Sonntag, 23. Juli 2017, 20.20 Uhr
Nova Gorica, Športni Park
Mit Abpfiff in Korça endet der bereits
geplante Teil der Tour. Ab jetzt können wir spontan entscheiden, wie
es weitergeht. Ursprünglich wollten wir ja nach Belgrad fliegen und
von dort aus die Tour per Mietwagen machen. Nachdem wir das Flugzeug
aber knapp verpasst haben, ging es dann halt von Stuttgart aus mit
eigenem Auto hinunter an die griechische Grenze, wo wir jetzt stehen.
Der ursprüngliche Plan würde uns jetzt wieder nach Serbien führen,
um den ersten Spieltag mit dem Zemun-Spiel in Lučani und dem
Roter-Stern-Heimspiel gegen Radnički Niš mitzunehmen. Da wir die
letzten Tage aber eh ständig im Auto gesessen haben, schmeißen wir
den Plan um, bleiben weiter an der Adriaküste und wählen eine
deutlich entspanntere Version, allerdings mit nur einem Spiel an
diesem Wochenende.
Den Freitag verbringen wir in Durrës, die mit rund 110.000 Einwohnern zweitgrößte Stadt Albaniens. Durrës besitzt den größten Hafen des Landes, wo nicht nur Waren umgeschlagen werden, sondern auch die Fähren nach Italien übersetzen. Neben Deutschland und der Schweiz ist Italien das europäische Land mit den meisten Auslandsalbanern, für die wiederum Durrës Brückenkopf ist, um in die Heimat zu gelangen. Allein schon deshalb wirkt die Hafenstadt noch italienischer als das restliche Albanien (während zum Beispiel Korça wie gesagt sehr griechisch wirkt). Zweiter wichtiger Wirtschaftsfaktor ist in Durrës der Tourismus. Die Stadt besitzt einen mehrere Kilometer langen Sandstrand, an dem nach dem Ende des Kommunismus – also ab den 90er-Jahren – Hotel-Burg an Hotel-Burg gebaut wurde. Absoluter Massentourismus und jetzt in der Hochsaison bekommt man kaum ein Bein auf die Erde bzw. in den Sand. Vor allem Albaner aus dem nicht weit entfernten Kosovo machen hier Urlaub. Das Preisniveau ist etwas höher als im restlichen Albanien, Essen und Trinken haben fast schon italienische Qualität (der Cappuccino ist ein Traum!) und stellenweise fühlt man sich tatsächlich wie in Rimini. Das Nachtleben ist nicht so toll, alles eher auf Familien ausgelegt. Für einen Tag aber recht interessant.
Den Samstag verbringen wir dann entgegen unserer Kalkulation maßgebelich auf der Straße. Das liegt zum einen an der dreistündigen Wartezeit am albanisch-montenegrinischen Grenzübergang, zum anderen an der Tatsache, dass es bis kurz vor Split keinen einzigen Meter Autobahn gibt und man entlang der Küste aufgrund des zähen Verkehrs – gerade jetzt im Hochsommer – im Schnitt nur mit 30 bis 40 km/h voran kommt. Mit Einbruch der Dunkelheit erreichen wir das kurz hinter Split gelegene Trogir. Traumhafte Altstadt, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört und in der wir den Abend verbringen. Das Preisniveau ist aber gleich mal doppelt so hoch wie in Albanien und Montenegro.
