Schweiz, Testspiel
Samstag, 27. Juni 2020, 17 Uhr
Davos, Eisstadion Davos
Graubünden hat so seine Eigenheiten. Der flächenmäßig größte Kanton der Schweiz liegt komplett in den Alpen und ist der einzige Kanton mit drei Amtssprachen (Deutsch, Italienisch, Rätoromanisch) und wird daher als „Schweiz der Schweiz“ bezeichnet. Ein bisschen ist Graubünden aber auch wie eine eigene Nation, was vor allem für den Bahnverkehr gilt. Der wird hier nämlich nicht wie überall anders in der Schweiz von der SBB, sondern der ebenfalls staatlichen Rhätischen Bahn bewältigt – zumindest in großen Teilen. Auf ihren Lokomotiven prangt nicht das Schweizer Kreuz, sondern das Wappen Graubündens mit dem markanten Steinbock. Im Gegensatz zur SBB ist die RhB auf Schmalspur unterwegs, was sie besonders knuffig macht. Ist man dann noch mit der RhB in Gebirgslagen unterwegs, wird es dann richtig interessant – so auch heute. Von Chur bis nach Davos müssen in 90 Minuten Fahrtzeit mal eben fast 1.000 Höhenmeter von den Schmalspurwaggons überwunden werden. Es geht vorbei an atemberaubenden Landschaften, wilden Flüssen, idyllischen Bergseen und traumhaften Mini-Bahnhöfen im Chalet-Stil. Und das alles mit der sogenannten Allegra-Tageskarte, die die RhB noch bis zum 31. August für 35 Franken anbietet – eine Art Länderticket für Graubünden, aber halt nur für die RhB-Züge, nicht für die SBB, die in Graubünden ebenfalls auf den Hauptachsen unterwegs ist. Allegra ist übrigens Rätoromanisch und bedeutet „Willkommen“. In Davos (11.000 Einwohner) ist das Bergpanorama dann zwar hübsch, aber nicht ganz so beeindruckend wie in Glarus und Chur. Das hängt natürlich damit zusammen, dass die Stadt auf einer Höhe von 1.500 Metern liegt und dann nach oben hin nicht mehr so viel kommt. Durch diese alpine Lage wurde Davos schon sehr früh zum Luftkurort, etwa weil hier oben keine Hausstaubmilben überleben können, was für Asthmatiker ein besonderer Vorteil ist. Bekannt ist die Stadt zudem durch das hier stattfindende Weltwirtschaftsforum und Eishockey. Mit 31 Titeln ist der HC Davos Rekordmeister der Schweiz und Ausrichter des berühmten Spengler-Cups, der vom 1860 in Davos geborenen Arzt Carl Spengler gestiftet wurde. Er war ein Mitarbeiter von Robert Koch, dessen Institut derzeit ja in aller Munde ist. Die meisten Meisterschaften gewann der HC Davos allerdings vor 1960. In den Anfangsjahren, in denen er quasi Abo-Meister war, spielte der 1921 gegründete Hockey-Club noch unter freiem Himmel auf einer großen Eisfläche. Ein Teil davor wurde später abgetrennt und zum Stadion umfunktioniert, allerdings erst 1980 überdacht – mit einer wirklich sehenswerten Holzkonstruktion. Der Rest der Eisfläche wird im Winter weiterhin als Eisfläche genutzt. In den wärmeren Monaten jedoch dient die dann eisfreie Fläche, die weiterhin als Eisstadion Davos bezeichnet wird, dem FC Davos als Fußballplatz. Entstanden ist hier nämlich ein Kunstrasenfeld. Etwas anderes als Kunstrasen ist auch gar nicht möglich, nicht nur wegen den Höhenlage von Davos, sondern weil sich auf dem Platz monatelang Eis befindet. Eine unglaubliche interessante Konstellation, auch wenn nicht ganz klar ist, ob der HC Davos tatsächlich Meisterschaften an eben dieer Stelle des Areals gewonnen hat, an der nun der Fußballplatz steht, oder nur dort, wo das eigentliche Eisstadion ist. Doch auch unabhängig davon beeindruckt der Platz, denn das Wappen des HC Davos und die schöne Dachkonstruktion der Eishalle sind allgegenwärtig. Hinzu kommen weitere Details, etwas dass der Platz von der vorbeiführenden Hauptstraße nicht durch einen klassischen Zaun getrennt wird, sondern durch Plexiglasscheiben wie in einem Eisstadion. Wie gesagt: Die Fläche wird ja im Winter weiterhin für Kufensport genutzt. Während der HC Davos zur Schweizer Spitze gehört, steht der ebenfalls blau-gelbe FC Davos am genau entgegengesetzten Ende der Leistungsskala und spielt nur in der untersten Liga. Fußball fristet hier im wahrsten Sinne des Wortes ein Schattendasein. Für das erste und bislang einzige Testspiel nach der Corona-Pause hat sich der FC Davos einen Gegner eingeladen, der ein ähnliches Schicksal teilt: Auch der FC Lenzerheide kommt aus einem bekannten Wintersportort und spielt nur in der untersten Liga. Bevor der Schmalspurzug wieder zurück ins Tal fährt, steht noch ein kleiner Spaziergang durch Davos an. Viel zu sehen gibt es hier nicht, historische Bauwerke sind Mangelware und überall wird gerade gebaut, um sich fit für die Wintersaison zu machen. Von den Socken hauen dafür die Preise, die hier so auf Speisekarten und bei Wohnungsinseraten zu sehen sind.