Kisvárda FC - Budapest Honvéd FC 0:1

Ungarn, Nemzeti Bajnokság I (1.Liga)
Sonntag, 4. September 2022, 14.45 Uhr
Kisvárda, Várkerti Stadion

Letzter Tag der 9-Euro-Ticket-Abschieds-Tour, der mich der Rekomplettierung der ungarischen 1.Liga deutlich näherbringt. Die war eigentlich viele Jahre lang komplett, aber die Neubauten und vor allem die Aufstiege von belanglosen, aber neureichen Dorfvereinen wie dem aus Kisvárda haben Löcher in meine Sammlung gerissen. 18.000 Einwohner hat der Ort nahe der slowakischen und ukrainischen Grenze, zu sehen gibt es hier im Prinzip nichts. Eine kleine Fußgängerzone mit noch aus sozialistischer Zeit stammender Kaufhalle, eine große, restaurierte Synagoge und ein Denkmal von Ungarn-König Stephan I. – das war’s. Abseits vom kleinen Stadtzentrum wirkt Kisvárda wie ein großes Dorf. Der Kisvárda FC spielte in seiner seit 1911 andauernden Vereinsgeschichte nie eine besondere Rolle im ungarischen Fußball, stieg dann aber – ausgestattet mit reichlich Geld – 2016 erstmals in die 2.Liga und nur zwei Jahre später schließlich in die 1.Liga auf. Durch die Einführung der Conference League feierte der Verein in dieser Saison sogar seine Europapokal-Premiere, überstand die zweite Qualirunde gegen den FK Qairat Almaty aus Kasachstan, schied danach aber gegen Molde (Norwegen) aus. Kisvárda ist dabei kein Einzelphänomen im ungarischen Fußball, denn mit Mezőkövesd und vor allem der Puskás Akadémia aus Felcsút gibt es ja noch zwei weitere Dorfvereine in der 1.Liga. Dahinter steckt das neue Sport-System des umstrittenen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, der nach dem Prinzip „Brot und Spiele“ mächtig Geld in den ungarischen Fußball pumpt. Geld, das an anderer Stelle dringend fehlt. Da in dieser Saison auch noch ein Besuch bei der Puskás Akadémia ansteht, wo dann endgültig die Rekomplettierung der 1.Liga erfolgt, werde ich später noch einmal auf diesen ganzen Irrsinn eingehen, zumal das dort deutlich besser zu veranschaulichen ist. Aber auch hier in Kisvárda ist es völlig absurd, dass in diesem belanglosen Ort plötzlich so ein modernes Stadion steht. Gespenstisch! Mit 2.850 ist die Zuschauerkapazität überaus mickrig, aber trotzdem noch überdimensioniert, so dass auch heute trotz des namhaften Gegners (14x Meister und 8x Pokalsieger) die meisten Sitze leer bleiben. Hinter dem Tor haben sich zwar etwa 30 Leute zusammengefunden, die den Heimblock von Kisvárda bilden, aber viel los ist da nicht und schon nach wenigen Minuten wird der (nervige) Support eingestellt. Damit kann dann die volle Konzentration den Gästen aus dem Budapester Stadtteil Kispest (Klein-Pest) gelten, die mit rund 100 Leuten im spärlichen Gästeblock hinter dem anderen Tor stehen. Leider ist man dort heute nur mittelmäßig aufgelegt und supportet nur sporadisch. Wenn gesungen wird, dann macht es Laune, eben weil auch hier wieder der typisch ungarische Stil zu hören ist, aber es sind mitunter schon sehr lange Pause dabei. Schade. Nach dem Spiel geht es mit dem Zug weiter nach Budapest. Kisvárda liegt in der Hinsicht sehr praktisch an der von der Ukraine kommenden Zugstrecke in die ungarische Hauptstadt. Aufgrund des Krieges starten die Züge derzeit aber nicht im ukrainischen Mukachevo, in dem eine ungarische Minderheit (10%) lebt und das die Ungarn Munkács nennen, sondern im auf der ungarischen Seite gelegenen Grenzort Záhony, der nur 24 Kilometer von Kisvárda entfernt ist. Das macht noch einmal deutlich, wie sehr Kisvárda im Outback liegt und wie absurd es ist, dass hier quasi über Nacht ein Erstligist entstanden ist. In Budapest gönne ich mir noch eine Übernachtung, ehe es von dort am nächsten Tag per Flugzeug nach Köln geht.