Darüşşafaka SK Istanbul - Olympiakos SF Peiraios 79:75

ULEB Euroleague (Basketball)
Donnerstag, 27. Dezember 2018, 20.15 Uhr
İstanbul, „Volkswagen Arena“

Fußballmäßig ist das Jahr 2018 bereits beendet, im Basketball geht aber noch was. Wenn man wollen würde, dann sogar jeden Tag, denn neben den türkischen Ligen steigen dieser Tage auch die Spiele in der Euroleague, an der drei Vereine aus Istanbul teilnehmen. Wir belassen es aber bei einem Spiel und konzentrieren uns dabei auf möglicherweise anreisende Gästefans, weshalb das Augenmerk auf Olympiakos fällt. Darüşşafaka (türkischer Meister von 1961 und 1962) trägt seine Liga-Heimspiele im kleineren Ayhan Şahenk Spor Salonu aus, während die Europapokalspiele in der neuen Volkswagen Arena am nördlichen Stadtrand stattfindet. Wer dort an der nicht weit entfernten Metro-Station İTÜ Ayazağa (Linie M2) aussteigt, der wähnt sich in Dubai. Imposante Hochhäuser schießen in die Luft, deren futuristische Beleuchtung zum Staunen bringt. Hinter diesen Hochhäusern liegt die Halle. Das Problem: Vor ihnen liegt eine vielbefahrene Autobahn, die als Fußgänger schlicht und ergreifend nicht überquert werden kann. Wir tasten uns also erst einmal am Seitenstreifen entlang und hoffen auf eine Querungsmöglichkeit, die jedoch nicht kommt. Als wir umdrehen, bemerken wir, dass uns eine Grüppchen gefolgt ist. Als wir die Jungs ratlos nach dem Weg fragen, antworten die ebenso ratlos, aber in auffallend gutem Englisch, dass sie auch zum Basketball wollen, aber den Weg nicht kennen. Man kommt ins Gespräch, die Jungs sind natürlich Griechen und zwar die Brüssel-Sektion von Gate 7 von Olympiakos. Komplett inkognito, das schlechte Verhältnis zwischen Griechen und Türken ist ja bekannt. Mit vereinten Kräften finden wir dann doch noch einen Weg zur Halle, vor der schon eine Hundertschaft der Polizei steht, die mit allen eintrudelnden Leuten den Sprachtest macht. Und der sieht so aus: Kannst Du nicht auf Türkisch antworten, kommt Du erst mal in Gewahrsam. Die Gate-7-Jungs gehen gleich freiwillig in den Polizeikessel, in den man auch mich stecken will. Mein deutscher Pass interessiert die Polizei nicht, denn die anderen haben ja auch einen belgischen Pass und sind trotzdem Griechen. Der dezente Hinweis auf meinen absolut nicht griechisch klingenden Namen findet bei der türkischen Autorität ebenso wenig Gehör. Ich fühle mich mal wieder im falschen Film. Ein Glück, dass genau in diesem Moment meine Freundin ums Eck kommt, die als Afrikanerin nun wirklich keinen griechischen Eindruck macht, so dass wir – allerdings erst nach weiterem guten Zureden – doch in die Halle dürfen. Ein Glück, denn Gate 7 Brüssel und alles andere, was irgendwie nach Szene aussieht, darf das nicht. Da hat sich ja der Flug von Belgien ans andere Ende des Kontinents ja gelohnt. Rund 30 Olympiakos-Fans schaffen es allerdings in die Halle, alle vom Typ braver Familienvater, für die ein separater Bereich abgesperrt wird. Man fragt, was der ganze Wahnsinn soll, denn bei Darüşşafaka gibt es keine Fanszene, sondern nur eine Blaskapelle, die ab und zu mal ein Liedchen trällert. Ohnehin bleiben weite Teile der Halle leer, was gut veranschaulicht, welchen Stellenwert dieser Verein hat.
Leider hat sich der sportliche Part dieser Tour mit diesem Spiel erledigt. Die obersten vier Ligen gehen in eine kurze Winterpause. Unterklassig sollte es die zwar nicht geben, allerdings ordnet das türkische Innenministerium spontan eine türkeiweite Absetzung des Amateur-Spielbetriebs an, um ein Zeichen gegen die angeblich exorbitant steigende Gewalt im Fußball zu setzen. Das durchkreuzt natürlich alle weiteren Pläne.
 










