Sonntag, 28. Oktober 2018, 14.30 Uhr
Delémont, Stade de la Blancherie
Die Schweiz ist ein sehr heterogenes
Land: Während sich die Deutschschweiz kulturell kaum von
Baden-Württemberg unterscheidet, wähnt man sich in Genf und
Lausanne bereits in Paris. Im Tessin fühlt man sich nach wie vor der
Italianità verpflichtet, also der gesamt-italienischen Lebensart,
und dann sind da auch noch die abgeschiedenen Bergregionen, in denen
in rätoromanische Sprache überlebt hat. Man wundert sich, dass es
in einem Land mit unterschiedlichen Kulturen und vier verschiedenen
Sprachen augenscheinlich so besinnlich zugeht. Allerdings stimmt das
nicht ganz, denn es gibt eine Region in der Schweiz, die ein
Unruheherd ist: das Jura, das sich westlich von Basel entlang der
französischen Grenze zieht und zusammen mit dem Tessin als ärmste
Region der Eidgenossenschaft gilt. Das Schweizer Jura besteht aus
sechs Bezirken, die allesamt französischsprachig sind und
ursprünglich dem ansonsten deutschsprachigen Kanton Bern angehörten.
1947 ereignete sich die sogenannte Möckli-Affäre: Der Kanton Bern
verweigerte einem Politiker aus dem Jura, Bauminister des Kantons zu
werden. Begründung: Dieses Amt könne man keinen
französischsprachigen Politiker geben, weil es zu wichtig sei. Es
kam zu Protesten, die Parole „Jura libre“ (freies Jura)
machte die Runde und so kam es schweiz-typisch zu zwei
Volksabstimmungen, bei denen über die Abspaltung des Jura vom Kanton
Bern abgestimmt wurde. Das Jura ist in sich allerdings auch nicht
homogen, denn während die Bezirke Delémont, Porrentruy und
Franches-Montagnes katholisch sind, sind die drei anderen Bezirke
Courtelary, Moutier und La Neuveville protestantisch – genau wie
der restliche Kanton Bern. So stimmten nur die drei katholischen
Bezirke des Jura für die Abspaltung, die seit 1979 den neu
geschaffenen Kanton Jura mit seinem Hauptort Delémont bilden. Ruhe
ist deswegen aber nicht eingekehrt. Es gab immer wieder
Sprengstoffanschläge, der berühmte Unspunnenstein von Interlaken
wurde geklaut und 2001 mit Europasternen verziert im Jura wieder
aufgestellt sowie 2009 die auf dem geografischen Zentrum der Schweiz
aufstellte Pyramide geklaut. 2013 kam es zur dritten Volksabstimmung,
bei der die drei beim Kanton Bern verbliebenen Bezirke des Juras
gefragt wurden, ob sie sich nicht doch dem Kanton Jura anschließen
wollen. Diese lehnten erneut ab. Beendet ist der Konflikt damit aber
nicht. Es wundert also nicht, dass man gleich am Ortseingang von
Delémont (12.500 Einwohner) ein Haus sieht, an dem „Jura libre“
zu lesen ist. Die Parole begegnet einem im Stadtbild immer wieder.
Auch an die Stadionmauer wurde sie gepinselt. Ansonsten merkt man
deutlich, hier in einer abgeschiedenen Gegend der Schweiz gelandet zu
sein. Im Jura ist in der Nacht bereits der erste Schnee gefallen, was
dieses Bild nur unterstreicht – obwohl Basel nur 40 Kilometer
entfernt liegt. Eine graue Maus ist inzwischen auch die SR Delémont,
die immer mal wieder in der 1. Liga vertreten war (zuletzt in der
Saison 2002/03), jetzt aber in die 4. Liga abgestürzt ist. Ein
passender Gegner ist in der Hinsicht der FC Solothurn: Hier spielen zwei Hauptorte von Kantonen gegeneinander, die sich in einer
Talsohle befinden. Bei beiden Vereinen gibt es zudem eine
organisierte Ultras-Szene, wobei die Solothuner ganz klar ein paar
Schritte voraus ist. Nur mit der Pünktlichkeit hat man es bei den
Gästefans nicht ganz so, so dass erst ab der 20. Minute
Vollzähligkeit vermeldet werden kann.