeben und uns nicht weiter damit beschäftigen. Und so kommt es, dass die Fahrt noch abenteuerlicher wird als gedacht. Denn: Gerade einmal drei Grenzübergänge gibt es zwischen Armenien und Georgien. Ohnehin ist Georgien das einzige der vier Nachbarländer, zu denen Armenien eine geöffnete Grenze hat. Während die Route von Tiflis nach Yerevan über den Hauptgrenzübergang 275 Kilometer lang ist, gibt es eine abgelegene Route über einen kleineren Grenzübergang, die 274 Kilometer lang ist. Und jetzt ratet mal, welche Route Google Maps daher wählt. Uns kommt die Sache zunächst nicht spanisch vor, denn in Georgien ist Armenien grundsätzlich kein einziges Mal ausgeschildert. Doch als uns das Navi in einen unasphaltierten Feldweg führt, vor dem wirklich überhaupt kein Schild steht, wundern wir uns dann doch. Zwölf Kilometer geht es aufgrund der katastrophalen Straße maximal im Schritttempo weiter, wir brauchen für das Teilstück über eine halbe Stunde. Mehrmals diskutieren wir im Auto, ob wir umdrehen sollen, weil das hier niemals richtig sein kann, ehe wir plötzlich vor den beiden Grenzhäuschen stehen. Wir sind zwar mit allen nötigen Papieren ausgerüstet, dennoch dauert das Prozedere eineinhalb Stunden. Bezeichnend, dass wir in diesen eineinhalb Stunden das einzige Auto an der Grenze sind. Keiner will sonst nach Armenien oder Georgien. Die Zöllner sind nett und scheinbar froh, mal etwas zu tun zu bekommen. Verrückt geht es vor allem im armenischen Zollhäuschen zu. Dort bekommen wir unter anderem einen Schichtwechsel mit und werden von jedem der neuen Zöllner mit Handschlag begrüßt – als wären wir Kollegen. Dass hier keiner irgendeiner Fremdsprache wirklich mächtig ist, hindert die Jungs nicht daran, mit uns ständig Smalltalk führen zu wollen. Einer will wissen, woher aus Deutschland wir ungefähr kommen, und listet auf: „Berlin, Hamburg, Münschen?“ Als wir mit „Stuttgart“ antworten, fängt der Zöllner an zu grinsen, schlägt die Handflächen aneinander und ruft: „Aaahh, nix mehr Bundesliga!“ Das Relegationsspiel zwischen dem VfB und Union Berlin liegt gerade einmal drei Tage zurück – die Jungs sind also bestens informiert… Wichtig ist: Wenn man in Georgien ein Auto anmietet und damit nach Armenien fährt, genießt es dort keinen Versicherungsschutz. Man muss also an der Grenze eine Versicherung abschließen. Auch an diesem kleinen Grenzübergang steht gleich hinter dem Zollhäuschen ein kleiner Container, in dem man das machen kann. Kostet exakt 10 Euro. Landschaftlich wird es auf armenischer Seite dann noch ein Stück faszinierender als in Georgien. Besonders kurz vor Yerevan wird es spektakulär, als zum ersten Mal der Ararat am Horizont auftaucht. Er ist beeindruckende 5.137 Meter hoch und so etwas wie das Nationalheiligtum Armeniens, obwohl er auf türkischem Gebiet steht. Daran sieht man, wie nah Yerevan an der Türkei liegt. Die Stadtgrenze ist nur etwa 10 Kilometer von der türkischen Staatsgrenze entfernt, und auch bis zum Iran sind es nur noch rund 50 Kilometer Luftlinie. Der Ararat, auf dem die Arche Noah gestrandet sein soll, prägt ganz entscheidend das Stadtbild von Yerevan, weshalb gleich zwei Erstligisten aus der armenischen Hauptstadt den Namen des Berges im Vereinsnamen tragen. Einen davon sehen wir heute, nämlich den erst 2017 gegründeten FC Ararat-Armenia Yerevan, der bei einem Sieg an diesem letzten Spieltag automatisch Meister wird. Dass das so ist, hat damit zu tun, dass eine ungerade Anzahl an Mannschaften in der 1. Liga spielt, nämlich gerade einmal neun. Tabellenführer Pyunik hat ausgerechnet am letzten Spieltag spielfrei, Verfolger FC Ararat-Armenia Yerevan nur zwei Punkte Rückstand. Gastgeber Urartu ist zwar Tabellendritter, kann mit acht Punkten Rückstand zwar nicht mehr ins Meisterrennen eingreifen, hat aber nur einen Punkt Vorsprung auf Platz vier und muss somit um die Europapokal-Teilnahme bangen. Es ist also das Spiel des Jahres in der armenischen Bardsragujn chumb und so wundern wir uns auch nicht, als uns eine Stunde vor Anpfiff schon ein 50-köpfiger Gästemob mit Fahnen und Gesang auf der Straße entgegenkommt. Herzlich lachen muss man hingegen, als wir am Stadioneingang fragen, wo man hier Tickets kaufen kann, denn auch hier ist der Eintritt frei – und das bei so einem Spiel. Das Stadion ist gut gefüllt und eine Volkstanz-Einlage kurz vor dem Anpfiff unterstreicht den Stellenwert des Spiels. Vom Spiel an sich kann man das jedoch nicht sagen, mit Mühe und Not gewinnt der FC Ararat-Armenia Yerevan mit 1:0 und fährt somit wenig ruhmreich seinen allerersten Meistertitel ein. Der Verein existiert aber wie gesagt auch erst seit drei Jahren. Der Anhang des neuen Meisters bot zuvor nur sporadisch Support, der vom Stil her eher an die Türkei erinnerte – auch wenn das wohl das letzte Land ist, mit dem ein Armenier aufgrund des Völkermordes in Verbindung gebracht werden möchte. Bei Urartu gibt es mit den South West Ultras sogar eine organisierte Gruppe, die jedoch nur zwei kleine Fahnen aufhängt und das Spiel ohne weitere Anteilnahme anschaut. Nach dem Spiel und der kleinen Meisterfeier schauen wir uns noch ein wenig in Yerevan um. In der Stadt prallen heftige Gegensätze aufeinander, denn während der Stadtrand von heruntergekommenen Wohnblocks aus der Sowjetzeit geprägt wird, schießen im Stadtzentrum moderne Gebäude mit Glasfassade aus dem Boden. Yerevan macht den Eindruck, als könne man hier gut mehr als nur einen Abend verbringen – aber die Zeit haben wir leider nicht.