 

Gelişimspor Kulübü – Yedikulespor Kulübü 1:1

Türkei, İstanbul 1. Amatör Lig – Grup 5 (7. Liga)
Sonntag, 23. Dezember 2018, 12.30 Uhr
İstanbul, Beyoğlu İlçe Stadı

Das letzte Fußballspiel des Jahres ist zugleich das interessanteste dieser Tour – zumindest aus historischer Sicht. Denn aus Beyoğlu stammt Hermes Pera, der Vorgänger der griechischen Vereine PAOK und AEK. Pera ist der griechische Name von Beyoğlu und bedeutet übersetzt „auf der anderen Seite“. Der Name stammt aus der Zeit, als Istanbul bzw. Konstantinopel sich noch weitgehend nur auf den Stadtteil Sultanahmet ausdehnte. Sämtliche historische Gebäude wie die Hagia Sophie (einst die größte Kirche der Welt), die Blaue Moschee, die Zisterne und die Überreste des Hippodroms befinden sich daher im am Goldenen Horn gelegenen Sultanahmet. Als die Stadt sich ausdehnte, wurde die andere Seite des Goldenen Horns besiedelt, der daher Pera genannt wurde. Pera/Beyoğlu wuchs in der Folge zum am westlichsten geprägten Stadtteil Istanbuls heran. Hier befinden sich noch heute die katholische und die deutsch-evangelische Kirche Istanbuls, unweit der Prachtstraße İstiklal Caddesi mit ihren typisch europäischen Jugendstil-Gebäuden. Pera/Beyoğlu war auch eine Hochburg der in der Stadt lebenden Griechen, von denen im Vielvölkerstaat des Osmanischen Reichs mehr als eine Million entlang von Schwarzem Meer und türkischer Ägäisküste lebten. Istanbul ist ohnehin seit Jahrhunderten die wichtigste Stadt für Griechenland, sitzt hier doch noch immer mehr mit Patriarchen von Konstantinopel das Oberhaupt der griechisch-orthodoxen Kirche. Nach dem Griechisch-Türkischen Krieg (mehr dazu wurde ja bereits an dieser Stelle ausgeführt) wurden Anfang der 1920er-Jahre eine halbe Million Türken aus Griechenland und 1,25 Millionen Griechen aus der Türkei vertrieben – und mit ihnen auch ihre Fußballvereine. Hermes Pera wurde daraufhin zweimal in Griechenland wiedergegründet: 1924 als AEK in Athen und 1926 als PAOK in Saloniki. Beide Vereine benutzen mit dem doppelköpfigen Adler das frühere Stadtwappen von Istanbul/Konstantinopel als Vereinswappen, zudem steht das K jeweils für Konstantinopel. Hermes Pera wurde allerdings nie aufgelöst, sondern zu einem türkischen Verein und existiert als Beyoğluspor bis heute weiter. Selbst die Vereinsfarben Schwarz und Gelb (die Farben der griechisch-orthodoxen Kirche) wurden beibehalten. Der Auftrag an diesem Sonntag, der auch in der Türkei den Amateuren gehört, ist also klar: Spurensuche betreiben – zumal wir ja jetzt schon seit meheren Tagen in Beyoğlu am Taskim-Platz residieren. Die Spurensuche fällt jedoch nicht ganz leicht, schon allein deshalb, weil in der Türkei die Wikipedia gesperrt ist. Über die ansonsten ganz hervorragende Internetseite amatorfutbol.org werden zwar sämtliche Istanbuler Spielpläne ausfindig gemacht, aber keine Spur von Beyoğluspor. Vergangene Saison spielten sie noch in der 9. Liga mit, die zugleich die unterste Liga in Istanbul ist, in dieser Saison aber taucht der Name nirgendwo auf. Dann muss also Plan B in die Tat umgesetzt werden: Ein Spiel im Stadion von Beyoğlu sehen, in dem auch Beyoğluspor spielt. Ob hier früher auch Hermes Pera gespielt hat, ist nicht herauszufinden. Das Stadion liegt aber in einem Park am Goldenen Horn. Grundsätzlich wäre hier also auch damals Platz zum Fußballspielen gewesen. In seiner jetzigen Ausbauform stammt das Stadion jedoch keinesfalls aus der Zeit vor 1923, auch wenn die Tribüne doch schon einige Jahre auf dem Buckel hat. Per Linienbus ist das Stadion innerhalb vom Taksim-Platz aus in 20 Minuten erreicht. Sonntags werden hier von morgens bis spätnachmittags Fußballspiele im Akkord ausgetragen. Die oben genannte Partie bekommt alleine wegen der gut in den übrigen Tagesablauf passenden Anstoßzeit den Zuschlag, erweist sich jedoch als echter Glücksgriff – denn beim Gastverein Yedikulespor gibt es eine Ultras-Szene. Mag auf den ersten Blick bei einem Siebtligisten etwas skurril klingen, allerdings ist Istanbul eine Stadt mit 15 Millionen Einwohnern. Da gibt es natürlich nicht nur bei den Vereinen in den oberen drei Ligen organisierte Fanszenen. Die Jungs von Yedikulespor punkten mit recht untürkischen Gesängen, die man größtenteils eher aus Griechenland kennt. Das passt in diesem Fall natürlich ganz besonders. Polizei darf natürlich auch in dieser Liga nicht fehlen, wobei die sehr entspannt ist und sich auch nicht an den vielen Böllern auf der Gästetribüne stört. Auch touristisch kann Beyoğlu am Abend endlich abgehakt werden, denn endlich schaffen wir es mal, den wunderschönen Galataturm zu erklimmen, der einen traumhaften Blick auf das Goldene Horn und den Bosporus offenbart.
 




































