Deutschland, Anhalt-Kreisliga (10.Liga)
Samstag, 11. Juni 2022, 12.30 Uhr
Dessau-Roßlau, Sportforum Friederikenplatz
9-Euro-Ticket, Tag 11 – und zum ersten Mal geht’s dann auch mal etwas weiter hinaus. Die Doppelstadt Dessau-Roßlau (80.000 Einwohner) ist die drittgrößte Stadt von Sachsen-Anhalt und entstand 2007 durch die Fusion der vormals eigenständigen Städte Dessau (Hauptstadt von Anhalt) und Roßlau. Damals hatte man noch 90.000 Einwohner, nur 15 Jahre später sind es 10.000 weniger. International bekannt ist Dessau durch die in den 1920er-Jahren entstandene Bauhaus-Architektur, zu deren Schwerpunkten die Stadt einst gehörte. Mehrere Gebäude in Dessau gehören deshalb zum UNESCO-Weltkulturerbe. Dem Fußballfan ist die Stadt dagegen durch ihre Stadionlandschaft bekannt, denn mit dem Paul-Greifzu-Stadion und dem Stadion am Schillerpark stehen hier gleich zwei ansehnliche Grounds, obwohl die Stadt in puncto Fußball selbst innerhalb von Sachsen-Anhalt kaum noch eine Rolle spielt. Bevor es zum Platzhirschen SV Dessau geht, widmen wir uns der Nummer 2 der Stadt: ASG Vorwärts Dessau. Der Verein ist ein typisches Kind der DDR und entstand 1974 durch einen Umzug der ASG Vorwärts Leipzig hierher nach Dessau. Vereine mit dem Namen Vorwärts gehörten stets der Nationalen Volksarmee an, was mit dem Zusatz ASG (Armee-Sportgemeinschaft) unterstrichen wurde. Trotz des Umzugs nach Dessau konnte der Verein den Startplatz in der 2.Liga der DDR übernehmen, in der er ununterbrochen bis zur Wende spielte. Zeitweise stand Vorwärts damit besser da als der eigentlich erfolgreichere SV Dessau, der sich zu DDR-Zeiten Motor Dessau nennen musste. Mit der Wende wurde die Nationale Volksarmee in die Bundeswehr integriert und damit war das Schicksal aller Vorwärts-Vereine besiegelt, denn es brach über Nacht der Geldgeber weg. Vorwärts Dessau nannte sich um in FC Anhalt Dessau und dann ging es steil bergab bis in die 5.Liga, in die man 1998 abstieg. Geblieben waren nur die finanziellen Probleme, die 2005 zur Auflösung des FC Anhalt führten. Die Spieler wechselten zum SV Stahlbau Dessau, wurden aber auch dort nicht glücklich und so gründeten sie nach nur wenigen Monaten die ASG Vorwärts Dessau neu. Das A steht jetzt aber nicht mehr für Armee, sondern für Anhalt. Unter dem neuen alten Namen geht es für die Nummer 4 der ewigen Tabelle der 2.Liga der DDR aber nicht wieder bergauf und so krebst man seit 2005 nur noch zwischen 8. und 10.Liga herum. Beim Besuch im Sportforum am Friederikenplatz merkt man aber deutlich, dass es den meisten Leuten hier eigentlich nur darum geht, den Namen und die Erinnerung an die alte ASG Vorwärts Dessau zu bewahren. Den absoluten Drang, sportlich wieder nach oben zu kommen und es mit dem SV Dessau aufzunehmen, gibt es nicht. Das sieht man auch am etwas verwahrlosten Sportforum, das aber gerade deshalb jede Menge DDR-Flair ausstrahlt. Viel hat sich hier seit 1989 nicht getan. Passenderweise ist heute auch ein Gegner mit ebenfalls typischem DDR-Namen zu Gast. Zu Gemüte führen sich das keine 30 Zuschauer, allerdings wird mehrmals der Schlachtruf „Fußball, Dessau, ASG!“ angestimmt.