DSC Arminia Bielefeld – FSV Gütersloh 0:1

Deutschland, 2. Frauen-Bundesliga – Staffel Nord (Frauen, 2. Liga)
Mittwoch, 28. April 2021, 18.30 Uhr
Bielefeld, Sportplatz Postheide
 

Nicht mal im Traum wäre ich vor 2020 auf die Idee gekommen, den Spielplan der Arminia-Frauen zu checken. Dabei kommt man auf dem Weg zur geplanten Bielefeld-Komplettierung gar nicht an ihnen vorbei, denn sie sind die einzige Mannschaft, die den Sportplatz Postheide im Stadtteil Windflöte nutzt. Eigentlicher Hausherr ist die erst 1986 gegründete Fortuna Windflöte, die jedoch schon seit Jahren nicht mehr am Spielbetrieb teilnimmt und zuletzt 2016 eine Altherren-Mannschaft stellte. Bis 2017 nutzte auch der TuS Senne 1 den Sportplatz Postheide als Ausweichplatz, was dann aber durch die Fertigstellung seines neuen Kunstrasenplatzes am Waldbad (der als der engste Platz Ostwestfalens gilt) nicht mehr notwendig wurde. Der Sportplatz in Windflöte schien anschließend in einen Dornröschenschlaf zu fallen, es war sogar schon von Abriss die Rede. Ein Glück, dass 2016 die Arminia-Frauen in die 2. Bundesliga aufstiegen, in der sie nicht mehr ihren angestammten Sportplatz Stadtheide in BI-Mitte nutzen konnten. Zunächst wurde ins selten bespielte Waldstadion im Stadtteil Quelle ausgewichen, ehe die Arminia 2019 einen Pachtvertrag mit der Stadt Bielefeld abschloss und den Sportplatz Postheide für 15 Jahre mietete. Der Ascheplatz wurde für die stattliche Summe von 500.000 Euro frauenzweitligatauglich gemacht, bekam einen Kunstrasenbelag und einen Sponsornamen und ist seitdem die Heimstätte der Arminia-Frauen. Ein Besuch dort ist schon seit Wochen geplant, ich wollte mich aber unbedingt bis zum Derby gegen den Frauensportverein aus Gütersloh gedulden – zumal an einem Mittwoch gespielt wird. Da hat man ja im Lockdown noch weniger zu tun als ohnehin schon. Da ein Teil meiner Freizeitbeschäftigung im Lockdwon daraus besteht, kleine Wanderungen durch einzelne Bielefelder Stadtteile zu unternehmen und dabei ein wenig ihre Besonderheiten und Geschichte zu ergründen, bin ich erst vor wenigen Tagen durch Windflöte spaziert und habe dabei auch den Sportplatz Postheide bereits genau unter die Lupe genommen. Das Geschenk ist also schon ausgepackt, einen Überraschungseffekt gibt es in keinster Weise, aber so ist das halt im Lockdown: Man bauscht für sich selber kleine Dinge auf, macht den Sportplatz Postheide mit seinen zwei Stehstufen gedanklich zum Camp Nou und freut sich schon seit Tagen so sehr auf dieses Spiel, dass man doch mal wie ein Kind an Heiligabend vorher durchs Schlüsselloch schauen muss. Wenigstens bot das auch die Gelegenheit, diesen irgendwie seltsamen Stadtteil von Bielefeld näher zu ergründen, der ganz im Süden an der Stadtgrenze zu Gütersloh liegt. Seltsam deshalb, weil er etwas abgelegen zwischen Feldern und Pferdekoppeln liegt, eigentlich so ein richtiges Kuhdorf sein müsste, aber fast nur aus mehrgeschossigen Plattenbauten besteht. Komplett surreal. Windflöte (heute 4.600 Einwohner) war einst eine dieser kleinen, verstreuten Siedlungen in der Sand-Landschaft Senne, die