SV Stuttgarter Kickers – ATSV Mutschelbach 3:0

Deutschland, Oberliga Baden-Württemberg (5.Liga)
Mittwoch, 14. September 2022, 19.45 Uhr
Stuttgart, Waldaustadion

Flutlichtspiel unter der Woche auf der Waldau – das nehmen wir gerne mit. Der Name des Gegners lässt einen dabei wirklich mit der Zunge schnalzen. Ich muss sagen: Wohl kein anderer in dieser Liga führt den Kickers so sehr vor Augen, den Tiefpunkt der fast 123-jährigen Vereinsgeschichte erreicht zu haben. Die Blauen feiern in exakt sieben Tagen am 21. September ihren 123. Geburtstag. Und wenn wir schon bei historischen Statistiken sind: Das erste Mal in ihrer Vereinsgeschichte nicht württembergischer Meister wurden die Kickers im Jahr 1909, also zehn Jahre nach Gründung. Der erste Abstieg in die 2.Liga erfolgte 1950, der erste Abstieg in die 3.Liga dann 1994, der erste in die 4.Liga kam 2009 und schließlich der erste Abstieg in die nun 5.Liga 2018. Die Intervalle beim Erreichen des vorläufigen Tiefpunkts wurden also immer kürzer. Und jetzt der ATSV Mutschelbach. Mit 2.090 Zuschauern erreicht dann auch die Kulisse einen neuen Rekordtiefstand in dieser Saison – aber immerhin noch knapp über 2.000. Ich kann mich noch gut an den Abstieg aus der 2.Bundesliga im Jahr 2001 erinnern. Kurz zuvor spielten die Kickers noch gegen Hannover 96, Mainz 05 oder den MSV Duisburg und hatten stets über 4.000 Zuschauer. Selbst gegen LR Ahlen kamen 4.418 Zuschauer. Zugpferde in der Saison waren die Heimspiele gegen den 1.FC Nürnberg (7.635), Borussia Mönchengladbach (7.100), Arminia Bielefeld (7.580), die Spvgg Fürth (6.380) und natürlich den SSV Reutlingen (8.751). Dann der Abstieg in die Regionalliga Süd und teilweise hatte man plötzlich unter 2.000 Zuschauer. Tiefpunkt waren 1.512 Zuschauer gegen die Spvgg Ansbach. Es war ein total komisches Gefühl, auf nun leeren Stufen zu stehen. Damals wurde aber nicht nur zuschauermäßig, sondern auch sportlich der Niedergang eingeleitet, wobei beides natürlich zusammenhängt. An die 2.Bundesliga ist momentan überhaupt nicht mehr zu denken und so heißt der Alltag nun Mutschelbach statt Mönchengladbach. Dass der heutige Gegner komplett anders aufgestellt, zeigt schon allein die Tatsache, dass der Anstoß kurzfristig um 45 Minuten nach hinten gelegt werden muss. Stau auf der A8 zwischen Pforzheim und Stuttgart – und in dem steckt auch der Mannschaftsbus der Gäste fest. Die sind erst auf den allerletzten Drücker in Mutschelbach losgefahren, aber wir sprechen hier wie gesagt nun mal nicht von einer Profitruppe. Der Gästeblock wird natürlich gar nicht erst aufgeschlossen, sondern die paar Mutschelbacher Opas und Familenväter werden auf der Haupttribüne untergebracht. Was für die Kickers ein absoluter Tiefpunkt ist, ist für die Mutschelbacher dagegen ein absoluter Höhepunkt und mit wirklich leuchtenden Augen flanieren sie durchs Waldaustadion. Alles wird fotografiert und der halbe Fanshop der Kickers leergekauft. Süß. Ansonsten klaffen abgesehen vom B-Block heute richtig dicke Löcher auf den Tribünen. Im B-Block lässt man sich davon hingegen nicht beirren und geht motiviert ans Werk. Leider ist das Liedgut bei den Kickers immer recht einschläfernd. Es wird da wirklich dringend Zeit für etwas Neues! Schön dagegen, auf der Waldau immer viele alte Weggefährten zu treffen, so dass auch dieser Abend wenig überraschend bei guten Gesprächen in einer Stuttgarter Spelunke endet.