Sonntag, 19. Februar 2017, 21 Uhr
Paris, Parc des Princes
Die
Vereinsgeschichte des PSG ist eine besondere, da der Verein 1970 aus
Prestige-Gründen von Saint-Germain-en-Laye nach Paris transferiert
und damit über Nacht vom Kleinstadt- zum Hauptstadt-Club wurde. Das
hat zur Folge, dass der PSG nie eine natürlich gewachsene, sondern
stets heterogene Fanszene hatte. Und das ändert sich auch nicht, als
in den 80er- und 90er-Jahren die Ultras-Bewegung den Parc des Princes
erreichte. Die Tribune Boulogne gab sich stets bürgerlich,
konservativ und mitunter rechtsextrem, während die gegenüberliegende
Tribune Auteuil multikulturell war, was zu ständigen Konflikten
zwischen beiden Kurven führte. Der November 2006 markiert das erste
Kapitel des Todes der Fanszene des PSG, als Ultras der Tribune
Boulogne beim UEFA-Cup-Spiel gegen Hapoel Tel Aviv einen israelischen
Fan jagten, was zu mehreren Festnahmen, negativen Schlagzeilen und
gar einer Anti-PSG-Demonstration vor dem Parc des Princes führte. Im
März 2008 zeigte die Tribune Boulogne beim Spiel gegen den
nordfranzösischen RC Lens das europaweit bekannt gewordene
Spruchband „Pédophiles, chômeurs, consanguins: bienvenue chez les
Ch’tis“ („Pädophile, Arbeitslose, Inzest-Gezeugte: Willkommen
bei den Ch'tis/Nordfranzosen“), was Bezug nahm zum seinerzeit in
Frankreich höchst populären Film „Bienvenue chez les Ch’tis“
(„Willkommen bei den Ch'tis“). Es gab erneut einen landesweiten
Aufschrei, der PSG wurde daraufhin vom Ligapokal ausgeschlossen, die
1985 gegründeten Boulogne Boys als führende Gruppe der Tribune
Boulogne vom französischen Innenministerium verboten. Nachdem es in
den folgenden Monaten beim durch die beiden Vorfälle ohnehin unter
Beobachtung stehenden PSG verstärkt zu Ausschreitungen zwischen der
Tribune Boulogne und der Tribune Auteuil kam, die auf ihrem Höhepunkt
zu einem Todesfall führten, wurden 2010 auch die drei
Auteuil-Gruppen Supras Auteuil (gegründet 1991), Authentiks (2002)
und La Grinta (2009) verboten. Mit Beginn der Saison 2011/12 wurde
den Ultras im Parc des Princes dann endgültig der Todesstoß
verpasst: Fortan war es nicht mehr möglich, eine größere Zahl an
Tickets für nebeneinanderliegende Plätze zu kaufen, damit die
Gruppen sich nicht mehr im Stadion organisieren können.
Dauerkarteninhabern wird durch ein Computersystem für jedes
Heimspiel ein anderer Sitzplatz zugewiesen. Organisierte Stimmung gab
es im Parc des Princes seither nicht mehr. Das änderte sich zu
Beginn der laufenden Saison, als mit dem Collectif Ultra Paris
organisierte Ultras auf die Tribune Auteuil zurückkehrten. Da die
dubiose Praxis beim Ticket-Kauf nach wie vor angewendet wird, waren
dafür lange Verhandlungen mit der Vereinsführung notwendig, die
verdeutlichte, die Ultras nur auf Bewährung zuzulassen. Schon
kleinste Verstöße könnten zum Entzug der Tickets führen. Fünf
Monate nach der zaghaften Rückkehr der Ultras lässt sich beim
Heimspiel gegen Toulouse sagen, dass wieder Stimmung im Parc des
Princes herrscht. Optisch und akustisch macht die Tribune Auteuil
schon einen recht passablen Eindruck, der in der Form ganz und gar
nicht erwartet wurde und sogar ein wenig an alte Zeiten erinnert,
auch wenn zum Beispiel noch keine Zaunfahnen zu sehen sind (dafür aber ein Solidaritätsspruchband für Théo L.). Und auch
auf der Tribune Boulogne findet man inzwischen kleine Inseln von
Ultras sowie einen Vorsänger. Trotzdem verdeutlichen einem der nicht
frei wählbare Platz beim Ticket-Kauf und das Fehlen von Gästefans,
dass der Parc des Princes von 2017 nicht der Parc des Princes von
2007 ist - auch wenn auf den Böden hinter den Kurven anhand der Abdrücke noch immer zu sehen ist, wie hier einst Spruchbänder und Fahnen gepinselt wurden.