Donnerstag, 13. April 2017, 18.15 Uhr
Dortmund, Waldstadion Aplerbeck
Ostern und die gewohnte, beinahe schon nervige Frage: Wohin an diesem langen Wochenende? Es sind ja schließlich nicht einfach bloß vier freie Tage am Stück, sondern eben auch vier Tage, die die sonstigen Spieltagsgewohnheiten von Staat zu Staat, ja sogar von Bundesland zu Bundesland gehörig durcheinanderwirbeln. Beliebtes Ziel über Ostern war in den vergangenen Jahren Ex-Jugoslawien, da die dortigen Kurven jedoch Spiele am Ostersonntag aus religiösen Gründen immer häufiger boykottieren und auch in interessanten Nachbarländern wie Italien der Ball am Ostersonntag ruht, lautet das Ziel in diesem Jahr ganz pragmatisch: Deutschland. Und da in Deutschland am Karfreitag einzig in den Ländern Hamburg und Bremen Fußball geboten wird, muss es zwangsläufig hinauf in den Norden gehen. Die Rundreise durch Deutschland beginnt in Dortmund, wo sich zwei Tage zuvor der Sprengstoffanschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund ereignet hat. Gelegenheit zum Zeitvertreib bis zum Anpfiff im Waldstadion im Stadtteil Aplerbeck bietet das deutsche Fußballmuseum am Dortmunder Hauptbahnhof, das der DFB mit den Gewinnen der Fußball-WM 2006 gebaut hat. Wer bereit ist, den überteuerten Eintrittspreis von 17 Euro zu bezahlen, bekommt einen umfangreichen Blick auf den deutschen Fußball aus DFB-Sicht zu sehen. Viele Origianle gehören dazu, zu stark ist jedoch der Fokus auf den Nationalmannschaftsfußball und dort insbesondere auf den Gewinn der vier WM-Titel des DFB gerichtet. Erst der zweite, kleinere Teil des Museums beschäftigt sich mit dem Vereinsfußball. Das eigentlich imposanteste Ausstellungsstück fristet nur ein Schattendasein, nämlich die Viktoria. Sie wurde von 1903 bis 1944 an den deutschen Meister vergeben. Nachdem der über einen Meter hohe Wanderpokal im Zweiten Weltkrieg verloren ging, führte der DFB 1949 die Meisterschale ein – ursprünglich nur als Übergangs-, dann aber als Dauerlösung. Erst 1990 tauchte die Viktoria nach der Wiedervereinigung in Ostdeutschland wieder auf. Was viele nicht wissen: Von 1992 bis 2014 wurde die Viktoria dem deutschen Meister – in einer eigenen Zeremonie – parallel zur Meisterschale überreicht, weshalb sich auf dem historischen Sockel heute auch das Wappen des ja erst 1945 gegründeten VfL Wolfsburg (deutscher Meister von 2009) wiederfindet. Seit 2015 steht die (wohlgemerkt originale) Viktoria im deutschen Fußballmuseum, wo sie allerdings keinen prominenten Platz erhalten hat. Ebenso erstaunlich ist, dass die Ultras immerhin einen kleinen Platz im Museum erhalten haben. Neben Megafon, Gürteltasche, Nürnberger „Anti FÜ“-Mütze und drei Fotos ist der sehr diplomatisch verfasste Begleittext zu lesen: „Die Beziehungen zwischen Verband, Vereinen und Fans sind nicht frei von unterschiedlichen Interessen. Brisante Themen sind insbesondere die Kommerzialisierung, Ticketpreise und die Reglementierung von Fanaktionen.“ Nach so viel schöner, bunter DFB-Welt ist man ganz froh, im direkten Anschluss den Fußball wieder in seiner weltlichen Form sehen zu können. Der SC Aplerbeck ist zwischen 2007 und 2014 viermal aufgestiegen und hat sich damit – nur ein paar Bahnmiuten entfernt vom Westfalenstadion – zur sportlichen Nummer zwei von Dortmund entwickelt. Inzwischen nennt er sich offiziell ASC 09 Dortmund, wohl um einen Bezug zur Kernstadt und zum großen Nachbarverein herzustellen, und auch das Wappen lässt gewisse Rücksschlüsse zum BVB zu. Für die eigentlichen Hingucker sind heute jedoch die Gäste des SV Lippstadt in Form ihrer rund 30 mitgereisten Ultrass verantwortlich, die sich auf der etwas deplatziert wirkenden überdachten Hintertortribüne niederlassen. Traurig ist die Reaktion der Gastgeber auf eine brennende Fackel bei den Lippstadt-Ultras in der ersten Halbzeit: Der Stadionsprecher überschlägt sich regelrecht bei seiner Durchsage, dies sofort zu unterlassen, und stellt einen (undurchdachten) Kontext zum Anschlag auf den Borussia-Mannschaftsbus vor 48 Stunden her. Mehrere Ordner werden nun auf der Hintertortribüne postiert, zudem umgehend der Verkauf von Flaschenbier eingestellt. Wegen einer Fackel. Der Lippstadt-Anhang lässt sich davon nicht beirren und setzt seinen überaus modern geprägten, dadurch aber auch etwas künstlich wirkenden Support bis zum Abpfiff fort – und lässt in der zweiten Halbzeit einen weiteren, diesmal kräftigeren Einsatz von Pyrotechnik folgen.