während der französischen Besatzung unter Napoleon zu mehreren großen Gemeinden zusammengefasst wurden. Ganz im pragmatischen Sinne der Französischen Revolution bekamen diese Gemeinden einfach nur den Namen „Senne“ und wurden durchnummeriert. Senne 1 und Senne 2 wurden dann in den 1970er-Jahren nach Bielefeld eingemeindet. Senne 2 wurde dabei in Anlehnung an die dort entstandene Großwohnsiedlung in Sennestadt umbenannt. Senne 1 mit den Stadtteilen Buschkamp, Windelsbleiche und Windflöte bekam den Namen Senne. Mit dem TuS Senne 1, der nach wie vor den alten Namen trägt, gibt es einen Verein, der alle drei Stadtteile vertritt, was dann auch erklärt, warum er lange Zeit den Sportplatz in Windflöte als Ausweichplatz nutzte und warum es dort mit der Fortuna nur so kurz einen eigenen Verein gab. Jetzt ist dort aber nur noch Arminia angesagt. Die Frauen scheinen sich dabei zu einem Liebhaber-Ding der Fanszene entwickelt zu haben, zumindest für die 1995 gegründete Gruppe Boys, wie man am Umfeld des Platzes unschwer erkennen kann. Alles voller Aufkleber der Boys, wobei mir dabei besonders der Spruch „Niemand erobert die Postheide“ gefällt – in Anlehnung an den Arminia-Slogan „Niemand erobert den Teutoburger Wald“. Wenig überraschend sind Mitglieder der Boys als Ordner bei den Heimspielen der Arminia-Frauen im Einsatz, was dann auch erklärt, wie heute das Spruchband „Holt den Derbysieg“ an das Stankett neben dem Tor gekommen ist. Man selbst muss dagegen erst einmal einen Corona-Test am Eingang machen, um den Sportplatz betreten zu dürfen. Üblich ist das nicht; die Arminia ist meines Wissens nach der einzige Verein im Frauenfußball in Deutschland, der das so macht. Aber gut: Stäbchen rein und dabei sein. Sportlich ist die heutige Partie nicht uninteressant. Zum einen ist da die Derby-Situation, denn die Stadtgrenze zu Gütersloh ist nur wenige Hundert Meter von der Postheide entfernt. Wobei man dazusagen muss, dass der FSV Gütersloh seine Heimspiele gar nicht in Gütersloh austrägt, sondern in der Tönnies-Arena in Rheda. Zum anderen ist da aber auch die sportliche Entwicklung bei der Arminia. Nach dem enttäuschenden 0:0 beim Tabellenvorletzten VfL Wolfsburg II vor drei Wochen, bei dem ich ja ebenfalls dabei war, wurde Trainer Markus Wuckel entlassen. Das ist insofern eine echte Nachricht, weil der frühere DDR-Nationalspieler, der von 1993 bis 1995 für die Herren von Arminia Bielefeld gespielt hat und mit ihnen in die 2. Bundesliga aufstieg, bereits seit 2004 Trainer der Arminia-Frauen war. Wenn man nach 17 Jahren den Trainer rausschmeißt, ist das ein klares Zeichen dafür, wie sehr der Baum brennt. Trotz Trainerwechsel gibt es heute gegen den Tabellenführer aus Gütersloh nichts zu holen, auch wenn man das 0:0 immerhin bis zur 70. Minute halten kann. Der FSV Gütersloh scheint damit dem Aufstieg in die Bundesliga immer näher zu kommen, allerdings ließ der Verein bereits über Umwege verlauten, das Aufstiegsrecht nicht wahrnehmen zu wollen. Das sagt viel über den Zustand des Frauenfußballs aus, wenn ein Verein nicht aus der 2. Bundesliga aufsteigen will.


























