Dienstag, 12. März 2019, 20.45 Uhr
Johor Bahru, Stadium Tan Sri Dato' Hj Hassan Yunos
Mit dem ersten Bus geht es am
Montagmorgen von Kuala Lumpur zurürck nach Singapur. Dieses Mal
nicht der Luxusliner, sondern die normale Variante für 20
Singapur-Doller (ca. 13 Euro). Die reicht für die frühe Verbindung
aber vollkommen, denn es sitzen gerade einmal fünf Leute mit im Bus.
Man kann sich also breit machen. Im Nachhinein etwas schade, schon
jetzt nach Singapur aufzubrechen, da mir Kuala Lumpur sehr gut
gefällt, was ich bei der Planung so nicht gedacht hatte und ursprünglich zwei
Tage für ausreichend hielt. So kann man sich täuschen. In Singapur wird sich wieder
der Tagespass für Metro und Bus zugelegt. Der kostet für einen Tag
10 Singapur-Dollar (ca. 6,50 Euro). Dazu müssen 10 Singapur-Dollar
Pfand hinterlegt werden, die man zurückbekommt, wenn man die
Plastikkarte an einer der Metrostationen wieder zurückgibt. Es
bleibt also ein weiterer Nachmittag Zeit, um Singapur abzuklappern.
Ich nehme mir die traditionellen Viertel vor, also die Chinatown,
Little India und das arabische Viertel, das sich rund um die
prunkvolle Sultan-Moschee zieht. Die sieht zwar ein bisschen nach
Disneyland aus, ist aber tatsächlich die Hauptmoschee Singapurs, wo
der Islam Staatsreligion ist – obwohl nur 14 Prozent der Einwohner
Muslime sind. Singapur ist wie gesagt ein bunter Schmelztiegel aller
möglichen Kulturen und Religionen. Nicht selten, dass zwischen den
Tempeln der einzelnen Religionen nur wenige Meter liegen. In
Erinnerung bleibt der Besuch der Hajjah-Fatimah-Moschee gegenüber
dem Golden Mile Tower, wo die Fernbusse nach Malaysia abfahren. Die
Moschee ist architektonisch ein Mix aus Europa und Asien und gilt als
ursprünglicher als die Sultan-Moschee, auch wenn sie zwischen den
riesigen Wohnanlagen des Viertels ein wenig untergeht. Als ich dort
ein Foto vor dem Eingang mache, werde ich sofort von einem
Mitarbeiter eingeladen, reinzukommen und dem Gebet zuzuhören. Auch
wenn ich kein Wort verstehe: super-entspannte Atmosphäre und eine
Oase der Ruhe inmitten dieser Mega-City. Und noch mal gesagt: Der
Islam hat hier einen ganz anderen Anstrich als in Arabien.
Am
nächsten Tag geht es noch einmal hinüber nach Malaysia. Asiatische
Champions League, Malaysias Serienmeister Johor Darul Ta’zim trifft
auf Gyeongnam aus Südkorea. Die Gastgeber waren ursprünglich ein
Verein, der ab Ende der 80er-Jahre – mit der Öffnung der
malaysischen Fußballs für Vereine – Fuß fasste. Nach den
Pokalsiegen 1994 und 1996, die in Malaysia wie gesagt wichtiger sind
als die nationale Meisterschaft, geriet der Verein immer mehr ins
Blickfeld des Sultans von Johor, das der südlichste Bundesstaat von
Festland-Malaysia ist. Der Kronzprinz des Sultanats erklärt die
Angelegenheit nach dem Aufstieg in die 1. Liga schließlich zur
Chefsache und übernahm den Verein, der seither unter dem Namen Johor
Darul Ta’zim (der vollständige Name des Bundesstaates) als
offizielle Mannschaft des Fußballverbands von Johor antritt. Geld
ist in dem vergleichsweise sehr konservativen Sultanat vorhanden, was
auch der Nähe zur Singapur zu verdanken ist, dessen Wasserversorgung
man beispielsweise organisiert. Konsequenz: Seit 2014 wurde Johor
jedes Jahr Meister und holte 2015 den AFC-Cup (das asiatische Pendant
zur Europa League). Seine Heimspiele trägt Johor in der Hauptstadt
Johor Bahru aus, die mit ihren 1,5 Millionen Einwohnern genau
gegenüber dem Inselstaat Singapur liegt. Beide Städte trennt die Wasserstraße von Johor, die meist nur einen Kilometer breit ist. Zwischen Johor Bahru und
Singapur findet ein reger Austausch statt. Früher gab es sogar eine
Zugverbindung, die weiter nach Kuala Lumpur führte, da die Schienen aber saniert werden, ist die
Verbindung derzeit ausgesetzt. Dafür verbinden im 10- bis
15-Minuten-Takt Linienbusse die beiden Städte zum Preis von 3,50
Singapur-Dollar (ca. 2,30 Euro). Es gibt übrigens nur zwei Brücken,
die Singapur mit Malaysia verbinden. Während die Fernbusse die
westliche Brücke am Checkpoint Tuas nehmen, fahren die Busse nach
Johor Bahru genau wie früher die Züge über die Woodlands und den
Johor Causeway, an dessen malaysischen Ende direkt der Hauptbahnhof von
Johor Bahru steht. In Singapur starten die Busse an der Queens Street
und halten in Johor Bahru am Hauptbahnhof (in dem auch die
malaysische Grenzkontrolle stattfindet) sowie am Busbahnhof Larkin, der
nur 400 Meter vom Stadion entfernt liegt. Den Luxus, dort
auszusteigen, gönne ich mir allerdings nicht, sondern ich nehme
schon am Hauptbahnhof meinen Hut, um noch etwas von der Stadt zu
sehen. Der Hauptbahnhof selbst ist sehr modern, was auch für die
Shopping Mall gilt, über die man ihn verlassen muss. Abseits des
Zentrums mit seinen wenigen modernen Glashochhäusern ist die Stadt
jedoch nicht mehr ganz so schillernd. Lediglich entlang der Straße
von Johor – mit Blick auf Singapur – stehen noch ein paar
koloniale Überreste und Bauten des Sultans. Mit dem Taxi geht es
dann frühzeitig zum Stadion, denn die Ticketfrage ist noch nicht
geklärt und vermutlich wird es voll werden. Ernüchterung, als ich
einen Ordner nach dem Kartenhäuschen frage. Antwort: „No ticket
office. Sold out.“ Fast gedacht, aber deswegen bin ich ja so früh
hier. Die Suche nach dem Schwarzmarkt entfällt jedoch, denn der
Ausländerbonus ist hier natürlich das Dreifache wert wie anderswo.
