Deutschland, Testspiel
Sonntag, 16. August 2020, 15 Uhr
Harsewinkel, Moddenbachstadion
Wir bleiben im Landkreis Gütersloh und fahren mit einem guten Zeitpuffer im Rücken weiter nach Harsewinkel (25.000 Einwohner). Vor dem Spiel ist damit ein Spaziergang durch den kleinen Stadtkern noch locker drin. Ziemlich eintönig, was wir dort sehen: Fast alle Gebäude haben eine rote Klinker-Fassade – für mich der Inbegriff von Tristesse. Für die wenigen Farbtupfer im Stadtbild sorgen lediglich die lokalen Arminia-Ultras. Immer wieder interessant zu sehen, wie stark die Arminia in der ostwestfälischen Provinz präsent ist, während man in vielen Teilen von Bielefeld wenig oder gar nichts von ihr sieht. Die lokale Alternative wäre in Harsewinkel die Turn- und Sportgemeinschaft, die sich Ende der 1960er-Jahre tatsächlich gerne auf Augenhöhe mit der Arminia gesehen hätte. Da übernahm der in Harsewinkel ansässige Landmaschinen-Konzern Claas (Marktführer in Europa) mit seinem Geschäftsführer Emil Frank den Verein und wollte ihn „so nah wie möglich an die Bundesliga bringen“. Emil Frank, ein irrer Typ, der sich nach einer Werbekampagne mit sparsam bekleideten Mädels den Spitznamen Porno-Emil einhandelte. Wenig überraschend ging die Sache nicht so ganz glatt: Porno-Emil und Konzern-Chef Walter Claas wurden bereits 1971 vom Verband gesperrt, da sie Spielervermittlern hohe Prämien gezahlt und somit gegen das Vertragsspielerstatut verstoßen hatten. Der TSG Harsewinkel gelang in jener Saison dennoch der Aufstieg in die damals drittklassige Verbandsliga. Noch bis 1980 konnte man sich – nach mehreren Ab- und Aufstiegen – in der dann eingeführten Oberliga halten, ehe man sich von der Bundesliga so weit wie möglich entfernte. Inzwischen spielt die TSG Harsewinkel in der Kreisliga B. Eine Fanszene ist aus den erfolgreichen 1970ern nicht übrig geblieben, aber immerhin hängt heute eine kleine Zaunfahne in den Vereinsfarben Orange und Schwarz im Moddenbachstadion. Das wurde 1966 gebaut, also kurz vor der Phase, in der der Claas-Konzern einstieg. Gemütliches Stadion – mit einer sehr vielsagenden Werbebande. Hier wirbt nämlich der örtliche Rewe-Markt explizit damit, bis 21 Uhr geöffnet zu haben. Mehr Provinz geht nicht.