Mittwoch, 19. Juli 2017, 19.30 Uhr
Elbasan, Elbasan Arena
Es geht
weiter Richtung Südosten, wo es zwar etwas holpriger, aber
zweifelsohne noch interessanter wird. Umso ungünstiger, dass die
Nacht recht kurz war und die Äuglein immer mal wieder zufallen.
Spannend wird es bereits vor der albanisch-montenegrinischen Grenze,
denn die Bevölkerung von Montenegro ist keinesweg homogen. Rund 30
Prozent sind wie angesprochen Serben, weitere 15 Prozent muslimische
Bosniaken und Albaner. Die leben hauptsächlich im Grenzgebiet zu
Albanien und dem Kosovo, weshalb die Schilder schon weit vor der
Grenze zweisprachig werden. Die Grenze selbst ist so, wie man sich
Albanien in Deutschland vorstellt, dahinter macht sich das
jahrzehntelang unter Diktator Enver Hoxha isolierte Land aber immer
mehr. Ich bin jetzt das dritte Mal in Albanien und es geht wirklich
jedes Mal mehr. Dabei ähnelt Albanien verstärkt an Italien, denn
neben der Optik der Straßenschilder hat man nun auch das
italiensische Autokennzeichen-System eins zu eins übernommen. Kulinarisch ist man sowieso seit jeher von Italien beeinflusst. Pizza und Pasta an jeder Ecke. Großer
Pluspunkt ist, dass man hier zwar haufenweise auf andere Protzkarren
mit deutschen und schweizerischen Kennzeichen trifft, da aber immer
Auslandsalbaner drinsitzen. Westliche Touristen gibt es hier also
kaum, weshalb einem fast immer der rote Teppich ausgerollt wird.
Höhepunkt: Weil wir mit 150 statt erlaubter 80 km/h über die
Landstraße brettern und dabei auch noch trotz Überholverbot
überholen, hält uns eine Polizeistreife an. Wir rechnen mit der
ganz großen Abzieh-Meisterschaft, nach einem Blick auf die Ausweise
fragt der Polizist aber nur ganz verwundert „Deutsch?“, lächelt
und lässt uns weiterfahren. Ähnliches passiert uns auch an der
Elbasan Areana, das seit einer großangelegten Renovierung 2014 zum
neuen Nationalstadion wurde und wohin auch der FK Kukësi sein
Champions-League-Spiel gegen den FC Sheriff Tiraspol aus Moldawiens
pro-sowjetischer Teilrepublik Transnistrien verlegt hat. Wir machen
mir der Karre offenbar einen sehr seriösen Eindruck, weshalb uns
gleich der erste Polizist mit der Frage „Are you from UEFA?“
anspricht und uns direkt vor der Tribüne parken lässt. Auch die
Ticket-Frage erübrigt sich damit, denn obwohl es am Ende nur 1.400
Zuschauer sind und das Stadion praktisch leer bleibt, findet
eine halbe Stunde vor Anstoß kein Kartenverkauf mehr statt. Aber
natürlich: UEFA-Vertreter kommen immer rein... Fehl am Platz wirkt
das supermoderne Stadion, das so gar nicht zu Albanien passen will.
Aber schon beim Fahren durch die 80.000-Einwohner-Stadt, die etwa 50
Kilometer südlich von der Hauptstadt Tirana liegt, ließ uns manch
modernes Gebäude staunen. Andererseits geht’s bei der Organisation
dann doch eher landestypisch zu, denn obwohl hier immer noch
Temperaturen von mehr als 30 Grad herrschen, gibt’s nicht einen
einzigen Getränkestand im Stadion. Das ist hier wohlgemerkt
Champions League. Zwei Faktoren lassen dann aber doch die
Zufriedenheit in die Höhe schnellen: die absolut geniale
Berglandschaft, in die Elbasan eingebettet (die Berge reichen bis zu
1.800 Meter in die Höhe), und die rund 50 Kukësi-Ultras rund um die
Hauptgruppe Mërgata (Diaspora), die durchgängig im typisch
albanischen Stil supporten. Typisch albanischer Stil, das bedeutet vor allem
sehr jugoslawisch angehaucht, aber auch mit eher türkischen
Elementen. Ein Relikt der Hoxha-Diktatur scheint zu sein, dass hier
der Respekt vor der Polizei sehr groß ist. Nach den beiden Toren von
Kukësi hüpfen die Jungs sofort auf den Zaun, aber ein Fingerzeig
der sofort aufmarschierenden Polizei reicht und alle gehen wieder
runter. Der Vollständigkeit wegen: Gästefans sind keine da.
Überraschung. Nach dem Spiel geht’s zurück nach Tirana, wo wir
uns in das leider nicht so übertrieben geile Nachtleben der
Hauptstadt stürzen. Nicht weiter schlimm, denn umso früher geht’s
in die Falle, schließlich steht morgen die Fahrt an die griechische
Grenze an. Da wird dann auch das Nachtleben wieder besser.