1.FC Köln – FC Ingolstadt 4:0

Deutschland, 2. Frauen-Bundesliga – Staffel Süd (Frauen, 2. Liga)
Mittwoch, 21. April 2021, 11 Uhr
Köln, FC-Sportpark am Geißbockheim – Platz 7 

„Wollen Sie mit mir deutscher Meister werden?“ Mit dieser etwas weltfremd anmutenden Frage warb Franz Kremer nach dem Zweiten Weltkrieg bei verschiedenen Kölner Fußballvereinen für eine Fusion. Weltfremd deshalb, weil Kremer Vorsitzender des Kölner BC war, der damals nur drittklassig war. Und das zeigt dann auch schon das Dilemma, in dem sich der Kölner Fußball in jener Zeit befand: Die größte Stadt des späteren Nordrhein-Westfalens spielte im deutschen Fußball keine Rolle. Gegen die Vereine aus dem Ruhrpott und vor allem aus Süddeutschland hatte bis dato kaum jemand eine Chance. Kremer wollte das ändern – und stapelte so hoch wie möglich. Denn ein neuer Kölner Großverein sollte sich nicht nur in der 1. Liga etablieren, sondern sogar um den Titel mitspielen. Mit der damals zweitklassigen Spvgg Sülz fand Kremer dann tatsächlich einen willigen Fusionspartner, der verrückt genug war, sich auf dieses Experiment einzulassen, und so entstand 1948 aus dem Kölner BC und der Spvgg Sülz der 1.FC Köln. Schon der neue Name war eine Kampfansage, denn weder war man der älteste noch der zu dem Zeitpunkt erfolgreichste Verein der Stadt. Der „Eff Zeh“ übernahm den Startplatz der Spvgg Sülz in der zweitklassigen Rheinbezirksliga, stieg prompt in die Oberliga West auf und belegte dort durchweg einstellige Tabellenplätze. Kremer war mit seiner Vision damit aber noch nicht am Ende. Ihm war klar, dass sich der deutsche Fußball professionalisieren wird, und sagte die Gründung einer Bundesliga voraus. Diesen Wissensvorsprung nutzte er wie kein anderer Vereinspräsident in Deutschland, um den 1.FC Köln darauf vorzubereiten – mit aller Macht. Denn innerhalb des Vereins galt Kremer als autoritär und wenig zimperlich, weshalb man ihn oft nur „der Boss“ nannte. Doch Kremer hatte zumindest sportlich alles richtig gemacht: 1962 wurde der „Eff Zeh“ zum ersten Mal deutscher Meister. Ein Jahr später – die letzte Saison vor Gründung der Bundesliga – erreichte er erneut das Endspiel um die deutsche Meisterschaft (ausgetragen wurde dieses allerletzte Endspiel übrigens im Stuttgarter Neckarstadion), unterlag dort aber knapp Borussia Dortmund. Es folgte 1964 in der Premieren-Saison der Bundesliga der erneute Meistertitel für den 1.FC Köln. Um ein Haar wären es also drei Meistertitel in Folge geworden. Als Symbol dieser erfolgreichen Zeit gilt das Geißbockheim; gebaut auf der Anlage der Spvgg Sülz, benannt nach dem Tier, das dem Verein 1950 von einer Zirkusdirektorin bei einer Karnevalssitzung überreicht wurde und das fortan zum Maskottchen wurde. Auch das Geißbockheim war eine Vision Kremers, der für den Bau bereits seit 1949 von den Zuschauereinnahmen jedes Heimspiels 10 Prozent auf ein Sonderkonto legte. Zu dem Komplex gehört auch das 1971 fertiggestellte Amateurstadion, das 1977 (zehn Jahre nach Kremers Tod) in Franz-Kremer-Stadion umbenannt wurde und für das „der Boss“ noch selbst die Pläne angefertigt haben soll. Das Geißbockheim bot den Spielern des 1.FC Köln damals professionelle Bedingungen wie auf keinem anderen Vereinsgelände in Deutschland und hat einen erheblichen Anteil an der Dominaz des „Eff Zeh“ zu Beginn der 1960er-Jahre. Müsste man eine Liste machen mit den zehn bedeutendsten Bauwerken der deutschen Fußballgeschichte, dann wäre das Geißbockheim in jedem Fall dabei. Und so bin ich froh, dieses Kapitel der deutschen Fußballgeschichte einmal aus nächster Nähe zu erleben, denn neben den Jugendmannschaften spielen auch die Frauen des 1.FC Köln am Geißbockheim. Die befinden sich allerdings erst seit 2009 unter dem Dach der 1.FC Köln und spielten zuvor als FFC Brauweiler Pulheim, der wiederum im Jahr 2000 aus dem SV Grün-Weiß Brauweiler (deutscher Meister 1997) herausgelöst wurde. Die Stammbäume der deutschen Frauen-Vereine sind ja oft so eine Sache für sich. Eine Sache für sich ist auch die Anstoßzeit, denn an einem stinknormalen Mittwoch hätte vor Corona mit Sicherheit kein Anstoß um 11 Uhr stattgefunden. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit ist das aber kein Problem und da unsereins in diesen langweiligen Zeiten ja sowieso nicht weiß, wie man seine Urlaubstage unterbringen soll, ist auch das kein Problem. Ebenso wenig wäre der Spielort vor Corona kein Grund gewesen, das Haus schon um 6.30 Uhr morgens zu verlassen, denn das Heimspiel des einzigen NRW-Vereins in der Süd-Staffel der 2. Frauen-Bundesliga wird spontan vom Franz-Kremer-Stadion auf Platz 7 des FC-Sportparks am Geißbockheim verlegt. Tatsächlich ist das allein der Grund, überhaupt nach Köln zu fahren, denn das Franz-Kremer-Stadion ist ja schon längst in der eigenen Ground-Sammlung eingetütet. Wäre vor Corona zwar kein großer Anreiz gewesen, aber jetzt muss man ja nehmen, was man kriegen kann. Die Anreise vom Kölner Hbf bis zum Geißbockheim erfolgt mit der legendären Straßenbahnlinie 18, die heute aber nicht bis nach Istanbul, sondern nur bis zum Klettenbergpark fährt. Von dort sind es noch rund 15 Gehminuten quer durch Sülz, der eigentlichen Heimat des „Eff Zeh“. In einer Kneipe in der Luxemburger Straße, an der sich auch die Haltestelle Klettenbergpark befindet, fand 1948 die offizielle Vereinsgründung statt. Eine eher ruhigere, aber doch urbane Ecke von Köln. Das Geißbockheim und der dazugehörige Sportpark stehen dann am Rand von Sülz in einem Grüngürtel, der dem Verein ein bisschen das Leben schwer macht. Denn was einst ein Vorteil war, ist heute ein Nachteil: Das Geißbockheim und sein Sportpark sind in die Jahre gekommen und gelten als veraltet. Einer Expansion in diesem Grüngürtel steht jedoch der Naturschutz entgegen und so hat der 1.FC Köln seit geraumer Zeit damit zu tun, Bedenken auszuräumen, um endlich die notwendige Modernisierung und Erweiterung umzusetzen. Fußball-Romantiker haben dafür jetzt noch die Gelegenheit, das angestaubte Geißbockheim mit seinem 50er-Jahre-Charme in seiner ursprünglichen Form zu sehen, wovon ich natürlich Gebrauch mache. Zumindest so gut es geht, denn das Club-Restaurant ist aktuell natürlich geschlossen. Das Geißbockheim-Spotting ist zugleich der fußballerische Höhepunkt des Tages, denn der ausbaulose Platz 7 des Sportparks ist eigentlich keiner Rede wert. Mehr in Erinnerung wird da schon die Kölner Abwehr-Chefin Peggy Nietgen bleiben. Die frühere Junioren-Nationalspielerin aus der Talentschmiede von Turbine Potsdam spielt ungewohnt körperbetont, hat aber auch die nötige Statur dafür. Man könnte sagen: Oberschenkel wie Flutlichtmasten. Macht wirklich Spaß, der zuzuschauen, weil das mal ein ganz anderer Stil ist als das, was man sonst so im Frauenfußball zu sehen bekommt. Ungewöhnlich ist auch, dass auf FC-Seite zwei Zaunfahnen hängen – von der sogenannten Sektion Frauenfußball, die mit zwei Personen von draußen zuschaut, aber nicht supportet. Mit Abpfiff ist dann das Thema Fußball für heute aber erledigt, also bereits um kurz vor 13 Uhr. In Köln gilt zwar neuerdings eine Ausgangssperre ab 21 Uhr, die Zeit bis dahin will aber noch genutzt werden, wenn man schon mal in einer der lebhaftesten Städte Deutschlands ist. Klar, die Kneipen und Geschäfte sind dicht, dafür aber die Kioske weiter geöffnet – und mit den richtigen Leuten (ein ganz besonderer Gruß an dieser Stelle an den Wander- und Sportfreund!) lässt sich es sich bekanntlich auch an ganz profanen Orten eine gute Zeit haben. Herzlichen Dank für die ganz besondere Sightseeing- und Kiosk-Tour!