Berliner SV – FC Hertha Berlin II 7:1

Deutschland, Bezirksliga Berlin – Staffel 1 (8. Liga)
Sonntag, 29. Mai 2022, 11.45 Uhr
Berlin, Stadion Wilmersdorf
 

Hallelujah! Dass die Jungs vom Berliner SV kurz vor Anpfiff doch noch Tore aufbauen und Linien im Stadion Wilmersdorf ziehen, bringt den Puls gehörig nach unten – schließlich ist das hier die Hauptattraktion des Tages. Und dafür geht es tief hinein in die deutsche Fußballgeschichte. Hinter dem Berliner SV verbirgt sich nämlich der 1892 gegründete Berliner Thor- und Fußball-Club Britannia, der 1900 zu den Gründungsmitgliedern des DFB gehörte und damit ein Urgestein des deutschen Fußballs ist. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs, als die Stimmung in Deutschland antibritisch wurde, legte er das Britannia ab und nennt sich seither nur noch Berliner SV von 1892. Bereits seit 1909 siedelte er sich mit seinem Britannia-Platz in etwa an der Stelle an, an der heute das Stadion Wilmersdorf steht. Auf dem Areal fand bei den Olympischen Spielen 1936 auch Feldhandball statt. Im Zweiten Weltkrieg wurde es komplett zerbombt, doch schon ab 1947 wurde hier Berliner Trümmerschutt abgeladen, aus dem das heutige Stadion Wilmersdorf entstand, das 1951 eingeweiht wurde. 50.000 Zuschauern bot es einst Platz – Wahnsinn! Gebraucht wurde diese Größe nie, denn selbst in seinen erfolgreichsten Zeiten lockte der BSV meist nur eine vierstellige Zuschauerzahl an. Der Rekord wurde am 10. März 1951 mit 19.500 Zuschauern bei einem Heimspiel des BSV gegen TeBe Berlin aufgestellt. Damit war das Stadion nicht mal zur Hälfte gefüllt. Die Kurven wurden somit zu pflegeleichteren Graswällen umfunktioniert und 1984 folgte das Anlegen eines Weinbergs in der Nordkurve, der das Stadion Wilmersdorf heute so berühmt macht. Man wundert sich, dass so weit im Norden überhaupt Wein gedeiht, aber mit der Wilmersdorfer Rheingauperle hat man eine eigene Sorte kreiert, die widerstandsfähig genug ist. Angeblich werden pro Jahr 400 Kilo Trauben in dem Stadion-Weinberg geerntet, woraus etwa 200 Liter Wein gewonnen werden können. Leider gibt es ihn nicht bei Heimspielen des BSV am Getränkestand, obwohl das wirklich hervorragendes Marketing wäre. Die Zuschauerkapazität liegt heute bei offiziell 5.000, wobei man abgesehen von der Haupttribüne, einem kleinen Rest der Stehränge auf der Gegengeraden und natürlich dem Weinberg alles sich selbst bzw. der Natur überlässt. Es völlig über sich ergehen lassen es auch die Gäste vom FC Hertha II, die sang- und klanglos mit 1:7 untergehen. Viel Arbeit für den Meister mit der originalen Berliner Schnauze, der die kleine Anzeigentafel von Hand betreibt. Freude über die Tore und Ärger über die Arbeit an der Anzeigentafel liegen da ganz nah beieinander, was in einer Art und Weise kommentiert wird, wie es das wohl nur in Berlin jibt.