Slowenien, 1. SNL (1. Liga)
Sonntag, 8. August 2021, 17 Uhr
Sežana, Stadion Rajko Štolfa
Wie angesprochen müssen wir Trogir leider früher verlassen als geplant, weil es einfach keine freie Unterkunft mehr gibt. Trotzdem wollen wir noch ein paar Tage in Kroatien bleiben – und ziehen weiter nach Istrien. Das mit dem Weiterziehen ist aber so eine Sache, denn da Kroatien derzeit aus allen Nähten platzt, kollabiert der komplette Straßenverkehr. Für die Fahrt von Trogir nach Umag braucht man normalerweise fünf Stunden. Bei uns dauert es diesmal über zehn Stunden. Allein beim Warten auf eine freie Zapfsäule vor einer Tankstelle verplempern wir 30 Minuten. Das ist krank! Der Plan, am Samstag Fußball im grenznahen Slowenien zu schauen, kann damit frühzeitig geknickt werden. Zu allem Überfluss bekommen wir während der Fahrt auch noch die Mitteilung, dass unsere Unterkunft storniert wurde. Da fuhr der gierige Vermieter offensichtlich zweigleisig und gab dem Zimmerschlüssel halt dem, der früher da ist. Unfassbar. Anders als in Trogir lässt sich in Umag aber noch spontan eine andere Unterkunft auftreiben. Umag (13.500 Einwohner) ist die nördlichste Stadt an der Westküste Istriens und nur gut zehn Kilometer vom nächsten slowenischen Grenzübergang entfernt. Bis ins italienische Triest sind es keine 40 Kilometer. Bis zum Zweiten Weltkrieg gehörte Istrien vollständig zu Italien, das danach nur den kleinen Teil um Triest behalten durfte. Der größte Teil fiel an Kroatien, ein der kleinere an Slowenien. Eine großflächige Vertreibung wie in den deutschen Ostgebieten nach dem Zweiten Weltkrieg fand in Istrien nicht statt, weshalb es dort noch eine beachtliche italienische Minderheit gibt. Sowohl im kroatischen als auch slowenischen Teil Istriens ist deshalb vieles zweisprachig angeschrieben. Das Zentrum der italienischen Kroaten ist Umag bzw. Umago, wie es bei den Italienern heißt. Bis 1945 lag hier der Anteil der italienischen Bevölkerungsgruppe bei nahezu 100 Prozent, heute bei knapp 20 Prozent. Touristisch ist Umag – wie jede kroatische Küstenstadt – mit seiner auf einer Halbinsel gelegenen Altstadt sehr zu empfehlen. Natürlich eine völlig andere Liga als Trogir, dafür hat Umag durch diesen krassen italienischen Einschlag eine ganz eigene Note. In der Altstadt weiß man stellenweise nicht, ob man sich jetzt eigentlich in Kroatien oder in Italien befindet. Dass die Hauptstraße nach Italiens Nationalheld Giuseppe Garibaldi benannt ist, macht das nur zu deutlich. Auch kulinarisch ist dieser Mix höchst spannend, weil man einerseits gutes Cavapcici bekommt, aber eben auch eine Pizza, die sich voll auf Italien-Niveau bewegt. Und für mich ein weiterer Bonus: Slowenien liegt vor der Tür. Keine Autostunde entfernt wartet Sežana (12.500 Einwohner), das einst quasi ein Stadtteil von Triest war, heute jedoch Grenzort zwischen Italien und Slowenien ist. Bekannt ist Sežana für seinen Ortsteil Lipica (it.: Lipizzia), in dem sich das Gestüt der berühmten Lipizzaner Pferde befindet. Zudem ist Sežana wichtig für den Eisenbahnverkehr, denn die Stadt befindet sich an der sogenannten Südbahn, die von Wien nach Triest führt. Seit wenigen Jahren ist die Strecke wieder offen, doch als ich 2007 hier unterwegs war, endeten die Züge von Slowenien kommend im italienischen Grenzort Villa Opicina und fuhren nicht bis Triest durch. Man musste dann mit einer alten Straßenbahn aus den 1930er-Jahren von Villa Opicina weiter nach Triest fahren. Ein bisschen zeitaufwändig, aber ein Erlebnis! Dass wieder Züge bis Triest fahren, wird auch im Stadion schnell klar, denn es liegt direkt an den Schienen, über die nun wieder italienische Waggons rollen. Hat Stil! Nur muss man erst einmal ins Stadion reinkommen, was gar nicht so einfach ist, denn die Slowenen sind da aktuell ähnlich streng wie die Kroaten. Immerhin: Für alle Zuschauer bietet man heute kostenlos einen Corona-Test vor dem Spiel an – und den muss auch ich mich mangels Impfzertifikat in Anspruch nehmen. Doch als ich bei der Registrierung meinen deutschen Ausweis hinlege, sagt man zu mir, dass man meinen slowenischen Ausweis brauche. Den kann ich aber nicht zeigen, weil ich kein Slowene bin. Das große Beratschlagen geht los und man teilt mir mit, dass ich den Test in dem Fall bezahlen müsste. 