Freitag, 3. November 2017, 18.30 Uhr
Leipzig, Stadion Cottaweg
„Zeig Du mir beim nächsten Mal doch
mal Deutschland!“ Die Bemerkung des cane sciolto zu später Stunde
beim gemeinsamen Trip nach Reggio nell'Emilia war eindeutig: Nach
unzähligen gemeinsamen Abenden in Italien drehen wir den Spieß
ausnahmsweise einmal um – Germania statt Italia. Gar nicht so
einfach, an nur einem Wochenende ein möglichst abwechslungsreiches
und gleichzeitig typisches deutsches Fußball-Programm für den
Italiener zusammenzustellen, aber nach kurzem Überfliegen der
Spielpläne fällt die Wahl recht schnell auf Leipzig –
wohlwissend, dass der cane sciolto auf Extreme steht. An diesem
Freitagabend sollte ursprünglich ein Heimspiel von Lok Leipzig
stattfinden, das aber (vermutlich im Zusammenhang mit den aktuellen
Ereignissen rund um Roter Stern Leipzig) kurzfristig auf
Sonntag verschoben wird – und damit wohl bewusst zeitgleich mit dem
Roter-Stern-Auswärtsspiel in Naunhof stattfindet. Schnell muss
Ersatz gefunden werden, der sich letztendlich nur in der
B-Junioren-Regionalliga finden lässt. Genau genommen passt die
U17-Partie von „Rasenballsport“ aber nur zu gut ins Konzept
dieses speziellen Wochenendes, denn dieses dunkle Kapitel gehört
mittlerweile eben auch zum deutschen Fußball – und erst recht zum
Leipziger. Traurig nur, dass der Name „RB Leipzig“ mittlerweile
auch von Ultras verwendet und das Konstrukt damit ein Stück weit toleriert wird,
denn in Wahrheit ist das nach wie vor der SSV Markranstädt. Ich kann
nicht verstehen, wie man dieses Zugeständnis machen kann und die
rein aus Marketinggründen vollzogene Umbenennung einfach so in den eigenen
Sprachgebrauch übernimmt. Da muss sich jeder auch mal an die eigene
Nase fassen. Es geht an diesem Abend also direkt in die Herzkammer
des Bösen – an den Leipziger Cottaweg. Im Schatten des
altehrwürdigen Zentralstadions ist dort das Trainingsgelände des
Marketingkonstrukts entstanden, das auch beim cane sciolto den Mund
weit offen stehen lässt. Für die Jugendmannschaften wurde ein
eigenes Stadion gebaut, das gleich auf beiden Längsseiten über
einen überdachten Ausbau verfügt. Vario-Sitze wie im Europapokal, reichlich
Presseplätze, Stadionordnung auch in englischer Sprache – auch an
dieser Stelle wird in großen Dimensionen gedacht. So gar nicht ins
Bild passt da der Ordnungsdienst, wobei sich sowieso die Frage
stellt, warum bei einem Heimspiel der zweiten B-Jugend, für das
nicht einmal Eintritt verlangt wird, zehn Ordner anwesend sein müssen. Und
dann natürlich absolute Klischee-Exemplare: grimmiger Blick,
Eastpack-Bauchtasche um den Hals, ostdeutscher Kurzhaarschnitt. Nach
Abpfiff also nichts wie weg hier und den Abend im alternativen
Stadtteil Connewitz verbringen, wo wir die deutlich sympathischere
Seite dieser Stadt kennenlernen.