Keine zwei Minuten vergehen, da pfeift mich der Chefordner heran und
fragt, ob ich ernsthaft wegen diesem Spiel nach Johor gekommen sei.
Die Antwort, dass ich morgen früh nach Bangkok weiterfliege und
tatsächlich nur wegen diesem Spiel noch mal in den Süden
zurückgefahren bin (was ja auch der Wahrheit entspricht), lässt ihn
sofort in die Tasche greifen und aus selbiger ein Gratis-Ticket für
die Haupttribüne gleiten. Als ich ihm dafür ein paar
Ringgit-Scheine zustecken will, lehnt der Chefordner empört ab. Das
sei ja wohl eine Frage der Ehre. Malaysia, was für ein Land… Viel
zu früh bin ich damit im Stadion, womit aber schön beobachtet
werden kann, wie sich die Curva Nord von Johor füllt. Johor ist
momentan nicht nur sportlich das Maß aller Dinge in Malaysia,
sondern auch in puncto Ultras. Die Fahne der 2010 gegründeten Boys
of Straits wird sehr früh aufgehängt, um die herum sich die Curva
Nord aber ebenfalls recht schnell füllt. Man merkt: Die Leute haben
Bock. Aus Südkorea sind nur etwa 20 Gästefans mitgekommen, die sich
zwar hinter einer riesigen Zaunfahne versammeln, aber während dem
Spiel ne ziemliche Hampelmann-Show abziehen, bei der meist nur der
Familienvater alleine etwas durchs Megaphon brüllt. Glücklicherweise
wird auch das recht schnell eingestellt, so dass man sich schön auf
den Johor-Anhang konzentrieren kann. Fast jeder im Stadion hat die
Nationalflagge von Johor dabei, die beim Einlauf der Mannschaften
hochgehalten wird, was ein sehr imposantes Bild abgibt. Dazu wird auf
der Gegengerade eine XXL-Johor-Fahne ausgerollt. Fast schon irre
dann: Weil das hier kein nationales Spiel wird, werden auch die
Nationalhymnen nicht gespielt. Das passt den Leuten natürlich
überhaupt nicht in den Kram, weshalb kurz vor dem Anstoß die
Lautsprecher heruntergedreht werden und das ganze Stadion mit
ausgebreiteten Fahnen die Nationalhymne von Johor singt. Auch die
Heimmannschaft stellt sich mit Hand aufs Herz aufs Spielfeld und
singt mit. Die Spieler von Gyeongnam gehen währenddessen fast schon
gelangweilt zum Gästeblock und winken den mitgereisten Fans zu. Mehr
Kontrast geht nicht. Was die Curva Nord dann die folgenden 90 Minuten
abliefert, ist wirklich erste Sahne. Gute Lautstärke, unglaubliche
Mitmachquote. Vorne muss der Capo nur schnippen und sofort gehen
5.000 Hände hoch. Das ist Asien. Die Lieder werden meist minutenlang
getragen, immer in einer guten Lautstärke. Besonders imposant ist
die Version des von San Lorenzo übernommenen Liedes „La cabeza“,
das zwar mit dem ganz eigenen malaysischen Rhythmus, aber inklusive
der Marihuana-Passage vorgetragen wird. Warum das so imposant ist? In
Malaysia steht auf Drogenbesitz die Todesstrafe. Und dann stehen da
über 3.000 Leute in der Kurve und feiern inbrünstig Marihuana ab.
Es ist eines dieser Spiele, das gerne länger als 90 Minuten gehen
dürfte, weil das wirklich unglaublich Spaß macht, was bei Johor
abgeht. Trotzdem geht es pünktlich mit Abpfiff schnellen Schrittes
zurück zum Busbahnhof Larkin, um noch einen der letzten Linienbusse
zurück nach Singapur zu erwischen. Dort hebt morgen früh um 8 Uhr schließlich der Flieger nach Bangkok ab.