Österreich, Unterliga Kärntnen – Staffel West (5. Liga)
Freitag, 30. Juli 2021, 19.30 Uhr
Assling, "Theurl-Arena"
Ellmau war schon geil – aber heute wird es noch besser. Es geht über die Felbertauernstraße nach Osttirol, vorbei am Großglockner, dem höchsten Berg Österreichs. Wenn die Österreicher auf Schildern „Achtung, Bergstraße“ warnen, dann will das wirklich etwas heißen. Sobald einen der mautpflichtige Felbertauerntunnel (11 Euro; gleichzeitig die Grenze zwischen Salzburg und Osttirol) ausspuckt, wird es landschaftlich einfach nur traumhaft. Ich würde eigentlich sagen, dass das schon der Höhepunkt dieser Tour ist – würden in der kommenden Woche nicht die Adria und Temperaturen bis 37 Grad warten, was dann doch noch mehr mein Fall ist. Nach einem kurzen Rundgang durch das eher verschlafene Matrei und dem Spielen mit dem Gedanken, mit der Gondel hinauf auf 2.100 Meter Höhe zu fahren (was aber am Fahrpreis von 28 Euro scheitert – es scheint eine Geiz-Tour zu werden), geht es in die Osttiroler Hauptstadt Lienz (12.000 Einwohner), die sich selbst als Sonnenstadt bezeichnet. Ich würde sagen, dass Lienz eine Light-Version von Meran in Südtirol ist. Nicht ganz so pompös, aber ein ähnlicher Stil, viele Palmen und viel deutsch-italienische Zweisprachigkeit. Anders als in Südtirol hat letzteres hier aber damit zu tun, dass viele italienische Touristen in die Stadt kommen, denn etwa Udine ist nur 130 Kilometer entfernt. Eine italienischsprachige Bevölkerungsgruppe wie in Südtirol gibt es in Osttirol nicht. Noch näher als die italienischen Grenze liegt Assling, der heutigen Derby-Gegner von Rapid Lienz, wohin die Fahrt mit dem Auto von der Lienzer Altstadt exakt elf Minuten dauert. Wie gesagt ist Osttirol eine inneröstereichische Exklave, seitdem Südtirol nach dem Zweiten Weltkrieg Italien zugeschlagen wurde. Es gibt keine direkte Grenze mit dem Bundesland Tirol und seiner Hauptstadt Innsbruck. Dorthin kann man entweder nur kompliziert über die Felbertauernstraße fahren – oder aber über italienisches Staatsgebiet. Osttirol orientiert sich daher in vielen Bereich nicht in Richtung Tirol, sondern Kärnten, das sich gleich östliche anschließt und insbesondere durch das Drautal unkompliziert zu erreichen ist. Die Osttiroler Fußballvereine gehören daher nicht zum Tiroler, sondern zum Kärntner Fußballverband. In der Kärtner Liga ist derzeit keiner von ihnen vertreten, in der fünftklassigen Unterliga aber immerhin fünf – von insgesamt 14 Vereinen in der Liga. Treffen die Osttiroler Vereine aufeinander, ist das natürlich immer etwas Besonderes, erst recht wenn es sich dabei um Rapid Lienz handelt. Der Osttrioler Hauptstadtclub hatte seine große Zeit in den 1970er-Jahren, in denen er überwiegend in der 2. Liga spielte und in der Saison 1975/76 das österreichische Pokal-Halbfinale erreichte, dort aber ausgerechnet an Wacker Innsbruck (in Spielgemeinschaft mit Swarovski Wattens) scheiterte. Ende der 90er schafften es die Rapidler zumindest noch einmal in die Regionalliga, mussten jedoch im Jahr 2000 Konkurs anmelden. Kurz darauf wurde der Verein neu gegründet, nun als FC Rapid statt als SV Rapid. Inzwischen ist man jedoch zum alten Namen zurückgekehrt, führt aber offiziell noch den Zusatz „Sonnenstadt“, um sich vom alten SV Rapid zu unterscheiden. Ein typischer Dorfverein ist dagegen die Spielgemeinschaft aus Thal und Assling aus dem Pustertal. Das gehört größtenteils zu Italien und beginnt in Bressanone/Brixen. Der östliche Teil bis Lienz befindet sich aber auf österreichischem Gebiet. Direkt am Sportplatz von Assling vorbei führt die Bahnstrecke von Lienz nach Fortezza/Franzenfeste, auf der durchweg italienische Züge im Einsatz sind, so dass hier doch ein kleines Stücken stile di vita über den Platz weht. Ansonsten geht es aber durchweg zünftig österreichisch zu, wenngleich es einfach kurios ist, dass zwei Tiroler Vereine in einer Kärtner Liga gegeneinander antreten – auch wenn das schon seit 100 Jahren so praktiziert wird. Wie angekündigt finden am Einfang strikte 3G-Kontrollen statt, was sicherlich den ein oder anderen Zuschauer kostet. Da auch das Wetter schlechter nicht sein könnte, ist mit Sicherheit weniger los als sonst bei diesem Derby, aber immerhin 300 Zuschauer sind es dann doch. Rapid Lienz hat leider keine organisierte Fanszene (dafür ist die Stadt dann doch zu klein), Thal und Assling erst recht nicht, dennoch gehen die Leute ganz gut mit. Auch die Spieler bejubeln jedes Tor wie einen Pokalsieg und das „Derbysieger, Derbysieger“-Tänzchen nach Abpfiff wird sehr ausschweifend praktiziert. Da muss man fast aufpassen, dass die Baumstämme vom Holzlager des Hauptsponsors, dessen Sitz sich gleich oberhalb des Sportplatzes befindet, nicht hinunterpurzeln. Ich verdrücke mich dagegen nach Abpfiff noch einmal in die Lienzer Innenstadt, in der es allabendlich eine kulinarische Tradition gibt, die man sowohl aus Italien als auch aus Österreich kennt: der Nachtimbiss. Für den Foodtruck wird in Lienz sogar bis 4 Uhr nachts ein eigener Bereich auf dem großen Parkplatz nahe des Bahnhofs freigehalten.