Schweiz, Regional-Cup A-Junioren (Viertelfinale)
Mittwoch, 19. Mai 2021, 20.15 Uhr
Embrach, Sportplatz im Bilg
Neuer Tag, neues Pokalspiel, gleiches Ergebnis, Massenschlägerei, Polizeieinsatz. Heute ist was los! Und das geht schon bei der Zuschauerzahl los: 130 Leute finden sich zum Viertelfinale des Zürcher A-Junioren-Regionalpokals auf dem Sportplatz im Bilg im nahe des Zürcher Flughafens gelegenen Embrach ein. Zur Erinnerung: Nach wie vor sind Zuschauer bei Fußballspielen in der Schweiz offiziell nicht erlaubt. Doch auch in Embrach heißt es: Bier vom Fass, Wurst vom Grill, keine Masken und kein Abstand. In Deutschland ist das alles undenkbar und so bleibt mir in diesen Tagen jedes Mal wieder der Mund weit offen stehen, wenn ich in der Schweiz bin. Das ist schon unglaublich, wie unterschiedlich beide Länder mit der Corona-Pandemie umgehen. Deutschland beschließt eine Bundesnotbremse, die Schweiz beschließt am gleichen Tag Lockerungen – und die Zahlen entwickeln sich in beiden Ländern ähnlich. Hinzu kommt, dass man es abgesehen von den politischen Entscheidungen von ganz oben aber auch ganz unten lässig angehen lässt. Wenn trotz Verbot Zuschauer im dreistelligen Bereich anwesend sind und die auch noch vom Verein verköstigt werden, würden in Deutschland in Windeseile Polizei und Ordnungsamt auf der Matte stehen. Gut, die werden heute in Embrach auch noch anrücken, aber eins nach dem anderen. Glattbrugg ist nur zehn Kilometer von Embrach entfernt, so dass es nicht wundert, dass auch ein paar Leute anwesend sind, die den Gästen die Daumen drücken. Darunter längst nicht nur Eltern, sondern auch ein Kumpels der Spieler, wobei mir ein Grüppchen schon während des Spiels auffällt. Rein optisch Leute, die gut in die Zürcher Südkurve passen würden. Ohnehin liegt Glattbrugg so nah an Zürich, dass es mit ihm verschmolzen ist und auch ans Zürcher Straßenbahnnetz angeschlossen ist – also volles FCZ-Einzugsgebiet. Während die Jungs es zunächst beim gemütlichen Kiffen belassen, werden auch sie in der mega-spannenden Schlussphase lebhafter. Auf dem Platz geht es hin und her, sowohl das 3:1 als auch das 2:2 und damit die Verlängerung liegen in der Luft. Lattentreffer, Alleingänge, nicht gegebene Elfmeter – alles dabei. Glücklicher Sieger ist am Ende der favorisierte Nachwuchs des FC Embrach, der seine A+-Junioren (also U19) ins Rennen geschickt hat, während es sich beim FC Glattbrugg nur um einfache A-Junioren (in der Schweiz: U18) handelt. Mit Abpfiff geraten sich zunächst nur die Spieler beider Mannschaften in die Wolle, dann aber stürmt das Grüppchen aus Glattbrugg quer über den Platz und mischt mit – teilweise vermummt und mit Gürtel in der Hand. Bilanz: mehrere Verletzte, ein Spieler des FC Embrach landet im Krankenhaus. Die Kantonspolizei wird gerufen und rückt mit einem größeren Aufgebot an, allerdings sind die Übeltäter bei ihrem Eintreffen schon längst über alle Berge. Ihre Flucht mit mehreren Autos verlief mitunter haarsträubend, denn damit man in der Dunkelheit die Kennzeichen nicht erkennt, wurde ohne Licht über die umliegenden Feldwege gebrettert. Natürlich stürzt sich in den folgenden Tagen auch die Boulevardpresse auf den Vorfall (Link zu blick.ch mit Video), wobei wirklich nirgendwo die Frage gestellt wird: Wie kann es eigentlich zu Zuschauerausschreitungen bei einem Spiel kommen, bei dem gar keine Zuschauer erlaubt sind? Vorbei mit der Schweizer Leichtigkeit ist es für mich dann mit Grenzübertritt, denn in Baden-Württemberg gilt ab dem Zeitpunkt nach wie vor eine nächtliche Ausgangssperre. Der inzwischen schon vertraut gewordene kleine Grenzübergang ist wie üblich unbesetzt, aber auf einer Landstraße stehen dann doch mal drei Streifenwagen am Rand. Ein Glück, dass ich nicht herausgezogen werde, obwohl obwohl ich weit und breit das einzige Auto bin. Natürlich geht‘s dann morgen gleich wieder in die Schweiz.