Sonntag, 18. Februar 2018, 15 Uhr
Rheine, Stadion Delsen
Der Morgen beginnt gleich mal mit einer
„guten“ Nachricht, denn das geplante 11-Uhr-Spiel der A-Jugend
von Eintracht Rheine im Stadion Uhlenhook fällt wegen angeblicher
Unbespielbarkeit statt. Komisch, dass vier Stunden später am anderen
Ende der Stadt im Stadion Delsen gespielt werden kann. Wahrscheinlich
muss man aber eher sagen: Gott sei Dank fällt das Oberliga-Spiel
zwischen Eintracht Rheine und den Sportfreunden Siegen nicht aus. Die Freude ist auch deshalb groß, weil es das Spiel ist, worauf ich mich am meisten bei dieser
Tour gefreut habe. Warum? Aus Siegen kommt ein Ableger der
Deutschland-Sektion der Curva Sud Obermais, der auch heute mit von
der Partie ist, was für 90 höchst unterhaltsame Minuten spricht –
die es dann auch werden. Zunächst aber gilt es, den unerwartet zur
freien Verfügung stehenden Vormittag zu nutzen und ein bisschen
Rheine zu entdecken. Trotz ihrer Größe (75.000 Einwohner) hat die
Stadt keinen sonderlich hohen Bekanntheitsgrad, was auch daran liegt,
dass sie kurioserweise keine Kreisstadt ist. Zu der ist das nur halb
so große Steinfurt geworden, das sich damals eines frechen Tricks
bedient hat: Als in den 1970er-Jahren im Zuge der Verwaltungsreform
die Kreise Steinfurt und Tecklenburg vereint wurden, war eigentlich
klar, dass Rheine als größte Stadt Kreisstadt wird. Steinfurt
wollte das verhindern und Kreisstadt bleiben, also wurde einfach 1963
– als längst klar war, dass es zu dem Zusammenschluss der Kreise
kommen wird – für viel Geld das Kreishaus in Steinfurt neugebaut,
das nutzlos geworden wäre, wenn Rheine Kreisstadt wird. Tatsachen geschaffen.
Außerdem fusionierte Steinfurt mit der Nachbarstadt Borghorst, um
die 30.000-Einwohner-Marke zu knacken. Rheine ging damit leer aus, wenngleich man sagen muss, dass hier sowieso
(zumindest sonntags) nicht viel los ist. Kaum eine Kneipe hat
geöffnet, selbst manche Dönerläden bleiben zu und vor 13 Uhr fahren
keine Busse. Man fühlt sich wie im falschen Film. Immerhin ergibt
sich dadurch die Gelegenheit, Rheine zu Fuß zu erkunden, was sich zu
einem richtig netten Spaziergang entwickelt. Getrickst wurde
allerdings auch in Rheine, nämlich bei der Sankt-Antonios-Basilika,
die mit imposanten 102,5 Metern den höchsten Kirchturm im
Münsterland stellt. Das Ding wirkt wie ein wichtiges Bauwerk aus dem
frühen Mittelalter à la Dom zu Speyer, ist aber noch keine 120
Jahre alt und im Grunde nur ein Propaganda-Bau aus wilhelminischer
Zeit, der so tut als ob. Nach so viel Sightseeing wird’s
dann aber höchste Zeit für ein bisschen dolce vita im Münsterland
– wir gehen immer an der Ems entlang zum Stadion und damit zum
gemütlichen Teil über. Ganz so gemütlich eingestellt ist man vor
Ort allerdings nicht, denn neben ein paar Polizisten steht auch ein
hochmotivierter Sicherheitsdienst am Stadioneingang. Hintergrund:
Zuletzt kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Siegen und Münster, und
da Rheine absolutes Münster-Gebiet ist, wird hier mit einem erneuten
Angriff gerechnet. Der bleibt aber aus. Aus Siegen haben ein Bus und
ein paar Autos die mit Abstand weiteste Auswärtsfahrt der Saison
angetreten – exakt 200 Kilometer waren es von der hessischen an die
niederländische Grenze. Die Stimmung bei den Siegenern ist
eigentlich ganz gut, dazu mehrfach Pyrotechnik und ein
Soli-Spruchband für Rot-Weiß Essen, aber leider sind die Pausen
zwischen den Gesängen mitunter recht lang. Teilweise wird 20 Minuten
lang einfach mal gar nicht gesungen. In dem Fall ist es aber nicht
ganz so dramatisch, denn ehrlicherweise verquatschen wir das Spiel
größtenteils und sind mit unseren Gedanken eher in Südtirol als im
Münsterland. Richtig sympathisch ist auch das Stadion mit seinen
rustikalen Stehstufen und den frei zugänglichen Umkleidekabinen wie
auf einem Dorfsportplatz. Dass man die Tribüne aber nicht auf die
Gerade, sondern hinters Tor gezimmert hat, ist wirklich sehr kurios.
Ein dickes grazie geht auch an der Stelle noch mal an Pasquale
für den netten Tag und das Organisieren einer Mitfahrgelegenheit nach dem Spiel zum
Bahnhof, wäre sonst knapp geworden, den Zug noch erwischen. Alla
prossima!