Panathinaikos AO – Fenerbahçe SK 88:94

Griechenland, Euro League (Basketball)
Mittwoch, 11. Januar 2023, 20.30
Athinai, Olympiako Athlitiko Kentro Athinon Spyros Louis

Das Schöne am Großraum Athen ist: Wenn kein Fußball gespielt wird, dann geht man halt zu einer anderen Sportart. Irgendwas ist immer los. Was für ein magischer Ort! Nahezu 30 Vereine mit organisierter Fanszene gibt es im Großraum Athen, die meist bei mehreren Sportarten ihres Vereins aktiv sind. So etwas ist in Europa einmalig. Im Umkehrschluss heißt das aber nicht, dass immer und überall etwas los ist. Gerade bei den großen Vereinen sollte man im Vorfeld sehr darauf achten, ob die jeweilige Hauptgruppe zum Besuch eines Spiel aufruft. Macht sie das nicht, ist in der Regel nichts los. Und da Gate 13 bei Panathinaikos für das heutige Heimspiel im Basketball-Europapokal gegen Fenerbahçe nichts verlauten ließ, kann man davon ausgehen, dass die Kurve in der Olympiahalle leer bleibt. Für mich aber gar nicht so sehr ein Beinbruch, weil ich noch nie in der Olympiahalle war und sie unbedingt mal von innen sehen wollte. Außerdem bin ich ja in den vergangenen Tagen in der Hinsicht reichlich verwöhnt worden. Da darf ich mich nun wirklich nicht beschweren. Da dies auch mein letzter Tag dieser Tour im Großraum Athen ist, gönne ich mir vor dem Spiel noch einmal das volle Touri-Programm mit Akropolis, Plaka und Monastiraki-Platz. Schon oft gemacht, aber ab und zu ganz nett. Wobei mich das so stark touristisch geprägte Plaka immer weniger anzieht. Meine Gegend ist da eher der Omonia-Platz. Er war einst die feinste Gegend von Athen, weshalb es dort viele Hotels gibt. Statt der Oberschicht zog mit der Zeit aber die Unterschicht ein. Heute ist der Omonia-Platz, an dem auch das Anarchisten-Viertel Exarchia beginnt, ein Synonym für Obdachlose, Drogenabhängige, Prostitution und Kriminalität. Dass das eigentlich gut gemeinte Anlegen von Grünbereichen in den kleinen Fußgängerstraßen viele tote Winkel geschaffen hat, verschärft das Problem. Es gibt Reiseführer, die den Omonia-Platz als No-Go-Area bezeichnen. Allerdings liegt er sehr verkehrsgünstig, da er von zwei der drei Metrolinien und unzähligen Buslinien angefahren wird. Und auch die vielen Hotels gibt es noch, deren Preise zusammen mit dem Ruf der Gegend in den Keller gegangen sind. Steil bergab geht es auch mit dem OAKA (Olympiako Athlitiko Kentro Athinon = Olympisches Athletik-Zentrum Athen), also dem für die Olympischen Spiele 2004 errichteten Gelände. Zu ihm gehört neben dem neuen Olympiastadion auch die Olympiahalle, in der die (männlichen) Basketballer von Panathinaikos ihre Heimspiele austragen. Die Frauen spielen übrigens in einer absolut fantastischen Minihalle im Bauch des Apostolos-Nikolaidis-Stadions. Die Olympischen Spiele liegen noch keine 20 Jahre zurück, aber schon regieren an vielen Stellen des OAKA Rost und Siff. Das wird umso deutlicher beim heutigen Heimspiel gegen Fenerbahçe, denn da Gate 13 nicht zum Besuch aufgerufen hat, bleibt die Halle ziemlich leer. Nicht einmal die Verpflegungsstände haben geöffnet, so dass die Veranstaltung insgesamt ein recht tristes Bild abgibt. Glücklicherweise sind die Polizeikontrollen an den Eingängen gewohnt nachlässig, so dass ich immerhin drei Dosen Alfa mit reinschmuggeln kann. Die traurige Kulisse bietet wenigstens die Gelegenheit, die Halle mal ganz genau unter die Lupe nehmen zu können, und da bestätigt sich mein Eindruck vom OAKA. Es wird nicht mehr lange bis zum Sanierungsfall dauern. Gepaart mit den Spuren, die Gate 13 hier an jeder Ecke hinterlassen hat, zerstörten Toiletten und dem Fehlen von Catering und Fanshop ergibt das ein sehr eigenwilliges Gesamtbild. Kleiner Höhepunkt ist, dass man an der Decke neben den Erfolgen der Basketball-Abteilung und Trikots legendärer Spieler auch ein Trikot mit der Nummer 1 für Gate 13 gehängt hat. Präsent ist die 1966 gegründete Hauptgruppe von Panathinaikos heute aber wie gesagt nicht, was sicherlich mit der sportlichen Bedeutung dieses Spiels zu tun hat. Panathinaikos krebst im Tabellenmittelfeld der Euro League herum, es geht hier eigentlich nur noch um die goldene Ananas. Zwar sind überall in der Halle verteilt ganz vereinzelt Untergruppen von Gate 13 anwesend, die teilweise auch eine Zaunfahne aufhängen, aber Support findet nicht statt. Türken sind natürlich keine da. Am nächsten Tag geht es für mich mit dem Zug zurück nach Saloniki – und zwar mit dem neuen Schnellzug der griechischen Bahn, die ja wie gesagt eigentlich die italienische Bahn ist. Die wirbt dafür, nur noch 3 Stunden und 55 Minuten für die 500 Kilometer von Athen nach Saloniki zu brauchen. Beim genaueren Hinsehen handelt es sich bei diesem neuen Intercity-Express aber um einen alten Bekannten. Die italienische Bahn setzt hier nämlich die Cisalpino-Züge ein, die zwischen 1998 und 2006 zwischen Stuttgart und Milano fuhren. Die erwiesen sich dort allerdings als derart unzuverlässig (Verspätungsquote von 18% – viermal höher als der damalige Durchschnitt), dass sie von der Strecke genommen und eingemottet wurden. Bis 2020 waren einzelne Cisalpino noch irgendwo im tiefsten Süditalien unterwegs, ehe es der Trenitalia auch dort mit ihnen zu bunt wurde. Was aber selbst für Süditalien zu großer Schrott ist, kann man allemal noch in Griechenland einsetzen – dachte sich wohl die Trenitalia. Und so fahren die Cisalpino-Züge seit 2022 als sogenanntes Premiumprodukt zwischen Athen und Saloniki und werden dort als die ganz große Innovation verkauft. Man weiß wirklich nicht, ob man lachen oder weinen soll. Nachdem ich in den vergangenen Tagen nun mehrmals auf der Strecke zwischen Athen und Saloniki unterwegs war, kann ich nur sagen: grausame Zustände! Ein Beispiel: Für Schnellzüge ist in Griechenland immer eine Platzreservierung erforderlich. Teilweise werden aber Bahnhöfe angefahren, die gar nicht an das Ticketsystem angeschlossen sind – und vermutlich nicht einmal mit Internet ausgerüstet sind. So habe ich mehrfach beobachtet, dass Plätze doppelt verkauft wurden. Offenbar schickt man ein Fax an die kleinen Bahnhöfe mit einem Plan der noch freien Plätze, die dort dann dementsprechend und offline verkauft werden. Wenn man aber kurz vor Abfahrt noch ein Ticket an einem größeren Bahnhof wie Saloniki oder online kauft, weiß man an den kleinen Bahnhöfen ja nichts davon, womit Plätze doppelt verkauft werden. Und das kann dann wirklich zu hitzigen Diskussionen im Zug führen. Für mich gibt es in Saloniki noch ein letztes Mal einen leckeren Souvlaki-Teller und Retsina Malamatina, ehe mich Ryanair zum Schnäppchenpreis zurück nach Dortmund bringt.

