Frankreich, Division 2 Féminine – Playoff (Frauen, 2.Liga)
Sonntag, 26. Juni 2022, 15 Uhr
Calais, Stade de l'Epopée
Da freut sich die Familie: Kaum ist der Schwiegersohn in Cadzand angekommen, zieht er nach ein paar Stunden Schlaf zusammen mit der Freundin auch schon wieder weiter nach Frankreich. Lange habe ich überlegt, ob ich wirklich nach Calais fahren soll. Zum einen ist es wie gesagt nicht wirklich nett gegenüber der Familie, schon am nächsten Morgen wieder abzuhauen. Zum anderen ist es halt nur Frauenfußball. Aber in solchen Momenten haut meine Freundin, die nichts mit Fußball und schon gar nichts mit Groundhopping am Hut hat, dann irgendwie immer genau den richtigen Satz raus. Und der lautet am Vorabend: „Wenn Du den Ground morgen nicht machst, dann wirst Du den doch wahrscheinlich nie machen.“ Vollkommen richtig. Calais ist weit von zu Hause, wird wohl nie so richtig auf dem Weg von irgendwas liegen und hat auch nichts mehr mit Profifußball zu tun, so dass diese günstige Gelegenheit am Schopfe gepackt werden muss. Es geht also immer an der belgischen Küste entlang in die berühmte Hafenstadt, von der aus man bei gutem Wetter – so auch heute – die Kreidefelsen Englands sehen kann. Aktuell steht Calais (knapp 70.000 Einwohner) ganz im Zeichen der Tour de France, deren 5.Etappe in genau einer Woche hier enden wird. Ansonsten wirkt die Stadt wie erwartet sehr maritim, wobei selbst am Strand überraschend wenige Touristen unterwegs sind und es überaus entspannt zugeht. Weitgehend leer ist heute auch das Stade de l'Epopée, denn obwohl es hier um Auf- bzw. Abstieg in die 2. bzw. 3.Liga geht, zieht natürlich auch in Frankreich Frauenfußball ganz anders als Männerfußball. Die Männer von Racing Calais waren lediglich von 1933 bis 1938 Erstligist, besaßen ansonsten aber trotz der Größe und vor allem Wichtigkeit der Stadt nie Profistatus. Größter Erfolg war die Saison 1999/2000, als man als Viertligist (!) ins französische Pokalfinale einzog, dort aber dem FC Nantes durch ein Eigentor in der 90. Minute mit 1:2 unterlag. In der Saison 2005/2006 schaffte es Racing Calais immerhin bis ins Viertelfinale, was in Frankreich ja bereits die zwölfte Pokal-Runde ist. Man fragt sich dennoch, warum mit dem 2008 eröffneten Stade de l'Epopée (Baukosten: 22 Mio. Euro) ein derart pompöses Stadion in Calais steht, wenn der Verein doch nie wirklich etwas gerissen hat. Gewissermaßen ist seine Pokalsensation der Saison 1999/2000 dafür verantwortlich, denn da das alte Stade Julien-Denis für die großen Spiele nicht geeignet war und Racing Calais deshalb nach Lens umziehen musste, soll die Stadt beschlossen haben, ein fettes Stadion zu bauen. Ob das wirklich so stimmt, weiß ich nicht. Wenn es wirklich stimmt, dann ist es purer Wahnsinn, nur wegen einer guten Pokalsaison so ein Teil aus dem Boden zu stampfen, das ansonsten vollkommen überdimensioniert ist und nie gebraucht wird. Erst recht wenn man bedenkt, wie es bei Racing Calais weiterging, denn der völlig überschuldete Verein wurde 2017 zunächst in die 9.Liga strafversetzt und schließlich gerichtlich aufgelöst. Als Nachfolgeverein wurde 2019 eben jener Grand Calais Pascal FC gegründet, deren Frauen heute um den Aufstieg in die 2.Liga kämpfen. Trotz freiem Eintritt bleiben die meisten Sitze im Stade de l'Epopée frei, was aber nur zu gut veranschaulicht, dass man dieses Stadion wirklich nicht gebraucht hätte. Dennoch: Aus Hopper-Sicht natürlich gut, dass es steht – und jetzt abgehakt ist.