Bicskei TC – Tatabányai SC 0:0

Ungarn, Nemzeti Bajnokság III – nyugati csoport (3. Liga)
Mittwoch, 20. Oktober 2021, 18 Uhr
Bicske, Bicskei Sportpálya

Mit dem Zug geht‘s von Érd weiter nach Bicske. Gleiche Liga, aber völliges Kontrastprogramm. Das merkt man schon daran, dass das Heimspiel des Bicskei TC am Abend stattfinden kann, weil der seltene Luxus in Form von Flutlicht vorhanden ist. Bicske ist nur einen Steinwurf von Felcsút (Heimatdorf von Ministerpräsident Viktor Orbán) und der dortigen Pancho Arena entfernt. Da kann es wohl kein Zufall sein, dass in diesem 11.000-Einwohner-Nest plötzlich so ein moderner Tempel steht. Felcsút ist ein Kapitel für sich, aber nur um den Kontext zu erklären: Nachdem Orbán 2011 zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, transferierte er die Puskás-Akademie – eigentlich die Nachwuchsabteilung des Videoton FC aus Székesfehérvár – in sein Heimatdorf (1700 Einwohner), machte sie zur nationalen Fußballakademie und wie von Zauberhand spielte der der Akademie angegliederte Fußballverein plötzlich in der 1.Liga. 2014 wurde die Pancho Arena aus dem Boden gestampft, direkt gegenüber von Orbáns Landsitz in Felcsút. Wichtigster Mann war dabei Lőrinc Mészáros, ein alter Schulfreund von Orbán, der aber nur zum erfolglosen Gasinstallateur brachte, der 2007 im Prinzip bankrott war. Doch mit Orbáns Wahl zum Ministerpräsidenten 2011 änderte sich für ihn alles. Noch im selben Jahr wurde er zum Bürgermeister von Felcsút gewählt und Orbáns wichtigster Mann vor Ort. Und nicht nur vor Ort, sondern bald auch in ganz Ungarn.  Mészáros gründete mehrere Firmen, die auffallend oft staatliche Ausschreibungen gewannen. Heute ist Orbáns Schulfreund, der einst kurz vor dem Ruin stand, mit einem laut Forbes geschätzten Vermögen von 1,7 Milliarden Dollar reichster Ungar. Seit 2016 besitzt er übrigens den NK Osijek in Kroatien. In wie weit dieses System nun auf das nur fünf Autominuten entfernte Bicske übergreift, kann ich nicht sagen. Aber es ist schon auffallend, dass hier plötzlich in einem derart provinziellen Nest, in dem ganz offensichtlich das Geld nicht locker sitzt, so ein Stadion steht. In der 3.Liga! Da vieles aber in Ungarisch und Englisch beschriftet ist, kann man schon erahnen, wohin die Reise gehen soll. Ebenso wie in der Pancho Arena in Felcsút, die mit ihrer auffälligen Holzdachkonstruktion des nationalistischen Architekten Imre Makovecz auf sich aufmerksam gemacht, wurden auch im neuen Stadion von Bicske ein nationalistisches Element aufgegriffen: ein Holztorbogen wie in der Hunnen-Zeit mit Keilschrift, durch den die Spieler das Feld betreten. Doch auch wenn der Bicskei TC hoch hinaus möchte – noch ist es nicht so weit. Und das sieht man an der Zuschauerzahl, die wirklich erschreckend niedrig ist. Am besten gefüllt ist der Gästeblock, allerdings sind es von Tatabánya nach Bicske auch nur 25 Kilometer. Den wenigen Zuschauern auf Heimseite will man es dennoch so behaglich wie möglich machen, so dass sich ebenso das Catering-Angebot völlig vom Rest der Liga abhebt. Unter anderem dreht sich hier ein Gyros-Spieß. Keine Zeit für solche kulinarischen Späße haben jedoch die Familienväter der Tigers, wie sich die Fangruppe der Bicskei TC nennt. Immerhin drei Zaunfahnen und eine Trommel, aber so wirklich viel kommt dabei nicht herum. Damit endet für uns die Ungarn-Tour. Mit dem Bummelzug geht es nach Abpfiff weiter nach Tatabánya mit seinem geilen Gammelbahnhof (bitte niemals abreißen!), dann über Nacht zurück nach Deutschland. Es hat trotz all der Kontroversen, die Ungarn bietet, Spaß gemacht und mit Sicherheit wird nicht viel Zeit bis zur nächsten Fahrt zu den Magyaren vergehen.