Nachtrag: Am 28. Februar 2023 – also gut sechs Wochen nach meiner letzten Zugfahrt – ereignete sich auf der Strecke zwischen Athen und Saloniki das größte Zugunglück in der Geschichte Griechenlands. 57 Menschen starben beim sogenannten Eisenbahnunfall von Tempi. Die Umstände sind einfach nur gespenstisch. Zum einen war die Modernisierung der Strecke bereits 2014 beauftragt worden und 2016 auch auf dem Papier fertiggestellt worden, aber nie wirklich realisiert worden. Das dafür zur Verfügung gestellte Geld ist trotzdem verschwunden. 2021 hatte die griechische Transparenzbehörde das auch moniert, aber bis zum Unglück von Tempi ist nichts passiert. Da die Strecke nicht modernisiert wurde, ist hier nur ein Zugbetrieb möglich, indem Lokführer und Fahrdienstleiter ganz altmodisch per Funk miteinander kommunizieren. Das ist übrigens in Griechenland auf Hauptstrecken gar nicht erlaubt. Und wir reden hier von DER Hauptstrecke Griechenlands. Zuständig war in diesem Fall die Dienststelle im Bahnhof von Larissa. Der dortige Fahrdienstleiter war zum Zeitpunkt des Unglücks 59 Jahre alt und hatte erst ein Jahr zuvor die dafür notwendige Ausbildung gemacht, obwohl das in Griechenland nur bis zu einem Alter von 42 Jahren erlaubt ist. Der Mann war zuvor als Gepäckträger und Dienstbote im griechischen Kulturministerium tätig. An jenem 28. Februar war er erst seit 40 Tagen im Dienst, womit ihm die nötige Erfahrung fehlte. Seine Kollegen machten viel zu früh Feierabend, weshalb er schließlich alleine im Bahnhof von Larissa saß. Ihm passierte somit der Fehler, einen von Athen kommenden Intercity mit 342 Passagieren und einen entgegenkommenden Güterzug auf das gleiche Gleis zu leiten. Der Intercity war mit etwa 140 km/h unterwegs, der Güterzug mit 100 km/h, als sie in der Kurve frontal zusammenstießen. Neben 57 Toten wurden 25 Passagiere schwer verletzt. Hinzu kommt, dass der Güterzug wohl illegalerweise leicht entzündbare Fracht transportierte, was die Löscharbeiten erschwerte. Das Zugunglück von Tempi löste Massenproteste in Griechenland aus – inklusive einem Generalstreik. Drei Wochen lang wurde der gesamte Schienenverkehr lahmgelegt, was auch den wichtigen Hafen von Piräus stark einschränkte. Die griechischen Parlamentswahlen mussten verschoben werden. Die EU eröffnete ein juristisches Verfahren gegen 23 Personen, die sich die Subventionen für die nicht erfolgte Erneuerung der Zugstrecke eingesteckt haben sollen. An dieser Stelle mein ganz großes Beileid für die Familien und Freunde der 57 Todesopfer.