Mittwoch, 5. September 2018, 19 Uhr
Stuttgart, Waldaustadion
Ich muss ehrlich zugeben, dass ich
nicht so wirklich traurig über den Abstieg der Kickers in die
Oberliga war. Mag es noch so bitter sein, in 17 Jahren von der 2. in
die 5. Liga durchgereicht zu werden – allein diese Tatsache sollte
zu denken geben, dass in diesem Verein ganz massiv irgendetwas nicht stimmt. Meine
Hoffnung daher: Der Abstieg in die Oberliga ist der Schuss vor den
Bug, der Anlass gibt, endlich einmal die Strukturen und eigene
Ausrichtung zu hinterfragen. Als die Vereinsführung aber schon kurz
nach dem Abstieg bekanntgab, einen Rücktritt kategorisch
auszuschließen, weil man (mal wieder) keine persönliche Schuld am
Desaster feststellen könne, war schon wieder klar, wie der Wind
weht. Drei der sechs Aufsichtsratsmitglieder sind seit 2005 bzw. 2006
im Amt und können keine persönliche Schuld daran feststellen, dass
der Laden seit Jahren den Bach runtergeht? Der nächste Knaller der
Überheblichkeit ließ in der Sommerpause aber nicht lange auf sich
warten. Statt also die Dinge auf den Prüfstand zu stellen und sich
mal ein wenig in Demut zu üben, erklärt man sich allen Ernstes zum „FC
Bayern Kickers“ der Oberliga. Auf so einen Blödsinn muss man erst
einmal kommen! Bisherige Bilanz an Stuttgarts Säbener Straße: vier Spiele, vier Punkte und obendrauf bereits im Württembergpokal rausgeflogen. Wahrscheinlich müssen die Kickers tatsächlich
erst bis in die Verbandsliga absteigen, damit sich etwas ändert.
Aber auch dort würde man den Wink mit dem Zaunpfahl wohl nicht
verstehen und sich stattdessen zu Real Madrid erklären. Umso
erstaunlicher ist es, dass die Waldau noch immer nicht leergespielt
wurde. 2.530 Zuschauer waren es beim ersten Oberliga-Heimspiel gegen Nöttingen,
2.310 anschließend gegen Göppingen. Und heute gegen das Tabellenschlusslicht aus
Schwäbisch Gmünd sind es auch wieder 2.390. Die Frage ist, wie hoch
dabei jeweils der Anteil der Gästefans ist, denn natürlich ist das
Auswärtsspiel auf der Waldau für viele der Saisonhöhepunkt, bei
dem man mal quasi etwas Profifußball-Luft schnuppern kann. Doch
statt den Gästefans diese 90 Minuten auskosten zu lassen, zeigen
sich die Kickers von ihrer „gastfreundlichen“ Seite und lassen
die ganze Saison über – außer natürlich Anfang Dezember gegen
Reutlingen – den Gästeblock geschlossen. Da auch der andere
Hintertor-Block aus Kostengründen nun größtenteils geschlossen
bleibt, haben die Gästefans nur zwei Möglichkeiten: für 22,50 Euro auf
die Haupttribüne gehen oder aber sich irgendwo auf die Gegengerade neben den Heimblock stellen.
Nett. Tatsächlich entscheidet sich freilich bei jedem Gastverein ein Teil
für die Haupttribüne und der andere Teil für die Gegengerade, so dass die in der Regel unorganisierten Gästefans das
Spiel nicht als Einheit schauen können. Selbst bei Normannia Gmünd,
wo es zumindest ein zartes Pflänzchen von Fankultur gibt, bekommt
man das nicht hin und teilt sich somit auf zwei Bereiche im Stadion auf. Neben dem Heimblock wird
sogar eine Zaunfahne am Wellenbrecher aufgehängt (schön im
Italo-Style!), vor die sich dann aber recht schnell gedankenlose
Heimfans stellen, was die Notwendigkeit eines geöffneten Gästeblocks
nur unterstreicht. Zum Stuttgarter B-Block muss man hingegen nicht viel
sagen. Es wird wirklich von Jahr zu Jahr trauriger. Ideenlos und emotionslos. Da zeigen die Kickers nach einem komplett
verhauenen Saisonstart zum ersten Mal Feuer, gewinnen 4:0, führen
bereits nach sieben Minuten – und nach 15 Minuten gibt es schon die
ersten längeren Support-Pausen. Zu keiner Zeit liegt ein Knistern in
der Luft, obwohl Fluchtspiele mit so einem Spielverlauf dazu
prädestiniert sind. Auch da hat der Abstieg nicht für den
gewünschten Lerneffekt gesorgt.