Ausschlafen ist dann aber auch am Sonntag nicht drin, denn gut 500 km liegen noch zwischen Trogir und Nova Gorica. Die slowenische Stadt an der italienischen Grenze war schon lange ein favorisiertes Ziel von mir und liegt nahezu perfekt auf dem Heimweg, dazu gastiert hier heute die spannendste Szene Sloweniens. Richtig spannend ist aber auch die Geschichte von Nova Gorica, das ein Produkt des Zweiten Weltkriegs ist. In den letzten Kriegstagen rückten die jugoslawischen Partisanen in Istrien immer weiter vor und schafften es noch, den Bahnhof der italienischen Stadt Gorizia zu besetzen, nicht aber die eigentliche, westlich vom Bahnhof gelegene Stadt. Resultat nach Kriegsende: Gorizia blieb bei Italien, der Bahnhof aber fiel zusammen mit ein paar umliegenden Häusern an Jugoslawien. Jugoslawien entschied sich unter Staatschef Tito dafür, östlich des Bahnhofs eine neue Stadt mit typisch sozialistischer Optik aus dem Boden zu stampfen: Nova Gorica. Die Grenze zwischen Gorizia und Nova Gorica verläuft seit Kriegsende quer über den Bahnhofsvorplatz des alten Bahnhofs von Gorizia, der jetzt der Bahnhof von Nova Gorica ist (Gorizia hat inzwischen einen neuen Bahnhof am anderen Ende der Stadt gebaut). Jahrzehntelang war die Grenze hermetisch abgeriegelt und man stichelte gegen den Nachbarn: Die Italiener hissten eine riesige Tricolore, die bis weit hinter die Grenze sichtbar war, die Jugoslawen wiederum legten mit Steinen einen ebenso großen „Tito“-Schriftzug an einem Hügel oberhalb der Stadt an, den man noch heute sieht. Erst mit dem EU-Beitritt Sloweniens (2004) und dem Inkrafttreten des Schengen-Abkommens (2007) wurden die Grenzen abgebaut. Der gesamte Bahnhofsvorplatz ist seitdem frei passierbar. Auch die beiden Städthälften, in denen jeweils rund 35.000 Menschen leben, wachsen seither zusammen. Ohnehin ist ja der westliche Teil Sloweniens sehr italienisch geprägt, zumal es hier noch aus Vorkriegszeiten eine italienische Minderheit gibt und viele Slowenen in Italien arbeiten. Hier in Nova Gorica ist das aber noch ein Stück intensiver, zumal viele Italiener ihre Nachmittage und Abende aufgrund des niedrigeren Preisniveaus in den Bars und Restaurants von Nova Gorica verbringen. Das wirkt mitunter sehr seltsam: Da sitzt man mitten in einer sozialistischen, pseudo-modern gebauten Innenstadt und wähnt sich trotzdem irgendwie auf dem Markusplatz von Venedig. Die Kellner sprechen einen von sich aus auf Italienisch statt Slowenisch an und auch überall um einen herum wird Italienisch gesprochen – und natürlich Veneziano getrunken. Wohl auch aufgrund der extremen Grenzlage weist Nova Gorica eine zweite Besondersheit auf, denn es nennt sich inzwischen das „Las Vegas Europas“. Die Dichte an Casinos hier ist wirklich immens, natürlich sind auch hier die meisten Gäste keine Slowenen, sondern italienische Zocker. Betrieben werden die meisten Casinos vom Hit-Konzern, der wiederum dem ein oder anderen Fußballfan ein Begriff sein dürfte, denn Erstligist ND Nova Gorica – mit vier Meistertiteln dritterfolgreichster Verein Sloweniens – trug den Hit-Konzern lange Zeit als Sponsor im Vereinsnamen. Die Zeiten sind inzwischen vorbei, allerdings liegt auch der letzte Meistertitel elf Jahre zurück. Mit dem heutigen Heimspiel gegen Olimpija Ljubljana steht für den Klub gleich im ersten Heimspiel der Saison das Highlight im örtlichen Sportpark an, der sich direkt an der Hauptstraße nach Gorizia befindet, nur etwa 500 Meter von der Grenze entfernt. Highlight – das bedeutet hier allerdings gerade einmal 1.100 Zuschauer. Die Heimfans rund um die 1991 gegründeten Terror Boys machen einen recht soliden Eindruck, reißen mit ihren 50 Leuten aber natürlich keine Bäume raus. Einen italienischen Support-Stil sucht man bei ihnen übrigens vergeblich, auch hier wird Yugo pur geboten. Mit nur 50 Leuten ist auch der Hauptstadtverein angerückt, die allerdings keinen sonderlich motivierten Eindruck machen. Die Green Dragons 1988 haben sich vor dem Spiel in einer Bar in der Innenstadt getroffen und als wir uns 20 Minuten vor Anstoß auf den Weg ins Stadion gemacht haben, wurde dort noch ne Runde Bier und Veneziano geordert. So viel zur Motiviation. Dauert dann auch bis zur 30. Spielminute, bis überhaupt mal alle im Gästeblock sind. Der befindet sich quasi direkt neben dem Heimblock, dennoch kommt es zu keinen Konfrontationen – obwohl verhältnismäßig wenig Polizei anwesend ist. Überhaupt geht es hier recht entspannt zu. Dass sich im Stadion gleich mehrere Bars befinden, die wirklich alle flüssigen Annehmlichkeiten kredenzen (wohlgemerkt im Glas, nicht im Pappbecher), passt da nur zu gut ins Bild. Bevor wir am nächsten Morgen nach dieser unglaublich vielseitigen Tour den Heimweg in Angriff nehmen, checken natürlich auch wir in einem der Casinos ein. Tja, und manchmal hat man eben Glück – und schon finanziert sich ein Teil der Tour von selbst.
Den Freitag verbringen wir in Durrës, die mit rund 110.000 Einwohnern zweitgrößte Stadt Albaniens. Durrës besitzt den größten Hafen des Landes, wo nicht nur Waren umgeschlagen werden, sondern auch die Fähren nach Italien übersetzen. Neben Deutschland und der Schweiz ist Italien das europäische Land mit den meisten Auslandsalbanern, für die wiederum Durrës Brückenkopf ist, um in die Heimat zu gelangen. Allein schon deshalb wirkt die Hafenstadt noch italienischer als das restliche Albanien (während zum Beispiel Korça wie gesagt sehr griechisch wirkt). Zweiter wichtiger Wirtschaftsfaktor ist in Durrës der Tourismus. Die Stadt besitzt einen mehrere Kilometer langen Sandstrand, an dem nach dem Ende des Kommunismus – also ab den 90er-Jahren – Hotel-Burg an Hotel-Burg gebaut wurde. Absoluter Massentourismus und jetzt in der Hochsaison bekommt man kaum ein Bein auf die Erde bzw. in den Sand. Vor allem Albaner aus dem nicht weit entfernten Kosovo machen hier Urlaub. Das Preisniveau ist etwas höher als im restlichen Albanien, Essen und Trinken haben fast schon italienische Qualität (der Cappuccino ist ein Traum!) und stellenweise fühlt man sich tatsächlich wie in Rimini. Das Nachtleben ist nicht so toll, alles eher auf Familien ausgelegt. Für einen Tag aber recht interessant.
Den Samstag verbringen wir dann entgegen unserer Kalkulation maßgebelich auf der Straße. Das liegt zum einen an der dreistündigen Wartezeit am albanisch-montenegrinischen Grenzübergang, zum anderen an der Tatsache, dass es bis kurz vor Split keinen einzigen Meter Autobahn gibt und man entlang der Küste aufgrund des zähen Verkehrs – gerade jetzt im Hochsommer – im Schnitt nur mit 30 bis 40 km/h voran kommt. Mit Einbruch der Dunkelheit erreichen wir das kurz hinter Split gelegene Trogir. Traumhafte Altstadt, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört und in der wir den Abend verbringen. Das Preisniveau ist aber gleich mal doppelt so hoch wie in Albanien und Montenegro.
Ausschlafen ist dann aber auch am Sonntag nicht drin, denn gut 500 km liegen noch zwischen Trogir und Nova Gorica. Die slowenische Stadt an der italienischen Grenze war schon lange ein favorisiertes Ziel von mir und liegt nahezu perfekt auf dem Heimweg, dazu gastiert hier heute die spannendste Szene Sloweniens. Richtig spannend ist aber auch die Geschichte von Nova Gorica, das ein Produkt des Zweiten Weltkriegs ist. In den letzten Kriegstagen rückten die jugoslawischen Partisanen in Istrien immer weiter vor und schafften es noch, den Bahnhof der italienischen Stadt Gorizia zu besetzen, nicht aber die eigentliche, westlich vom Bahnhof gelegene Stadt. Resultat nach Kriegsende: Gorizia blieb bei Italien, der Bahnhof aber fiel zusammen mit ein paar umliegenden Häusern an Jugoslawien. Jugoslawien entschied sich unter Staatschef Tito dafür, östlich des Bahnhofs eine neue Stadt mit typisch sozialistischer Optik aus dem Boden zu stampfen: Nova Gorica. Die Grenze zwischen Gorizia und Nova Gorica verläuft seit Kriegsende quer über den Bahnhofsvorplatz des alten Bahnhofs von Gorizia, der jetzt der Bahnhof von Nova Gorica ist (Gorizia hat inzwischen einen neuen Bahnhof am anderen Ende der Stadt gebaut). Jahrzehntelang war die Grenze hermetisch abgeriegelt und man stichelte gegen den Nachbarn: Die Italiener hissten eine riesige Tricolore, die bis weit hinter die Grenze sichtbar war, die Jugoslawen wiederum legten mit Steinen einen ebenso großen „Tito“-Schriftzug an einem Hügel oberhalb der Stadt an, den man noch heute sieht. Erst mit dem EU-Beitritt Sloweniens (2004) und dem Inkrafttreten des Schengen-Abkommens (2007) wurden die Grenzen abgebaut. Der gesamte Bahnhofsvorplatz ist seitdem frei passierbar. Auch die beiden Städthälften, in denen jeweils rund 35.000 Menschen leben, wachsen seither zusammen. Ohnehin ist ja der westliche Teil Sloweniens sehr italienisch geprägt, zumal es hier noch aus Vorkriegszeiten eine italienische Minderheit gibt und viele Slowenen in Italien arbeiten. Hier in Nova Gorica ist das aber noch ein Stück intensiver, zumal viele Italiener ihre Nachmittage und Abende aufgrund des niedrigeren Preisniveaus in den Bars und Restaurants von Nova Gorica verbringen. Das wirkt mitunter sehr seltsam: Da sitzt man mitten in einer sozialistischen, pseudo-modern gebauten Innenstadt und wähnt sich trotzdem irgendwie auf dem Markusplatz von Venedig. Die Kellner sprechen einen von sich aus auf Italienisch statt Slowenisch an und auch überall um einen herum wird Italienisch gesprochen – und natürlich Veneziano getrunken. Wohl auch aufgrund der extremen Grenzlage weist Nova Gorica eine zweite Besondersheit auf, denn es nennt sich inzwischen das „Las Vegas Europas“. Die Dichte an Casinos hier ist wirklich immens, natürlich sind auch hier die meisten Gäste keine Slowenen, sondern italienische Zocker. Betrieben werden die meisten Casinos vom Hit-Konzern, der wiederum dem ein oder anderen Fußballfan ein Begriff sein dürfte, denn Erstligist ND Nova Gorica – mit vier Meistertiteln dritterfolgreichster Verein Sloweniens – trug den Hit-Konzern lange Zeit als Sponsor im Vereinsnamen. Die Zeiten sind inzwischen vorbei, allerdings liegt auch der letzte Meistertitel elf Jahre zurück. Mit dem heutigen Heimspiel gegen Olimpija Ljubljana steht für den Klub gleich im ersten Heimspiel der Saison das Highlight im örtlichen Sportpark an, der sich direkt an der Hauptstraße nach Gorizia befindet, nur etwa 500 Meter von der Grenze entfernt. Highlight – das bedeutet hier allerdings gerade einmal 1.100 Zuschauer. Die Heimfans rund um die 1991 gegründeten Terror Boys machen einen recht soliden Eindruck, reißen mit ihren 50 Leuten aber natürlich keine Bäume raus. Einen italienischen Support-Stil sucht man bei ihnen übrigens vergeblich, auch hier wird Yugo pur geboten. Mit nur 50 Leuten ist auch der Hauptstadtverein angerückt, die allerdings keinen sonderlich motivierten Eindruck machen. Die Green Dragons 1988 haben sich vor dem Spiel in einer Bar in der Innenstadt getroffen und als wir uns 20 Minuten vor Anstoß auf den Weg ins Stadion gemacht haben, wurde dort noch ne Runde Bier und Veneziano geordert. So viel zur Motiviation. Dauert dann auch bis zur 30. Spielminute, bis überhaupt mal alle im Gästeblock sind. Der befindet sich quasi direkt neben dem Heimblock, dennoch kommt es zu keinen Konfrontationen – obwohl verhältnismäßig wenig Polizei anwesend ist. Überhaupt geht es hier recht entspannt zu. Dass sich im Stadion gleich mehrere Bars befinden, die wirklich alle flüssigen Annehmlichkeiten kredenzen (wohlgemerkt im Glas, nicht im Pappbecher), passt da nur zu gut ins Bild. Bevor wir am nächsten Morgen nach dieser unglaublich vielseitigen Tour den Heimweg in Angriff nehmen, checken natürlich auch wir in einem der Casinos ein. Tja, und manchmal hat man eben Glück – und schon finanziert sich ein Teil der Tour von selbst.