Samstag, 8. September 2018, 18.30 Uhr
Strasbourg, Stade du Bruckhof
Nachmittags ein Spiel in Südbaden,
abends ein Spiel im Elsass – das ist die Formel des Glücks.
Angewendet wurde sie schon eine Weile nicht mehr, heute aber ist es
endlich wieder soweit. Dass das elsässische Spiel der Wahl auch noch
mitten in Strasbourg stattfindet, freut mich umso mehr, denn in den
Städten macht es immer ein wenig mehr Spaß, weil sie deutlich
französischer sind als die elsässischen Dörfer. Dazu handelt es sich in diesem
Fall um ein waschechtes Derby im Osten von Strasbourg,
denn die Plätze beider Vereine liegen nur 1.000 Meter Luftlinie
auseinander. Sie sind dazu die beiden Plätze der Stadt, die am
nähesten an der deutschen Grenze liegen. Das Stade Émile Stahl von
Vauban hat dabei knapp die Nase vorn: 2,1 km sind es von ihm bis zur
Grenzbrücke Pont de l'Europe, 2,4 km vom Stade du Bruckhof des AS
Neudorf. Dafür ist der Stadtteil Neudorf wichtiger für die
Fußballgeschichte der Stadt, denn 1906 – als das Elsass noch zu
Deutschland gehörte – wurde hier Racing Strasbourg gegründet. Der
Verein nannte sich in seinen Anfangsjahren daher auch Fußball-Club
Neudorf. Als das Elsass nach dem Ersten Weltkrieg wieder an
Frankreich fiel, versuchte die französische Regierung, alle
deutschen Spuren so gut es geht zu beseitigen. Da auch der FC Neudorf
zu deutsch klang, musste er sich 1919 umbenennen. Er wählte seinen
neuen Namen in Anlehnung an den damals sehr erfolgreichen Racing Club
de Paris, der 1907 französischer Meister wurde. Ohnehin hatte der FC
Neudorf bereits 1914 den Stadteil verlassen und war ein paar Meter
weiter in den Hämmerle-Garten im Nachbarstadtteil Meinau gezogen.
Auf dem ehemaligen Garten steht heute das Stade de la Meinau. Der
1925 gegründete AS Neudorf aus dem Osten des Stadtteils steht jedoch
in keiner Verbindung mit dem FC Neudorf, dessen Platz sich vor dem
Umzug in die Meinau an der heutigen Rue d'Erstein und damit am genau
entgegengesetzten Ende von Neudorf befand. Das Stade du Bruckhof
werden hingegen alle kennen, die ab und zu mal in Strasbourg sind,
denn man fährt direkt an ihm vorbei, wenn man von der Innenstadt
nach Kehl fährt. Der Ausbau ist denkbar unspektakulär, dafür
bekommt der extrem qualmende Merguez-Grill absolute Spitzennoten.
Kein Vergleich mit der Merguez kurz zuvor in Lahr. Auch das Publikum
ist wieder sehr strasbourg-typisch, geschätzt 90 Prozent Migranten
auf und neben dem Kunstrasen. Französische Rap-Musik aus dem Handy,
permanenter Gras-Geruch, Nackenklatscher, fils de put – ich liebe
diese Seite Frankreichs! Ein Blick auf die Sozialbauwohnungen rund um
das Stade du Bruckhof macht aber ohnehin eindrücklich klar, wo man
gelandet ist. Nicht unterm Eiffelturm. Neudorf ist zwar kein
Problembezirk wie die beiden berüchtigten Stadtteile Neuhof und
Hautepierre, gilt aber dennoch als sozialer Brennpunkt – und das
bedeutet ja in Frankreich wirklich etwas anderes als in Deutschland.