 

Ümraniyespor Kulübü – Afjet Afyonspor Kulübü 2:1

Türkei, TFF 1. Liga (2. Liga)
Samstag, 22. Dezember 2018, 13.30 Uhr
İstanbul, Ümraniye İlçe Stadı

Alle Istanbuler Erstligisten mit Ausnahme von Başakşehir sind abgegrast, so dass an diesem Wochenende Zeit für die unteren Ligen bleibt. Ümraniyespor ist als Zweitligist aktuell sozusagen die Nummer 6 von Istanbul und stammt aus dem gleichnamigen Stadtteil auf der asiatischen Seite. Endlich wieder Bosporus-Fähre fahren! Das Stadion liegt am äußersten Stadtrand an der E80-Autobahn, ist aber ab der Metro-Station İnkılap (Linie M5) gut mit dem Linienbus erreichbar. Überraschend modern geht es hier draußen zu: Malls und Hochhäuser bestimmen das Bild. Tickets gibt‘s via Passolig-App bereits ab 5 Lira (82 Cent), allerdings sollte man 10 Lira in den vom Spielfeld aus gesehen rechten Block der Haupttribüne investieren, in dem es nicht ganz so eng zugeht und von dem aus man Heim- und Gästeblock sieht. Die sind jeweils ganz gut gefüllt, bei Ümraniyespor stehen phasenweise sogar mal vier Vorsänger auf dem Zaun. Gesangsmäßig ist aber absolut nichts dabei, was man in den vergangenen Tagen nicht schon zigfach gehört hätte. Auffallend ist auch hier wieder das immense Polizei-Aufgebot, es sind annähernd so viele Polizisten wie Zuschauer da. Dass sogar Wasserwerfer und Räumfahrzeuge aufgefahren werden, lässt einen an der Zurechnungsfähigkeit der Verantwortlichen zweifeln. Aber in der Türkei wundert einen ja fast nichts. Auch nicht, dass mal wieder ein Foto von Erdoğan mit Vereinsschal an der Wand hängt.