Sonntag, 1. Dezember 2019, 9 Uhr
Bielefeld, Sportpark Gadderbaum
Der 1. Dezember ist schon seit Wochen ganz dick im Kalender angestrichen, denn an diesem Ersten Advent soll endlich der berühmte Sportplatz am Kupferhammer in Bielefeld fallen, der einmal vom NDR-Magazin Extra 3 zum kuriosesten Sportplatz Deutschlands gekürt wurde (siehe hier). Es handelt sich um einen sogenannten Glatzenplatz, der im inneren Drittel des Spielfelds einen Aschebelag und in den beiden äußeren Dritteln einen Rasenbelag besitzt. Schon allein die Tatsache, dass es dafür einen eigenen Namen gibt, lässt darauf schließen, dass dies nicht der einzige Glatzenplatz der Republik ist. Tatsächlich gibt es selbst in Bielefeld einen zweiten Glatzenplatz, nämlich beim VfL Ummeln. Dort dient eher jedoch lediglich als Trainingsplatz. Dass die Extra-3-Redaktion sich ausgerechnet den Bielefelder Glatzenplatz am Kupferhammer herausgepickt hat, könnte damit zu tun haben, dass auf ihm vergleichsweise hochklassiger Fußball geboten wird. Einer der Nutzer ist nämlich der FC Türk Sport Bielefeld, der aktuell immerhin in der westfälischen Bezirksliga kickt. Die Zeit drängt jedoch, denn das Westfalen-Blatt vermeldete Anfang Oktober, dass der Sportplatz am Kupferhammer im Frühjahr 2020 für 100.000 Euro saniert wird (siehe hier). Die Glatzenplätze galten einst als technische Raffinesse, weil man damals davon ausging, dass sich das Spielgeschehen auf das Zentrum des Feldes konzentriert. Dort finden demnach viele Zweikämpfe statt, weshalb man dort einen Aschebelag benötigt. Über die Flügel wird hingegen eher schön gespielt, dort machte nach dem damaligen Verständnis also Rasen Sinn. Heute stehen die Glatzenplätze für ein erhöhtes Verletzungsrisiko, vor allem am Übergang zwischen Rasen und Asche. Gut möglich also, dass im Zuge der Sanierung der Belag des Sportplatzes vereinheitlicht wird und aus ihm zum Beispiel ein reiner Ascheplatz wird. Seit jenem 7. Oktober, an dem das Westfalen-Blatt den Artikel veröffentlicht hat, laufen wie gesagt die Planungen und der 1. Dezember wurde für den Besuch am Kupferhammer auserkoren. Die erste Mannschaft des FC Türk Sport spielt am Ersten Advent zwar auswärts, dafür wurde aber ein Heimspiel der dritten Mannschaft gegen Union Vilsendorf angesetzt – und das mit der krassen Anstoßzeit 8.30 Uhr. Einerseits gut, weil man im Anschluss mindestens zwei weitere Spiele in Bielefeld anschauen kann, andererseits aber auch insbesondere für die Spieler eine Frechheit. Nur mal zum Vergleich: In Bielefeld steht der reguläre ÖPNV sonntags vor 8 Uhr noch still. Selbst von der Innenstadt aus müsste die Anreise zu dieser Uhrzeit noch mit Nachtbussen erfolgen. Das wird jedoch hinfällig, denn drei Tage vorher verlegt der Fußballkreis Bielefeld das Spiel spontan von 8.30 auf 12.45 Uhr. Somit muss kurzfristig umdisponiert werden, was aber nicht weiter schlimm ist, denn um 14.30 Uhr trägt auch der Griechische SV Cosmos sein Heimspiel am Kupferhammer aus. Wesentlich geringer ist die Auswahl am Vormittag, es steht einzig das 9-Uhr-Heimspiel des SV Gadderbaum III im Regal. Mit der allerersten Straßenbahn, die kurz nach 8 Uhr das Straßenbahn-Depot in Sieker verlässt, geht es somit in den kleinsten Bielefelder Stadtbezirk. Er ist geprägt von den Von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, die mit 18.000 Mitarbeitern das größte Sozialunternehmen Europas und auch der größte Arbeitgeber in Bielefeld sind. Die gesamten 15 Minuten Fußweg von der Straßenbahnhaltestelle bis zum Sportpark Gadderbaum läuft man nur an Bethel-Einrichtungen vorbei. Der Stadtteil verwendet sogar eigene Straßenschilder mit Bethel-Logo darauf. Daran merkt man schon, was für einen Status diese wohl weltweit bekannte Einrichtung hat. Einmal im Jahr ist auch der Sportpark Gadderbaum Teil dieses Imperiums, nämlich wenn bei den Bethel Athletics behinderte Menschen in sportlichen Wettbewerben gegeneinander antreten. Ansonsten sind hier die beiden Fußballvereine SuK Canlar Bielefeld und SV Gadderbaum aktiv, auch wenn dahinter heute ein dickes Fragezeichen steht. Ganz Bielefeld ist in eine tiefe Nebeldecke gehüllt, im Sportpark Gadderbaum kann man nicht mal von Tor zu Tor gucken. Erst um 8.57 Uhr will der Schiedsrichter bekanntgeben, ob gespielt wird, doch ein kurzes Nicken beim Betreten des frostigen Kunstrasens signalisiert: Anpfiff. Großer Jubel bei den fünf Zuschauern. Es ist aber zumindest in der ersten Halbzeit ein Spiel unter absolut irregulären Bedingungen und wären das hier nicht zwei dritte Mannschaften, wäre das Ding ziemlich sicher nicht angepfiffen worden. Bei den Spielern spricht sich schnell herum, dass man es heute aufgrund der eingeschränkten Sicht mit Weitschüssen versuchen soll, was aber nur bedingt gelingt. Es sind wie gesagt nur dritte Mannschaften...