Ungarn, Nemzeti Bajnokság I (1. Liga)
Sonntag, 17. Oktober 2021, 17 Uhr
Mezőkövesd, Városi Stadion
Die 1. Liga Ungarns hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Immer mehr Dorf-Vereine drängen in sie, wozu auch die Mezőkövesdi SE zählt, wobei man Mezőkövesd mit seinen 16.000 Einwohnern eigentlich nicht als Dorf bezeichnen kann. Wer aber mal vom Bahnhof zum Stadion geht, der wird schnell feststellen, dass es eben doch ein großes Dorf ist. Das einzig erwähnenswerte Gebäude ist wirklich nur das Stadion – und allenfalls noch der heruntergekommene Bahnhof, bei dem man sich noch im tiefsten Kommunismus wähnt. Solch einen Ground sollte man wirklich nur mit einem Gegner machen, der für etwas Unterhaltung auf den Rängen sorgt, denn eine wirkliche Fanszene hat die Mezőkövesdi SE nicht, obwohl sie dann jetzt auch schon seit 2016 ununterbrochen in der 1. Liga spielt. Mit dem Eisenbahner-Verein aus Debrecen rückt heute eben solch ein Gegner an, der etwas mitbringt und der es obendrauf nicht allzu weit hierher hat. Schön anzuschauen und vor allem anzuhören, was sich da im Gästeblock abspielt. Ich bin ja ein großer Fan des Stils der ungarischen Ultras, weil er sich eben völlig von Osteuropa abhebt und ziemlich melodisch ein. Einer der schönsten Gesänge, die ich je in Ungarn gehört habe, stammt von Debrecen, die den Namen ihrer Stadt auf „Mamma Maria“ von Ricchi e Poveri gesungen haben. Das Lied zeigt sehr gut, wohin die stilistische Reise der ungarischen Ultras schon seit der Wende geht, nämlich ganz klar nach Italien. Bei mir ist das Ding schon seit Jahren ein Ohrwurm – leider wird er heute nicht angestimmt. Aber dafür gibt‘s hier im Gegensatz zu vorhin in Eger wieder Bier. Bis zur Abfahrt des Zuges zurück nach Eger kehren wir noch in einer Kneipe in Stadionnähe ein, in der wir mit ein paar Heimfans in Kontakt kommen. Die Ungarn sind ja ohnehin immer extrem fasziniert, wenn ein Ausländer ein bisschen Ungarisch spricht, eben weil sie selbst sehr genau wissen, eine der kompliziertesten Sprachen der Welt zu haben. Nette Typen. Was auffällt in der Kneipe auffällt: Viele Aufkleber von der Mezőkövesdi SE kleben an der Theke, die vom Stil her klar nach Ultras aussehen. Entweder sind die Aufkleber uralt, auch wenn sie nicht so aussehen, oder die sehen einfach nach (wesentlich) mehr aus als im Stadion tatsächlich vorhanden ist. Tonangend ist in Mezőkövesd eigentlich sowieso nicht der Fußball, sondern der Handball, bei dem es mit den 1998 gegründeten Magico Ultras dann wirklich eine ernstzunehmende Gruppe gibt. Die Nacht verbringen wir in Eger, um am nächsten Tag noch ein bisschen die Stadt zu besichtigen. Wäre ja schade, nur den Bahnhof und das Stadion gesehen zu haben. Und wie vermutet ist Eger wirklich einen intensiveren Blick wert. Wahrzeichen der Stadt ist das 40 Meter hohe Minarett der Kethuda-Moschee, das das nördlichste osmanische Bauwerk Europas ist. Auf ihrem Weg nach Wien hatten die Osmanen im 17. Jahrhundert lange Zeit Ungarn besetzt und Spuren hinterlassen, die man bis heute sehen kann. Dazu zählen drei Minarette, die in Ungarn noch stehen – in Pécs, in Érd (wo wir in drei Tagen sein werden) und eben hier in Eger. Die dazugehörige Kethuda-Moschee hatten die Osamen unmittelbar nach der Eroberung von Eger im Jahr 1624 gebaut. Nach der Rückeroberung wurde sie zunächst als Kirche genutzt und schließlich im 19. Jahrhundert abgerissen. Das Minarett hat man jedoch nie angetastet. Es kann heute mit seinen 98 Stufen zum Preis von 500 Forint pro Person bestiegen werden. Ebenfalls aus der osmanischen Zeit stammt das türkische Bad am Rand des Stadtparks, in dem auch das Stadion steht. Ihm verdankt Eger seinen Ruf als Thermal-Stadt. Doch auch abseits des osmanischen Erbes ist Eger wirklich einen Blick wert, auch wenn die Kommunisten einst so manche Bausünde in der Altstadt begangen haben. Erwähnenswert ist an der Stelle sicherlich die große Kathedrale, die die zweitgrößte Kirche Ungarns ist – momentan aber leider wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Noch ein Gastro-Tipp: Schräg gegenüber der Kathedrale befindet sich das Restaurant Piggy Fanny, das eher eine Kantine ist. Dort gibt‘s richtig ungarische Hausmannskost zum kleinen Preis und völlig ohne Touristen.
Eger: