Samstag, 3. Juni 2017, 15 Uhr
Heddesheim, Stadion Heddesheim
Bahnfahrer müssen heute in
Baden-Württemberg ganz tapfer sein, denn die Partei „Die Rechte“
hat diesen Tag zum „Tag der deutschen Zukunft“ erklärt. Der
beinhaltet eine Kundgebung am für den Bahnverkehr im Ländle nicht
unwichtigen Bahnhof Karlsruhe-Durlach. Auch wenn sich dort
letztendlich nur 300 Rassisten einfinden, zieht das natürlich eine
riesige Gegendemonstration nach sich, ebenfalls am Bahnhof
Karlsruhe-Durlach. Da deshalb die Bundespolizei den Bahnverkehr in
die Hand nimmt, die an sämtlichen Bahnhöfen weit um Karlsruhe herum
präsent ist und Züge einfach ohne Halt durchfahren lässt, wenn ihr
die Leute am Bahnsteig zu suspekt erscheinen, bricht dadurch im
gesamten Ländle das große Bahn-Chaos aus. Dass man mit so etwas
rechnen muss, war aber schon vorher klar, und da es heute mal mit der
Bahn und dem guten, alten Baden-Württemberg-Ticket nach Heddesheim
geht und sowieso in Karlsruhe-Durlach umgestiegen werden muss, kann
man auch gleich mal drei Stunden früher losfahren und sich den Spuk
aus der Nähe anschauen. Sowieso gilt: Präsenz
zeigen gegen menschenverachtende Inhalte ist keine verlorene Zeit. Nach getaner Bürgerpflicht steht
dann aber König Fußball auf dem Programm und der hält auf dem Weg
nach Heddesheim eine schöne Überraschung parat, denn die Bahn setzt
zwischen Heidelberg und Weinheim noch die alten Regional-Express-Züge
mit den grünen Sitzbezügen ein. Ihr erinnert Euch vielleicht noch:
leicht modriger Geruch, butterweiche Sitze und Fenster, die sich
komplett öffnen lassen – welch herrlicher Luxus längst
vergangener Tage auf den Schienen dieser Republik... Heddesheim
besitzt zwei Bahnhöfe. Der weit ab vom Schuss gelegene Bahnhof
Heddesheim/Hirschberg liegt dabei deutlich näher am Stadion, das
nach 20 Minuten Fußmarsch erreicht ist. Dort dann gähnende Leere.
Die Fortunen haben mit dem ganz großem Ansturm gerechnet und eigens
mehrere Wiesen mittels Absperrbändern und ausgeklügelten
Verkehrswegen in Parkplätze umgewandelt. Das Problem: Kein einziges
Auto parkt dort. Das mehr als triste Bild lässt sich jedoch mit dem
Blick auf die sportliche Situation erklären: Während die Meister
der drei Verbandsligen aus Württemberg, (Nord-) Baden und Südbaden
direkt in die Oberliga aufsteigen, ermitteln die drei Vizemeister
einen weiteren Aufsteiger. Zunächst findet ein Entscheidungsspiel
(mit Hin- und Rückspiel) zwischen den beiden Vizemeistern aus den
kleineren Landesverbänden Baden und Südbaden statt, dessen Sieger
dann (ebenfalls in Hin- und Rückspiel) gegen den Vizemeister aus dem
deutlich größeren – weil im Gegensatz zu Baden seit 1951 nicht
mehr in Nord und Süd aufgesplitteten – Württemberg antritt. In
diesem Fall handelt es sich um das Rückspiel des badischen
Entscheidungsspiels und da die alte Dame Freiburger FC (deutscher
Meister von 1907) das Hinspiel bereits mit 4:0 gewonnen hat, bleiben
die Zuschauermassen fern. Die, die da sind, erleben in dem nur gut
einen Kilometer Luftlinie von der hessischen Landesgrenze entfernten
Heddesheimer Stadion jedoch fast die Sensation, denn die Hausherren
führen zur Halbzeit mit 2:0 und erwecken den Eindruck, die Wende
noch schaffen zu können. Nach dem Seitenwechsel macht der FFC dann
aber ernst.