20 Euro kostet der. Kein Problem, wird gemacht. Kaum habe ich den Schein auf den Tisch gelegt, geht das große Beratschlagen weiter. Nein, das gehe doch nicht, nur für Slowenen. Man könne die Testergebnisse ja sonst nicht ins nationale Register eintragen. Nationales Register. Klingt für mich, der aus einem digitalen Dritte-Welt-Land kommt, wie eine Reise zum Mond. Inzwischen ist eine Vereinsoffizielle auf das Palaver aufmerksam geworden, die sich einschaltet, aber da auch nichts machen könne. Also ziehe ich einfach mal den gelben Impfpass raus und schaue, was passiert. In der Panik legt man halt alle Karten auf den Tisch. Der Impfpass wird angeschaut wie ein archäologischer Fund. 1x bin ich geimpft, was inzwischen in Slowenien eigentlich nicht mehr reicht. Ohnehin bräuchte ich für den Nachweis einen QR-Code. Die Vereinsoffizielle blättert aber mehrmals erstaunt den Impfpass durch, drückt ihn mir wieder in die Hand und meint: „For us it‘s okay.“ Prima! Am Eingang dann aber doch Gesprächsbedarf bei den Ordnern, die mit dem Impfpass nichts anfangen können. Einer sucht auf ihm sogar ernsthaft einen QR-Code. Eindrucksvoller kann man nicht vor Augen geführt bekommen, dass Deutschland ein Land ist, das in Sachen Digitalisierung hinterm Mond liegt. Ist das peinlich! Aber nach etwas Hin und Her lässt man mich glücklicherweise rein. Schwere Geburt. Für 10 Euro Eintritt also endlich drin. Im Stadion Rajko Štolfa wurde offensichtlich mal das Spielfeld um 90 Grad gedreht, so dass die frühere Haupttribüne – ein schöner Jugo-Klotz – nun die Hintertortribüne ist. Die neue Haupttribüne ist recht klein ausgefallen und steht heute (und auch sonst?) lediglich Sponsoren und VIPs offen, während der Pöbel nur auf die alte Haupttribüne hinterm Tor darf. Die anderen beiden Seiten des Stadions sind nicht ausgebaut. Lediglich auf der Gegengerade hat man eine Art Bühne aufgebaut, die ernsthaft der Gästeblock sein soll. Schon ein bisschen erbärmlich. Ich hatte mir mal vorgenommen, im slowenischen Oberhaus alle Grounds nur mit Olimpija Ljubljana oder dem NK Maribor zu machen. Bislang hat das fast immer geklappt, so dass ich den Olimpija-Anhang heute zum nunmehr siebten Mal in Aktion erlebe. Es ist aber ganz klar der schlechteste Auftritt, den ich hier erlebe – mit großem Abstand. Gerade einmal 20 Leute mit drei Zaunfahnen stehen im Gästeblock, die völlig lustlos sind. In der ersten Halbzeit wird immerhin sporadisch supportet, in der zweiten Halbzeit fast gar nicht mehr. Es hat aber sicherlich auch mit den Umständen zu tun, und damit ist nicht nur der beschissene Gästeblock gemeint, sondern vor allem die 3G-Zugangsbeschränkungen. Das wird auch dadurch deutlich, dass eine Handvoll Gästefans den Gästeblock nicht betritt, sondern vor dem Eingang stehenbleibt. Sežana dagegen hat keine organisierte Szene, aber ein paar besoffene Assis, die den Rest der Hintertortribüne immer wieder zum Mitsingen animieren. Im Suff fliegt sogar mal ne Sitzschale aufs Spielfeld, womit der Action-Preis heute überraschend an die Heimfans geht. Nennenswert auch, dass es im Stadion kein slowenisches, sondern italienisches Wasser gibt. Nach dem Spiel geht es über den Grenzübergang Dragonja zurück nach Umag. Jetzt am späten Sonntagnachmittag sind die Touristen-Massen endlich durch, aber noch am Morgen kam im Radio etwas von bis zu zwei Stunden Wartezeit bei der Einreise nach Kroatien. Und obwohl nicht mehr viel los ist, interessieren sich die kroatischen Grenzer – genau wie bei der Einreise vor einer Woche – nicht die Bohne für den vorgeschriebenen 3G-Nachweis. Damit bestätigt sich der Eindruck: Corona interessiert hier eigentlich nur auf dem Papier. Schade, dass da ausgerechnet der Fußball die große Ausnahme bildet.